Queen Victoria in der Schweiz. Peter Arengo-Jones. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Arengo-Jones
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783039199341
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      «Eine Vision»: Königin Elizabeth I. erscheint Königin Victoria und ermahnt sie, ihre Pflichten über ihre Trauer zu stellen. Karikatur in The Razor. A Weekly Shaver, or the London Humorist & Satirist, 11. Juli 1868.

      Tatsächlich befand sich das Parlament in hellem Aufruhr, wie der Globe and Traveller am 19. Mai anschaulich schilderte:

      «Wird das Parlament aufgelöst werden? – Die Stimmung der Opposition wird immer gereizter und bösartiger. Was immer der PREMIERMINISTER vorschlägt – HR. GLADSTONE und seine Verbündeten versuchen, wenn irgend möglich, es zu verhindern. Nie zuvor in seiner Geschichte ist durch ein derart schmutziges und skrupelloses Parteiengeplänkel so viel Schande über das Unterhaus gebracht worden. Nie zuvor hat ein Politiker – denn HR. GLADSTONE hat jeglichen Anspruch darauf verwirkt, als Staatsmann bezeichnet zu werden – auf eine derart verachtenswerte Weise die gemischten Folgen persönlicher Abneigung und enttäuschten Ehrgeizes zur Schau gestellt. Der Geist des Neides hat die Form eines Sterblichen angenommen, und dieser repräsentiert South Lancashire.»

      South Lancashire war der Wahlkreis des liberalen Gladstone und The Globe unterstützte die Konservative Partei.

      Um den Sorgen der Königin eine weitere hinzuzufügen, äusserte die Presse ihre heftige Kritik an Victorias Abwesenheit vom Zentrum des Geschehens nun immer unverhohlener. Besonders gekränkt war diese, als ein entsprechender Artikel Mitte Mai im Globe erschien, unmittelbar nachdem sie alles darangesetzt hatte, im Buckingham Palace eine grosse Einladung zu geben und ausserdem den Grundstein für das neue St. Thomas’ Hospital in London zu legen. Der Artikel würdigte diese öffentlichen Aktivitäten als Anbruch eines neuen Frühlings in den Beziehungen zwischen der Landesmutter und ihren loyalen Untertanen, beklagte aber Victorias Absicht, diesen Neubeginn gleich wieder im Keim zu ersticken, indem sie sich fast unmittelbar danach schon wieder aus dem Staube mache.

      «Die Königin mit ihren Untertanen – Mit unverhohlener Zufriedenheit und frei von oberflächlichem Pflichtgefühl berichten wir hiermit, dass IHRE MAJESTÄT gestern auf anmutigste Weise eine der wichtigsten Aufgaben des Königtums wahrgenommen hat. Der tiefe Sorgenschatten, den der Tod des illustren und äusserst beliebten PRINZGEMAHLS auf die Herrscherin und den Hof von England warf, hat für einige Zeit den Glanz der Krone getrübt. Immer wieder einmal […] erwartete das Volk zwischen Hoffen und Bangen jenen Augenblick, in dem die Monarchin […] sich aus dem düsteren Schatten erheben und mit strahlender und geläuterter Miene wieder vor ihrem Volk erscheinen, die mit ihrer herausragenden Stellung verbundene Verantwortung wahrnehmen und erneut die Pflichten ihres einzigartigen Ranges erfüllen würde […].

      Die Monarchin ist nicht nur die Herrscherin, sondern auch das Oberhaupt der Nation. In der Trägerin der Krone konzentriert sich die Kraft und Vitalität der nationalen Körperschaft. Von der Throninhaberin ergiesst sich, gleich einer Quelle, alle Ehre. Von der Dynastin hängt alle Würde ab. Was die Sonne im Planetensystem bedeutet, das bedeutet der SOUVERÄN für die Gesellschaftsordnung … Wenn das Haupt von Trauer umwölkt ist, dann leidet der ganze Körper. Wenn die Quelle nur schwach sprudelt, dann befindet sich die Ehre auf einem Tiefstand. Wenn die Dynastin den Blicken entzogen ist, findet die Würde keine Beachtung mehr. Wenn die Sonne verfinstert ist, dann sind Lebenskraft, Wachstum und Harmonie in der Gesellschaftsordnung gefährdet.

      Mit tiefem Respekt […] wagen wir, dem Wunsch Ausdruck zu verleihen, dass der Eindruck, IHRE MAJESTÄT ziehe eine frühe Abreise an ihren entlegenen Wohnsitz in den Highlands in Erwägung, sich selbst jetzt noch als unbegründet erweisen möge. […] Ein königlicher Geburtstag in den Highlands […] fernab von uns, wäre sicherlich angenehm für die Königliche Familie, doch in gewissem Masse ein Unglück für die Nation.»31

      Die Königin reagierte höchst ungehalten. Noch am selben Tag, an dem dieser Artikel erschien, schrieb sie Disraeli einen Brief, in dem sie sich verteidigte. Darin erklärte sie, sie sei bereit, früher als vorgesehen aus Schottland zurückzukehren,

