Insgesamt bedeutet das aus Sicht Josuttis, dass die Rede von Erfolg durchaus im pastoralen Kontext Sinn hat, auch wenn man beachten muss, dass es eine theologische Relativierung gibt, da die Liebe ein Geschenk ist.
„Es gibt eine Wirkung des Handelns, die zum Handelnden gehört, ohne daß er behaupten kann, er hätte sie von sich aus hergestellt. Pastoraler Erfolg könnte darin bestehen, daß man den Segen Gottes erfährt, indem man für andere Menschen zum Segen wird.“224
Wichtig ist nach Josuttis dabei, dass Erfolg auch Begrenzung benötigt:
„Man kann nichts tun, wenn man alles tun will. Und man kann einen Realerfolg nicht wahrnehmen, wenn man sich nur den Totalerfolg wünscht. Das pastorale Leiden an der Erfolglosigkeit hängt in vielen Fällen auch mit immensen Allmachtswünschen zusammen - eigentlich müßte ich alles können, alles tun, alles sein.“225
Gabriel verweist darauf, dass die Spiritualisierung pastoralen Tuns und damit die Ablehnung von Erfolgsstandards häufig dazu führt, dass implizit Erfolgsstandards gesetzt werden, die nicht zwingend bewusst oder reflektiert sein müssen. Misserfolg wird dann u. U. uminterpretiert.226
„Ein Handeln ohne Standards des Richtigen und Erfolgreichen ist nämlich kaum denkbar. Für das Alltagshandeln ist es typisch, daß diese Standards weitgehend unbewußt bleiben und erst ins Bewußtsein treten, wenn gewohnte Handlungserfolge offensichtlich ausbleiben.“227
Mit Belok/Bischofberger ist es wichtig, dass Mitarbeitende auch Erfolgserlebnisse haben können. Für sie ist Erfolg durchaus einer der Namen Gottes, wenn man Erfolg auch nicht genauso wie in der Betriebswirtschaft messen kann. Es gilt das theologisch-kirchliche Verständnis zu klären. Erfolg ist die Frucht, die nach einer Aussaat hervorgebracht wird, auch wenn das eigentliche Wachsen der Frucht nur durch die Stärkung der Rahmenbedingungen beeinflusst werden kann.228 Mit Karrer gilt, dass Erfolg als Kategorie auch für Kirche seine Berechtigung hat:
„Kirchliches Leben und die Frage nach dem Christsein hängen mit so etwas wie Erfolg zusammen. Dabei ist an die mit der Botschaft Jesu verbundenen Verheißungen zu erinnern, an den auch ethisch verpflichtenden Aufruf zur Nachfolge Jesu, an die Perspektiven und Optionen praktischen Christen-Mutes usw. In diesem ganzen Feld ist auch die Sendung der Kirche sozusagen ‘zweckgebunden’, auf ein Ziel und auf eine Botschaft hin, die gleichsam zum ‘Erfolg’ verurteilen, nämlich zur Treue und zum Dienst an der christlichen Tiefendimension von Kirche. Nein, Kirche und Christsein sind um ihrer Sendung und Hoffnungsperspektive willen ihrem ‘Erfolg’ verpflichtet. Christsein ist keine Vertröstung auf das ‘Noch-nicht’ eines ausstehenden Jenseits, sondern schon Ernstfall im ‘Schon-Jetzt’ des Diesseits.“229
Karrer verweist deutlich darauf, dass Erfolg in diesem Zusammenhang nicht so verstanden werden darf, dass der Geist letztlich nicht mehr benötigt wird, weil der Mensch alles selbst machen könnte. Gibt es noch eine spirituelle Verankerung, die aus dem Geist Gottes atmet und frei macht, oder kommt es zu einer Art Gesetzesethik, an die man sich nur getreu halten muss, so dass man letztlich zwingend erfolgreich sein wird? Nicht Aktivismus macht erfolgreich.230
„Die Frage ist nicht, ob wir Erfolg und Wirkung erzielen dürfen oder nicht, sondern welche Erfolgsvorstellungen uns steuern und wie wir uns verhalten, wenn sich die Wirkung und die Ergebnisse unseres Bemühens und Handelns nicht im Sinne unserer Erfolgsvorstellungen einstellen und erfüllen.“231
Es kann nach Karrer also nicht darum gehen, dass Mitarbeitende nicht erfolgreich sein dürfen. Stattdessen geht es darum, dass kirchliches Handeln stets an Jesus orientiert ist. Außerdem solle Misserfolg nicht dazu führen, dass Agierende die eigene Sendung in Frage stellen oder sich lähmen oder demotivieren lassen. Vielmehr sind die Gesandten wie „Säleute“, die einen Rahmen schaffen und zugleich dem Wachstum vertrauen.232
Immer wieder wird Buber bei dieser Frage zitiert, nachdem „Erfolg keiner der Namen Gottes ist“233. Damit wird von den Zitierenden in Frage gestellt, dass Erfolg ein Begriff ist, der auf Kirche passt. Das wird z. B. auch in den Interviews deutlich, die zu dieser Studie durchgeführt wurden und auf die später ausführlich Bezug genommen wird (siehe Kapitel 3).
