2009 wurden im Rahmen dieser Studie 17 Interviews mit Personen aus der pastoralen Praxis geführt. Sie wurden befragt, wie aus ihrer Sicht Pastoral sinnvoll gestaltet werden kann (ausführlich dazu Kapitel 3). Damit verbunden war die Frage, woran sich die Pastoral in den Pfarreien „messen“ lassen müsste, d. h., woran man erkennt, dass man „erfolgreich“ ist.
Erfolg und Messbarkeit wurde dort ausführlich diskutiert. Die Erkenntnisse daraus dienen zur Antwort auf die Frage, inwieweit der „Erfolg“ bzw. die Wirkung kirchlichen Handelns messbar sein kann. Dabei ist klar, dass das Wirken Gottes an sich nicht erfasst werden kann. Aber das Wirken der Kirche würde ins Leere laufen, wenn es nicht spürbar wäre.
Erkenntnisse aus Interviews
Im Rahmen der Interviews wurde von den Interviewpartnern immer wieder reflektiert, inwieweit man den Erfolg der Pastoral vor Ort überhaupt messen kann und ob Zahlen dafür ein geeignetes Instrument seien. Die Ergebnisse einer pastoralen Tätigkeit, oder auch deren „Erfolg“, schienen für manche/n Interviewpartnerin nicht überprüfbar bzw. messbar.
Zu dieser Einstellung führen verschiedene Gründe, oder es ist die Kritik an der Verwendung von Kirchgängerzahlen. Außer in einem Fall hat kein Interviewpartner wirklich ausgeschlossen, dass die Entwicklung z. B. von Teilnehmerzahlen ein Indikator für die Wirkung pfarreilicher Pastoral ist. Viel häufiger wurde dagegen überlegt, welcher Indikator für Kirche eine brauchbare Aussagequalität hat (ob z. B. Kirchgängerzahlen ein wichtiges Kriterium sein können).
Da gibt es zunächst den Typ, der nur noch negative Zahlen erwartet und sich daher das Wahrnehmen der Zahlen abgewöhnt hat:
„Die habe ich…ich habe überhaupt keine Erwartungen. So wie es ist, ja…Ich sage, ich gebe von meiner Seite das dazu und wenn es nicht angenommen ist, dass ist denen ihre Sache. (…) weil da ärgere ich mich bloß.“236
Mit der gleichen Begründung wird auch der Blick auf die Kirchgängerzahlen zurückgewiesen, obwohl es
„viel schöner ist … äh … mit der vollen Kirche den Gottesdienst zu feiern, als wie mit so vielen Lücken da drin.“
Genau der gleiche Typus erläutert aber in einem anderen Zusammenhang, wann er eine Veranstaltung als gut bewerten würde. Die gute Resonanz einer Veranstaltung hängt dann doch mit der Anzahl der Personen zusammen, oder ein Bibelabend wird abgesagt, weil es zu wenige Teilnehmer sind. Oder man bewertet es als Erfolg, dass vier Familien beim nächsten Mal wiederkommen. Auch die Klicks auf der Pfarrei-Homepage, oder dass etwas Geld hängen bleibt sind, ein Verweis auf den „Erfolg“ einer Gemeinde.
Als weiterer Grund für die Ablehnung, Zahlen in den Blick zu nehmen, wurde geäußert, dass häufig immer noch von volkskirchlichen Voraussetzungen ausgegangen wird, die so nicht mehr anzutreffen seien. Statt darauf zu schauen, wie viele kommen, sei es wichtiger, darauf zu achten, dass diejenigen in der Gemeinde etwas finden, die auf der Suche sind. Damit wurde auch abgelehnt, auf die Kirchgänger-Zahlen am Sonntag zu achten. Es könne demnach nicht darum gehen, diese Zahlen zu steigern.
„Interviewpartner: Ähm, das ist einfach, ähm, wir gehen von volkskirchlichen Voraussetzungen immer noch aus, die längst nicht mehr gegeben sind. (…) Also dass, dass Glaube durch Eltern und Familien auch, ja, weiter gelebt und getragen wird. Und, also von daher ist eigentlich die Taufe schon, ja, äh, hat kein Fundament mehr. Und, und alles Andere sind eigentlich nur Folgeerscheinungen, ja, dass wir uns bei der Erstkommunionvorbereitung so abmühen und dass dann der Abbruch ist, dass wir uns um die Firmlinge bemühen und dann ein Abbruch ist. Also … Ich denke, wir gehen von, von Voraussetzungen aus, die längst schon nicht mehr gegeben sind, also und da ist wahrscheinlich auch ganz ein großes Umdenken notwendig, also. (…) Von da her sind Zahlen jetzt nicht das Kriterium.
lnterviewer:Ja. Können Sie das Kriterium noch einmal sagen?