      «sollte irgendetwas … sehr Schwerwiegendes dies erforderlich machen, doch sie [sei] völlig erschöpft von den Anstrengungen dieser wenigen Tage. […] In den letzten 2 oder 3 Jahren [hatte sie] so viel Kummer und Sorgen aller Art, dass dies gravierende Auswirkungen auf ihre Gesundheit und ihre Nerven zu haben beginnt, die beide bereits sehr stark in Mitleidenschaft gezogen wurden. […] Die Königin hätte dies alles Herrn Disraeli nicht jetzt geschrieben, empfände sie nicht grossen Ärger und Schmerz über einen Artikel in der dieser Regierung nahestehenden Zeitung The Globe (ihres Wissens handelt es sich dabei um eine Regierungszeitung), den sie als höchst undankbare Antwort auf die extrem grossen Anstrengungen betrachtet, die sie in dieser Saison unternommen hat.»32

      Am selben Tag wandte sich die Königin auch an Theodore Martin, einen Mann, der grossen Einfluss auf die Presse ausübte.

      «Herr Martin war so freundlich und mitfühlend; und da er so gut weiss, wie mitgenommen die Gesundheit und die Nerven der Königin sind, wird er verstehen, wie ausserordentlich gross die dieses Jahr unternommenen Anstrengungen in London waren: eine Woche in London, drei Salons und die grosse Zeremonie gestern, unter der sie heute sehr leidet; er wird folglich nicht über die Empörung und den Schmerz überrascht sein, mit der sie heute Abend den Artikel im Globe las, und verstehen, welch grosses Anliegen es ihr ist, dass er oder Herr Helps versuchen mögen, das Erscheinen ähnlicher Artikel in der Times und im Daily Telegraph zu verhindern. Solche unverschämten Artikel sind der Dank für jede gesteigerte Anstrengung, und die Entmutigung und der Schmerz, die sie hervorrufen, sind sehr gross. … Würde sie nicht für drei oder vier Wochen verreisen (und kein öffentlicher Dienst kann darunter leiden, denn Nachrichten lassen sich sehr rasch übermitteln), dann, so meint sie, würde sie wohl völlig zusammenbrechen. Sie missgönnen es ihr sogar, dass der Prince of Wales für drei Tage hierherkommt, um den Geburtstag seiner armen verwitweten Mutter mit ihr zu verbringen (und zwar zum ersten Mal seit 1861!). Das ist sehr grausam! Die Königin hört, dass dies keineswegs die allgemeine Empfindung ist und dass die Leute sich wirklich Sorgen um sie machen; aber sie ist wirklich völlig erschöpft und wünschte sich, irgendeine Zeitung würde darauf hinweisen, wie viel sie getan hat und wie notwendig es ist, dass sie bei guter Gesundheit bleibt, um weitermachen zu können, denn andernfalls wird sie dazu möglicherweise nicht in der Lage sein.»33

      Doch ihre Bitte wurde nicht erhört. Sechs Tage später polterte die Times los. In scharfen Formulierungen attackierte der Artikel den Premierminister, weil er die Königin nicht hinreichend von der Notwendigkeit überzeugt habe, dass sie, als verfassungsmässiges Staatsoberhaupt, in dieser Zeit einer politischen Krise in Reichweite bleiben müsse.

      «Am Montagabend erlitten die Minister der Königin im Unterhaus eine doppelte Niederlage. […] Es gibt eine Kabinettskrise, die entweder zur Auflösung des Kabinetts oder zu der des Parlaments führen wird. In Anbetracht dieser Tatsache wurde die Öffentlichkeit von einem weiteren aktuellen Vorfall überrascht. In derselben Zeitung von gestern, die die Nachricht von HERRN DISRAELIS Niederlage und seinem Antrag, über die Fortschritte bei der Scotch Reform Bill berichten zu dürfen, enthielt, wurde bekannt gegeben, dass die KÖNIGIN mit ihrer Familie am Abend zuvor, um halb sieben, Windsor Castle verlassen und sich auf den Weg nach Balmoral gemacht habe. In derselben Stunde also, in der eine ausserordentlich wichtige Debatte stattfand, bei der es für die Regierung oder das Parlament um eine Frage von Leben und Tod gehen könnte, eilte die erste Person im Staate, zu der man in jedem folgenschweren Augenblick Zuflucht nehmen können muss, volle Fahrt voraus aus der Hauptstadt in einen entlegenen, sechshundert Meilen von ihrem Kabinett und Parlament entfernten Highland-Bezirk. Im Monat Mai, zu einer Zeit, in der in den Angelegenheiten der Nation Hochbetrieb herrscht und Interessen aller Art Menschen dazu veranlassen, sich in London zu versammeln, zu einer Zeit, in der es besonders wichtig ist, dass der SOUVERÄN für ihre Minister und die Legislative erreichbar ist, hat sich der gesamte Hof an einen derart entlegenen Ort zurückgezogen, dass jegliche persönliche Kommunikation unmöglich ist. […] HERR DISRAELI ist 63 Jahre alt, und obwohl er geistig äusserst rege ist, hiesse es, zu viel von ihm zu verlangen, mit dem Postzug in die Highlands zu eilen und dann innerhalb von 48 Stunden zurückzukehren. Man muss also per Boten mit IHRER MAJESTÄT kommunizieren,