Queen Victoria in der Schweiz. Peter Arengo-Jones. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Arengo-Jones
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783039199341
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die sich ihr bieten, in die Schweiz zu gehen. Doch später als Anfang August könnte sie nicht dorthin gehen – und sie wünscht, nicht länger als bis zum 10. oder 12. September dort zu bleiben. Es würde sie sonst daran hindern, genug von der kräftigenden Luft der Highlands abzubekommen. Sie wünscht, 6 Wochen von letzterer zu haben.»24

      Elphinstone unternahm eine Erkundungsreise in die Schweiz und erstattete im Oktober pflichtgemäss Bericht in Form eines Memorandums, das Beschreibungen zweier möglicherweise geeigneter Häuser am Vierwaldstättersee enthielt.

      «Er bedauert freilich, keine weiteren Details zur Verfügung stellen zu können. – Es war unmöglich, […] diese in Erfahrung zu bringen, da es sich bei beiden Häusern um private Wohnsitze handelt, sodass es nicht möglich war, sich Zutritt zu diesen zu verschaffen, ohne den Zweck des Besuches preiszugeben.»25

      Die Idee des Privathauses wurde fallengelassen, nicht aber der Ort. Obwohl Elphinstone, ein gewissenhafter Hofbeamter, sich nicht weiter vorwagte als bis zu der Bemerkung «Ihre Majestät ist sich jetzt bis zu einem gewissen Grade darüber schlüssig geworden, wo Sie zu wohnen gedenkt», 26 hatte die Königin inzwischen die Zentralschweiz fest ins Visier genommen und verfolgte dieses Ziel bis August 1868 mit äusserster Entschlossenheit, ungeachtet all der Hindernisse, die sich ihr in der ersten Hälfte dieses Jahres in den Weg stellen sollten. Diese Hindernisse waren beträchtlich. Es gab dramatische politische Entwicklungen, die die Anwesenheit der Monarchin am Sitz der Regierung erforderten, und die Presse begann unangenehm zu werden. Die konservative Regierung stellte im Unterhaus nur eine Minderheit, der gesundheitlich angeschlagene Premierminister Lord Derby trat im Februar zurück (und starb im Jahr darauf), und das ganze Jahr über drohte die Aussicht auf eine Parlamentswahl. Dies nahm der Königin jegliche Gewissheit, dass sie den einzigen Glücksfall – sprich ein kongenialer Premierminister in Gestalt Benjamin Disraelis, der als vormaliger Schatzkanzler die Nachfolge Lord Derbys angetreten hatte –, den ihr das Schicksal in vielen Jahren gewährt hatte, noch lange würde geniessen können. Disraeli wusste, wie wertvoll General Grey als freimütiger und furchtloser Berater war, und als Grey zu verzweifeln begann und sich fragte, ob es ihm je gelingen würde, die Königin davon zu überzeugen, häufiger in der Öffentlichkeit aufzutreten, schrieb Disraeli ihm und flehte ihn an, weiterzumachen.

      «[…] Nachdem wir den Prinzen verloren hatten, was mir zunächst wie ein Schlag erschien, der die Ausübung der öffentlichen Angelegenheiten fast unmöglich machte, habe ich Sie stets als das wichtigste Instrument angesehen, mittels dessen sich der Umgang mit der Öffentlichkeit zur Zufriedenheit der einzelnen Minister und zum Vorteil des Staates fortführen lässt. Es scheint mir beinahe ein Akt der Vorsehung zu sein, dass die Entwicklung des privaten Vertrauens der Königin einem echten Gentleman gilt, einem ehrenwerten, intelligenten, verdienstvollen Mann, der überdies über eine nicht geringe und zwar insbesondere über politische Lebenserfahrung verfügt. Ich würde es ausserordentlich bedauern und als grosses Unglück empfinden, wenn Sie aus den Diensten Ihrer Majestät ausscheiden würden.»27

      In seiner Antwort hielt Grey sich lange mit Betrachtungen darüber auf, wie notwendig es sei, zu spüren, dass einem Vertrauen entgegengebracht wird:

      «Bereits der blosse Verdacht, dass dies nicht der Fall ist, beeinträchtigt zwangsläufig die eigene Nützlichkeit, wenn es sie nicht ganz zerstört, und macht eine Situation wie die meine ganz und gar unerträglich. Ich kann nicht vor mir selbst verheimlichen, dass die Königin, seit ich ihr bei mehr als einer Gelegenheit unangenehme Meinungen vorgesetzt habe, mir gegenüber reservierter geworden ist und sich bei gewissen Fragen nun mir gegenüber gänzlich abschottet. Ich glaube freilich, dass dies weniger mit einer Abnahme des Vertrauens zu tun hat als mit der Furcht, dass man ihr Dinge aufdrängt, die nicht im Einklang mit ihren Neigungen stehen, und vor allem diese Überzeugung ist es, die mich veranlasst, auf einem Posten zu verharren, der, wie ich Ihnen sagte, als Sie hier waren, sehr unangenehm für mich geworden ist.»