Interviewpartner: Ähm. Was habe ich gesagt? Dass die, die … ja, die mehr suchen, ähm, das finden in der Gemeinde.“
Allerdings äußert die gleiche Person im Interview an späterer Stelle, dass der Sonntagsgottesdienst durchaus ein Indiz dafür ist, dass sich jemand mit seinem Glauben auf den Weg gemacht hat. Dann würde der Kontakt zur Gemeinde eine Rolle spielen.
An anderer Stelle wurde Zweifel daran geäußert, dass der Glaube des Einzelnen tatsächlich mit einer Zahl erfassbar sei. Ob der Glaube wirklich vertieft wird, könne letztlich nicht erfasst werden.
„aber quantifizieren, also glaube ich, kann man das so nicht, wie stark der Glaube des Einzelnen ist und ich sage jetzt einmal, wie weit das also eine Prestigesache ist dort mitzumachen, wie weit das is… ein echtes Anliegen, weil da gibt es ja die verschiedenen menschlichen Ströme, denen wir natürlich auch unterworfen sind, das ist überhaupt keine Frage.“
Auch das eigene Tun habe keinen Zusammenhang z. B. mit Kirchgängerzahlen. Letztlich müsse man abwarten, was der „Herrgott daraus macht“. In die Menschen kann man nicht hineinschauen, es bleibt somit in der Beziehung des Einzelnen mit Gott. Als Trost für das eigene Engagement, wenn sich kein unmittelbarer Erfolg zeigt, wird auf Jesus verwiesen, dessen „Erfolg“ zunächst nicht sichtbar war:
„Er ist im Prinzip…ja wenn man es jetzt aus menschlicher Sicht betrachten würde, müsste man sagen: er ist am Kreuz gescheitert. Ist natürlich nicht der Fall, ja…“
Ein Diakon macht wiederum deutlich, warum er es vermeidet, auf Zahlen zu schauen.
„wo ich mir sicher bin, es sind vielleicht zehn dabei von denen fünfunddreißig, die, die man danach sehen wird (lacht) in der Pfarrei wieder ähm, aber es hat sich trotzdem gelohnt, diesen fünfunddreißig, sie zu begleiten (…) auf dem Weg.“
Er wehrt sich gegen die Betrachtung von Zahlen, weil er damit nicht den Blick auf die Einzelperson verlieren möchte. Es seien manchmal nur zehn Personen, die nach einer Firmvorbereitung präsent bleiben. Aber es sei wichtig, sich nicht von der geringen Zahl ablenken zu lassen, sondern trotzdem voll und ganz für sie da zu sein. Es müsse um jeden einzelnen Menschen gehen. Es gehe nicht darum, dass die Zahlen stimmen und man deswegen die Leute in die Gemeinde bringt. Die Zahl sei am Ende nicht wichtig. Zahlen werden immer wieder benötigt, aber es gebe Dinge, die wiegen mehr. So habe z. B. der Rückgang der Schülerzahl im Religionsunterricht demographische Gründe. Der Rückgang der Firmzahlen sei nicht darin begründet, dass vor Ort schlechte Arbeit gemacht wird. Es meldeten sich einfach nur noch die Hälfte an. Jammern über schlechte Zahlen sei nicht hilfreich, sondern man müsse sich über die Anwesenden freuen. Manchmal müsse etwas zurückgehen, damit Neues wachsen könne. Trotzdem bleibe die Perspektive, dass sich Leute wieder interessieren könnten, wenn die Lebendigkeit einer Gemeinde nach außen strahlt oder Menschen ein positives Erlebnis machen. Man dürfe nicht mit Druck herangehen.
„Was haben wir denn da falsch gemacht, was müssen wir da ändern? Da (…) sind wir auch nicht so, wo wir sagen ähm, da muss man jetzt mit aller Gewalt was ändern, dass die da, da länger da bleiben. (…) Das geht nicht. Ich kann keine, ich kann die Gläubigen, also zumindest diese Firmlinge nicht ähm mit Gewalt reinziehen in die Kirche. Das, das geht nicht.“
Auch diese Person arbeitete im weiteren Verlauf des Gesprächs mit Zahlen, als sie erwähnte, wie viele Gruppen im Bereich Familienarbeit seit Beginn der Tätigkeit des Diakons hinzugekommen sind.
Ein Gemeindeberater verweist darauf, dass Teilnehmerzahlen ein sinnvolles Kriterium darstellen, sie aber kein ausschließliches Kriterium sein dürften. So könne es sein, dass auch ein geringer Zuspruch für eine Pfarrei wertvoll sein kann. Ergänzend müsste also gefragt werden, ob ein Angebot für eine bestimmte Gruppe hilfreich ist. Ähnliches gelte für die Anzahl der Gruppen oder Aktivitäten, die eine Gemeinde durchführt. Eine Aktion an sich sei noch kein Erfolgskriterium:
„Sondern äh geht noch einmal in die Richtung von vorhin, also eine Gemeinde, die jetzt viele Gruppen, viele Aktivitäten hat, ist meiner Meinung nach, nicht nu.., wird nicht automatisch die bessere oder die