Queen Victoria in der Schweiz. Peter Arengo-Jones. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Arengo-Jones
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783039199341
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ihm diesen Artikel aus der Zeitung John Bull zu schicken, da es sie ziemlich amüsiert, dass ihr Königin Emma von Honolulu als Beispiel vorgehalten wird! Man scheint dort zu vergessen (und das ist immer besonders erstaunlich), dass die Königin noch ein paar andere Pflichten zu erfüllen hat als Königin Emma!! Bitte geben Sie mir die Zeitung zurück.»16

      Besonders graute der Königin davor, das Parlament eröffnen zu müssen. Ihr Anfang 1866 verfasster Brief an Lord Russell, den damaligen Premierminister, ist ein kleines Meisterwerk, sie verbindet darin ihr Engagement als Monarchin mit einem leidenschaftlichen Gnadengesuch:

      «Um die Königin in die Lage zu versetzen, das durchzustehen, was sie nur mit einer Hinrichtung vergleichen kann, ist es äusserst wichtig, den Gedanken daran so weit wie möglich von ihr fernzuhalten. Daher würde es ihr definitiv Schaden zufügen, wenn sie sich nach Windsor begeben müsste, um dort zwei volle Tage auf diese schreckliche Tortur zu warten. Die Königin hat dieses qualvolle Thema bis jetzt Lord Russell gegenüber niemals erwähnt, doch sie wünscht nun ein für alle Mal ihre diesbezüglichen Gefühle zum Ausdruck zu bringen.

      Dessen ungeachtet möchte sie ihren Beobachtungen die Bemerkung vorausschicken, dass sie Lord Russell und seine Kollegen von jeglichem Versuch entlastet, ihr jemals das aufzubürden, was für sie eine derart qualvolle Anstrengung ist. Die Königin muss sagen, dass sie auf sehr bittere Weise das mangelnde Mitgefühl derjenigen spürt, die von der Königin verlangen, dass sie das Parlament eröffnen soll. Sie hat volles Verständnis dafür, dass die Öffentlichkeit sie sehen möchte, und sie möchte das auch nicht verhindern – ganz im Gegenteil. Doch warum sollte dieser Wunsch so unvernünftiger und gefühlloser Natur sein, dass man sich danach sehnt, Zeuge des Schauspiels einer armen Witwe zu werden, die, an einem gebrochenen Herzen leidend, nervös und eingeschüchtert, in tiefe Trauer gekleidet und allein, feierlich ausgestellt wird? Dass sie, die es gewohnt war, von ihrem Ehemann gestützt zu werden, nun derart angestarrt werden soll, ohne jegliches Zartgefühl, das ist etwas, das sie nicht verstehen kann und das sie ihrem schlimmsten Feind nicht wünscht.

      Sie wird es diesmal tun, wie sie versprochen hat, doch sie gibt zu, dass ihr die Gefühllosigkeit derjenigen zuwider ist, die dies lauthals von ihr gefordert haben. Von dem Leiden, das ihr dies in ihrem jetzigen nervösen Zustand verursacht, kann sie keine Vorstellung vermitteln, doch sie gibt zu, dass sie kaum weiss, wie sie dies durchstehen wird.»17

      Sie schaffte es – so gerade eben.

      «Grosse Menschenmenge draussen, deshalb wurde ich von einer Eskorte begleitet (erstmals seit meinem grossen Schicksalsschlag). Nach dem Mittagessen, das ich kaum anrühren konnte, angekleidet. Trug mein übliches Abendkleid, habe mich nur mit Grauwerk verbrämt, und mein Häubchen mit einem langen fliessenden Tüllschleier, ein kleines Diamanten- & Saphirdiadem relativ weit hinten und Diamanten, die die Vorderseite meines Häubchens säumen.

      Es war ein furchtbarer Moment für mich, als ich alleine in die Kutsche stieg und die Kapelle spielte; auch als die Menge jubelte und ich grosse Mühe hatte, meine Tränen zu unterdrücken. Aber unsere beiden lieben warmherzigen Mädchen [Prinzessin Helena und Louise, die der Königin in der Kutsche gegenübersassen] waren eine wahre Hilfe & Unterstützung für mich, und sie verstanden ganz genau, was ich durchmachte. Die Menge war höchst enthusiastisch, & die Leute schienen mich mit Sympathie anzusehen. Trotz eines sehr starken Windes hatten wir beide Fenster geöffnet.

      Als ich das Parlament betrat, das sehr voll war, hatte ich das Gefühl, gleich ohnmächtig zu werden. Alles war still und alle Augen waren auf mich gerichtet, und da sass ich nun allein. Ich war extrem erleichtert, als alles vorüber war & ich vom Thron hinabstieg … So dankbar, dass die grosse Tortur von heute endlich vorüber war & dass ich imstande war, sie durchzustehen.»18

      Die Presse liess sich die Gelegenheit nicht entgehen, die wachsende Unzufriedenheit der Öffentlichkeit über die Abschottung der Königin zum Ausdruck zu bringen, ja sie heizte diese Unzufriedenheit noch an. 1867 hatte die Verbitterung derart zugenommen, dass sich General Grey als Antwort auf die Bitte der Königin, er solle «auf den Schaden hinweisen», den Artikel wie ein jüngst in der Times erschienener anrichteten, 19 gezwungen sah, ihr so behutsam wie möglich klarzumachen, dass sie ihre eigene Lage damit nur verschlimmere, so verständlich ihre Haltung sei:

