An diesen Beispielen soll deutlich werden, dass bei richtiger Zuordnung und bei richtigem Verständnis die Perspektive Dienstleistung oder auch „Kunde“ angemessen ist. Wichtig erscheint dabei die Unterscheidung zwischen dem inneren Prozess, den niemand bewirken kann, der letztlich auch Gnadenakt bleibt und der die Disposition des Einzelnen benötigt, und dem Rahmen, für den eine Pfarrei verantwortlich ist, wenn auch je nach Dienst oder Angebot in unterschiedlicher Weise. Dieser Rahmen muss mit Blick auf die Leistungsfähigkeit (Potential), den Prozess und das Ergebnis möglichst gut gemacht werden.
Kehl betont, Kirche sei universales Heilssakrament. Er hebt damit hervor, dass Kirche durchaus auch Dienste im Sinne eines Dienstleisters zur Verfügung stelle, die nicht zwingend eine sonstige Teilhabe der Nutzer z. B. am Leben der Gemeinde benötigt. Allerdings sieht er die Gefahr, dass die religiöse Inaktivität der Christen eher ein Regelfall werden könnte. Trotzdem versteht er die kirchliche Realität als Dienstleistungsorganisation als vereinbar mit klassischer Kirchentheorie.212 Dienstleistung würde an dieser Stelle beinhalten, dass Kirche die Menschen zu religiöser Aktivität begleitet und führt.
Mit Pott, der den Begriff „Kunde“ im theologischen Kontext ausführlich betrachtet, gilt, dass die Rede vom „Kunden“ nur eine begrenzte handlungsnormierende Kraft besitzt:
„Sie beinhaltet zunächst deren formalen Charakter als Wirklichkeitserfassungsprinzipien und ist in der Theologie des Zweiten Vatikanums begründet, die dem Leben selbst, mit all seinen geschichtlichen Kontingenzen erstmals normierende Kraft für die Gestaltung kirchlichen Handelns zugesprochen hat!“213
Nach Pott ist Kundenorientierung damit ein pastorales Prinzip, das eine systematische und dauerhafte Kommunikation bzw. Kontaktaufnahme und Begegnung in gleichberechtigter Weise mit den Menschen meint und sie in ihrer vielfältigen Nähe oder Distanz zur Kirche bzw. zu den Gemeinden wahrnimmt. Dabei gibt es immer interne (Mitarbeitende) und externe Kunden, während (Dienst-)Leistungen in unterschiedlicher Weise mit den Menschen erbracht werden. Gerade im kirchlichen Kontext ist - nicht nur bei der Verwendung des Kundenbegriffs - stets das Personalitätsprinzip zu beachten, das die Menschen als Abbild Gottes wahrnimmt.214
Qualitätsmodelle können in verschiedensten gesellschaftlichen Handlungsbereichen zum Einsatz gebracht werden. Sie können auf die jeweiligen Anforderungen angepasst werden. Zugleich sind gewisse Grundmodelle enthalten (z. B. Kundenorientierung), die nicht ignoriert werden können. Die Auseinandersetzung mit den Qualitätsmodellen kann auf diese Weise zu einem produktiven und innovativen Prozess werden. Unter diesem Blickwinkel erscheint ein funktionales Verständnis des Kundenbegriffs auch auf die Gestaltung von Pastoral anwendbar. Will man kirchlich den Begriff „Kunde“ als Suchhilfe verwenden, dann steht er unter der Maßgabe, dass die ehrliche Zuwendung zu den Menschen im Vordergrund steht, er nicht als Konsument betrachtet wird und der Begriff als Instrument dient, damit Kirche den eigenen Auftrag besser verfolgen kann. Kundenorientierung ist in diesem Sinne anschlussfähig.
Gibt es „Erfolg“ in der Kirche?