Dazu ist Folgendes anzumerken:
1. Offenbar wird Erfolg mit ökonomischem bzw. betriebswirtschaftlichem Erfolg assoziiert. Das kann bei Kirche nicht gemeint sein, das ist nicht deren Auftrag. Diese Assoziationen scheinen in den Interviews häufig eine Abwehr gegenüber dem Begriff „Erfolg“ hervorzurufen:
„Ich würd’s nicht immer am Erfolg messen. Das klingt auch immer so wirtschaftlich, find ich (…) so in dieserwirtschaft, dass ich da - überall hört man, Audi hat wieder, wieder das Jahresrekord über, über, überschritten (…). Und so, so können wir unsere Arbeit nicht sehen“234.
Kirche kann ggf. ihren Auftrag auch erfüllen, wenn nur einer Person wirklich geholfen wird. Auch dann ist sie möglicherweise erfolgreich. Die Beurteilung, ob es wirklich Erfolg ist, hängt an Kriterien, die man situativ anlegen muss. Das ist aber eine Frage nach geeigneten Beurteilungskriterien und stellt nicht den Begriff „Erfolg“ an sich in Frage.
In den Interviews wird der Begriff „Erfolg“ teilweise ersetzt. Es wird dann z. B. davon gesprochen, dass etwas eine „runde Sache“ ist oder dass die Leute sagen, es war schön. Oder es wird davon gesprochen, dass Pfarrei ihren Auftrag, ihren Sinn erfüllt oder auch als Kirche nachhaltig (z. B. mit Blick auf die Anzahl Ehrenamtlicher oder auf die Angebote, die Menschen wahrnehmen) wirkt.
2. Es ist sicherlich richtig, dass es in der Kirche nicht um Erfolg im Sinne von mehr Macht, mehr Besitz o. ä. gehen kann. Nichtsdestoweniger ist die Auferstehung Christi aber ein voller Erfolg. Denn er hat den Tod besiegt. Im Anschluss kam es zu einer weltweiten Bewegung. Es kann also nicht gemeint sein, dass Kirche ihr Anliegen nicht erreichen soll - im Gegenteil. So muss es Christen z. B. um die Zuwendung zu Menschen gehen, die in einer Leistungsgesellschaft eher am Rande stehen, weil sie eher erfolglos sind.
3. Erfolg kann nur mit Blick auf den Auftrag einer Organisation definiert werden. D. h., erfolgreich ist eine Institution dann, wenn sie ihren Auftrag erfüllt. Bei Kirche heißt das, dass sie ihrer Heilssendung nachkommt. Das ist das Ergebnis, das auf jeden Fall anzustreben ist, dann ist Kirche erfolgreich. Und das ist an vielen Stellen auch ein völlig anderes Verständnis von Erfolg als man es häufig gesellschaftlich versteht.
4. Möglicherweise ist häufig gar nicht gemeint, dass der Begriff „Erfolg“ für Kirche unbrauchbar ist, sondern dass Erfolg gar nicht messbar sei (s.u.).
Erfolg ist als Begriff bisher pastoral nicht verfügbar.235 Trotzdem scheint es notwendig, diese Kategorie für pastorale Mitarbeiterinnen anwendbar zu machen. In dieser Arbeit wird statt von Erfolg von Ergebnissen oder Wirkungen gesprochen, die eine Pfarrei hervorbringt und die im Gegensatz zu Erfolg zunächst neutraler Natur sind. Erfolg meint dann die Ergebnisse bzw. Wirkungen pastoraler Tätigkeit, die beschreiben, dass Kirche ihren Auftrag erfüllt. Relevante negative Wirkungen stehen somit für Misserfolg. Welche Ergebniskriterien letztlich auftragsrelevant sind, muss eine kircheninterne Diskussion entscheiden. Diese Arbeit kann lediglich das