      Der Brief fährt mit einer düsteren Vorahnung fort:

      «Ich wünschte, ich könnte der Meinung sein, dass sich die Angelegenheit bereinigen liesse, doch wenn ich meiner Pflicht gegenüber der Königin aufrichtig nachkomme, und ich bin entschlossen, dies zu tun, dann sehe ich voraus, dass die Sache nur noch schlimmer werden wird. Gleichwohl können Sie sicher sein, dass ich keine überstürzten Schritte unternehmen werde, und die freundliche und schmeichelhafte Weise, in der Sie sich mir gegenüber geäussert haben, ermuntert und ermutigt mich sehr, dabeizubleiben.»

      Das Ende dieses Briefes enthält einen Hoffnungsschimmer:

      «Seit ich diesen Brief geschrieben habe, habe ich (zum ersten Mal seit einigen Wochen!) wieder Anweisungen seitens der Königin erhalten, die eindeutig keinen Mangel an Vertrauen erkennen lassen, auch wenn bestimmte Themen tabu sein mögen, und obwohl sie es vielleicht vorzieht, nicht persönlich mit mir zu kommunizieren!»28

      Grey blieb auf seinem Posten, doch weder er noch Disraeli noch irgendjemand oder irgendetwas sonst (einschliesslich der Presseattacken aus dem Hinterhalt) konnten die Königin daran hindern, die Lage zu verschlimmern: Sie beschloss, sich im Mai für einige Wochen nach Balmoral, ihre Residenz in Schottland, zurückzuziehen. Disraeli unternahm einen Versuch, sie davon abzuhalten, aber wie er bereits zu Grey gesagt hatte – «Sie sollte nicht nach Schottland gehen, doch sie wird es tun»29 –, so kam es auch. Grey hatte umso mehr Grund, sich um die Königin zu sorgen, als er eine der wenigen Personen war, die wussten, dass sie nach der Rückkehr aus Balmoral in Richtung Kontinent aufbrechen würde.

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      Benjamin Disraeli, Premierminister im Jahr von Königin Victorias Reise in die Schweiz.

      Fairerweise müsste man sagen, dass die Königin – neben der Bürde, die sie sich mit ihrer eigenen Form der ewigen Trauer, dem ehrenden Andenken an ihren lieben Verstorbenen, auferlegt hatte – tatsächlich Grund für Kummer und Angst hatte. Nachdem sie ihres Gemahls und damit ihrer wichtigsten Stütze beraubt worden war, benötigte sie viele Jahre, um ihr Gleichgewicht wiederzuerlangen. Im März 1868 wurde ihr zweiter Sohn, Prinz Alfred, in Australien von einem Angehörigen der irischen Unabhängigkeitsbewegung, der sogenannten Fenian Brotherhood, angeschossen und verwundet. Im April betete sie für den Erfolg eines britischen Expeditionskorps, das gegen König Theodore von Abessinien vorrückte, der sämtliche britischen Untertanen, deren er in seinem Land habhaft werden konnte, als Geiseln genommen hatte. Ihre Gebete wurden erhört: Das Korps rückte durch eine nahezu unpassierbare Gegend bis zu Theodores Festung in Magdala vor und befreite die Gefangenen.

      Anfang Mai löste Gladstones liberale Opposition heftige politische Unruhen aus. Sie brachte eine Resolution ins Unterhaus ein, die vorsah, den irischen Zweig der United Church of England and Ireland abzuschaffen, da es sich bei diesem nur um eine sehr kleine Minderheit handle. Die Liberalen wussten, dass die Regierung eine solche die Verfassung betreffende Frage nicht entscheiden konnten, ohne eine Neuwahl anzuberaumen. Tatsächlich riet Disraeli der Königin dann auch, das Parlament aufzulösen, und teilte ihr mit, die Minister seien bereit, sofort zurückzutreten, falls sie dies für das Beste hielte. Die Königin lehnte das Rücktrittsangebot (verständlicherweise) ab, stimmte aber zu, dass das Parlament zu gegebener Zeit aufgelöst werden und Neuwahlen stattfinden sollten. Dies geschah schliesslich im November, und sie verbrachte den Sommer und den Herbst ängstlich hoffend, dass ihr neuer Verbündeter und Unterstützer nicht aus dem Amt gefegt und durch den weit weniger sympathischen Gladstone ersetzt würde. Es entbehrt nicht der Ironie, dass ausgerechnet Disraeli sie, wenn auch zweifellos unbeabsichtigt, in einem Brief voller blumiger Dankesbekundungen auf grausame Weise an diese Möglichkeit erinnert hatte. Die Königin hatte ihm – schicklicherweise durch eine Mittelsperson an Frau Disraeli adressierte – Frühlingsblumen gesandt, «da diese sein Zimmer zum Strahlen bringen würden». Vom Unterhaus aus schrieb Disraeli sofort an die Queen und bedankte sich dafür, dass «Ihre Majestät sich heute Morgen auf so strahlende und anmutige Weise seiner erinnert hat […]». Doch dann machte Disraeli die Wirkung seiner Worte wieder zunichte, indem er im selben Brief schrieb: «Das Parlament ist völlig ruhig und im Begriff zu sterben.»30 Die Königin auf eine mögliche politische Veränderung hinzuweisen, war zweifellos das Letzte,