Pesch nimmt aus bibeltheologischer Sicht Erfolg als eine Kategorie wahr, die das Wirken der Gemeinde bewertet. Eine Gemeinde erfüllt in diesem Sinne dann ein gewisses Anspruchsniveau, das ihr von ihrem Auftrag her vorgegeben ist und im Rahmen dessen sie die Menschen sammelt, die den „Schatz im Acker“ für sich entdeckt haben und die Welt unter dem Blickwinkel der Gottesherrschaft stellen.215
Klostermann stellt fest:
„Offenbar brauchen wir Menschen, und das sind und bleiben wir ja auch als Christen und sollen es sogar, auch so etwas wie Erfolg, was immer das auf dem pastoralen Feld auch sein mag, Bestätigung, daß unser Tun nicht völlig sinnlos ist, sondern uns befriedigt und vielleicht auch anderen hilft. Wer nur Mißerfolg erntet, wer nie und von niemandem anerkannt und bestätigt wird, wer immer nur das Gefühl hat, das, was er sagt, theologisch ausgedrückt: verkündet und pastoral tut, sei umsonst gesagt und getan, und die, die es angeht, vermögen nicht mehr zu erkennen, wozu das gut und nützlich sein soll, der verliert allmählich Mut und Kraft, der verliert seine Identität, den Boden unter den Füßen, der verzweifelt allmählich an sich selbst.“216
Ist Erfolg ist kein Name Gottes? Ist das Kreuz nicht ein Zeichen des Misserfolgs? Nach Klostermann kann das so nicht stehen bleiben, denn der Tod ist nicht der Endpunkt, sondern der Punkt einer großen Sammlung. Allerdings benennt Klostermann dazu auch ein Kriterium, um das Wachstum an Zahl zu bewerten. Demnach sind Aufbrüche der Urchristen oder der Ordensgründer eindeutig im Glauben verankert, während eine Verbreitung des Glaubens mit dem Schwert eigentlich keinen pastoralen Erfolg darstellt, da er „um jeden Preis“ erbracht wurde.217
Klostermann nimmt daneben die Diskussion um die Frage auf, ob der Erfolgsbegriff nicht letztlich ein rein soziologisches Kirchenverständnis intendiere. Seine Antwort ist, dass eine solche Betrachtungsweise eine „monophysisch-spiritualistisch verstandene Kirche“218 voraussetzt, die die weltliche Seite nicht genügend wahrnimmt und damit auch nicht Handlungsfolgen und die Verantwortung dafür ausreichend reflektiere. Kirche dürfe nicht in zwei Teile zerrissen werden: Sie ist sowohl unsichtbare und weltliche Gemeinschaft. Letztlich gelte sogar für das Wirken des Geistes, dass es sich irgendwie in der Welt niederschlagen muss. Auch Gebet und eigenes Wirken in der Welt stellen kein Gegensatzpaar dar, sondern eine Komplementarität.219
„Kirche wird hier zu einem vom Menschen gelösten und unabhängigen, abstrakten, ja divinisierten Gebilde, das keiner Reform bedürftig, ja fähig ist, das letztlich mit dem Reich Gottes identisch wird (…).“220
Der evangelische Theologe Josuttis221 reflektiert den Gebrauch des Begriffes „Erfolg“ im theologisch-kirchlichen Horizont, speziell mit Blick auf den Pfarrer. Er geht zunächst davon aus, dass in pastoralpsychologischer Perspektive Erfolg
„die Erfahrung der positiven Wirkung der eigenen Tätigkeit im Beruf, die beim Handlungssubjekt ein Gefühl der Befriedigung auslöst“222, meint.
Mit Erfolg wird dann gefasst, dass jemand etwas bewirken und Ziele erreichen kann, so z. B. dass seine Verkündigung Menschen anspricht oder dass Hilfe auch ankommt. In der sozialen Dimension bedeutet das, dass der Träger einer beruflichen Rolle wichtig ist und einen wichtigen Dienst erfüllt, sein Dienst also nicht überflüssig ist. Erfolg ist für die handelnde Person wichtig und beinhaltet Bestätigung. Das macht Josuttis z. B. für Pfarrer aus:
„Deshalb ist die Frage nach dem Erfolg eine ihm angemessene Frage und nicht einfach Ausdruck einer neurotischen oder sündhaften Ich-Sucht, sondern wesentlicher Bestandteil seines Identitätsproblems.“223
Kritische Vorbehalte sind dann anzubringen, wenn Erfolg psychologisch zur Sucht wird oder jemand sich selbst um jeden Preis durchsetzen möchte. Das gilt aber auch für die berufliche Situation gerade für Pfarrer, wenn diese Liebe und Zuwendung über die Arbeit zu erreichen suchen. Josuttis sieht es außerdem als problematisch an, dass viele Pfarrer unsicher seien, wofür sie gebraucht würden. Das könne wiederum zu einer Steigerung der Tätigkeiten in Aktivismus hinein führen. Der Heilige