      «[…] seine Betrübnis hinsichtlich dieses Anlasses wird noch stark gesteigert durch das Gefühl, wie wenig er tun kann, um zu verhindern, dass sich das Ganze wiederholt. Doch wo ein Gefühl ganz allgemein & sehr stark ist, ist es schwierig, wenn nicht unmöglich, zu verhindern, dass es zum Ausdruck kommt. General Grey würde Ihre Majestät nur täuschen & eine Wahrheit verheimlichen, deren sich Ihre Majestät bewusst sein muss, würde er nicht hinzufügen, dass es, wie unsinnig dieses Gefühl auch sein mag und was immer man von der Zeit oder Art, in der es ausgedrückt wird, oder über die gewählte Zeit, um es auszudrücken, denken mag, eine Tatsache ist, dass die Times in diesem Artikel lediglich dem Impuls von etwas gefolgt ist, das, wie General Grey vor sich selbst nicht verheimlichen kann, ein sehr allgemeines & sehr starkes Gefühl ist. […] Die Leute haben, ganz allgemein, das Gefühl, dass sich der Ton der Gesellschaft sehr verschlimmert hat & dass er, wenn seiner voranschreitenden Tendenz nicht irgendwie Einhalt geboten wird, noch schlimmer werden wird & dass dies sehr ernsthafte Folgen haben könnte. Die Leute glauben, dass Ihre Majestät die einzige Person ist, die die Macht besitzt, diesem Zustand auf wirkungsvolle Weise Einhalt zu gebieten, & dass dies nur dadurch möglich ist, dass Ihre Majestät wieder den Platz einnimmt, den niemand ausser Ihrer Majestät auszufüllen vermag.»20

      Dies also ist der Hintergrund, vor dem die Königin in grösster Heimlichkeit den Plan schmiedete, in die Schweiz zu fliehen. Im Sommer und Herbst 1867 pflegte sie eine lebhafte Korrespondenz mit Howard Elphinstone, dem Erzieher Prinz Arthurs, in der es um die Frage ging, wo sie den nächsten Sommer verbringen sollte. Anfangs spielte sie noch, wie wir oben gesehen haben, mit der Idee, nach Tirol in Österreich zu reisen, 21 gab diese Pläne jedoch auf, als sie hörte, wie weit entfernt das fragliche Haus lag, wie lange die Reise sein würde, um dorthin zu gelangen, und wie extrem heiss es in diesem Tal werden konnte. Ein Eintrag in ihrem Tagebuch von Anfang August legt nahe, dass sie sich noch immer beinahe schuldig fühlte, sich in ihrem Witwenstand auf diese Weise aus dem Staub zu machen. Immerhin konnte sie ihren Drang nach Abgeschiedenheit rechtfertigen, indem sie auf ärztliche Anweisungen verwies. Zudem konnte sie sich ihres Schuldgefühls bei der Vorstellung entledigen, dass sie sich in jene Gegend begab, in der Prinz Albert 1837 gewesen war:

      «Hatte ein langes Gespräch mit Maj. Elphinstone über einen geplanten Besuch in der Schweiz (so Gott will!) nächstes Jahr, den ich Dr. Jenner zufolge meiner Gesundheit zuliebe unbedingt in die Tat umsetzen sollte, auch wenn es schrecklich ist, irgendetwas ohne meinen geliebten Albert zu tun. Dennoch sehne ich mich danach, eine schöne Landschaft zu sehen & Maj. Elphinstone macht sich freundlicherweise auf den Weg, um zu versuchen, ein nettes Reiseziel für mich zu finden.»22

      Elphinstone schlug einige mögliche Orte in der Schweiz vor, worauf die Königin Ende August mit einer sehr klaren Vorgabe antwortete:

      «Die Temperatur der Orte, die Major Elphinstone erwähnt, wäre in der Tat für die Königin völlig ungeeignet. Falls sie keine kräftigende Luft finden kann, würde sie überhaupt nicht daran denken, in die Schweiz zu gehen. Natürlich würde sie heisse Sonne und heisse Tage in Kauf nehmen, aber es müsste gleichwohl ausserdem frische & kalte Luft geben.

      Sie würde mit einigen kleinen Häusern vorliebnehmen, vorausgesetzt, nur sie & ihre Kinder – Dienstmädchen & 2 oder 3 Diener wohnten in dem einen, und die Hofdamen & Kammerherren wohnten in dem anderen & so weiter. Das wäre völlig in Ordnung – ja, das wäre ihr am liebsten – & die Ausgaben für die Durchführung irgendwelcher erforderlichen kleinen Änderungen würde sie übernehmen. Mögen wir lediglich einen ruhigen Fleck in einer echten Berglandschaft finden mit guter, kräftigender! Luft.»23

      Die Königin schloss diesen Brief, indem sie die Hoffnung äusserte, dass das Geheimnis gewahrt würde. Einige Tage später fügte sie ihrer Vorgabe noch Folgendes hinzu:

      «Die Königin dankt Major Elphinstone für alle seine Briefe &