4) Reflexivität. Hierzu gehören Fragen der Sinnkonstitution und des Sinnverständnisses.
5) Explizitheit der Unterschritte und Analyseregeln.
6) Flexibilität der Forschungsschritte“ (Lissmann 2001, 54).
Qualitative Methoden räumen der Subjektivität der Befragten einen großen Freiraum ein. Dies wird z. B. bei Methoden wie den biografischen oder narrativen Interviews deutlich (Schütze 1979, 1983). Darüber hinaus verzichten qualitative Methoden auf eine Hypothesenbildung zu Beginn des Forschungsprozesses. So ist es eher möglich, neue Hypothesen im Forschungsprozess selbst zu entwickeln (vgl. Franke 2002b, 43). In der Übersicht stehen sich die beiden Forschungsansätze mit folgenden Charakteristika gegenüber (Bucher 1994, 23):
Im Rahmen der qualitativen Sozialforschung gibt es nun wiederum eine Vielzahl von Methoden. Nach Kardroff stehen sie in folgender Weise miteinander in Verbindung: „Qualitative Forschung hat ihren Ausgangspunkt im Versuch eines vorrangig deutenden und sinnverstehenden Zugangs zu der interaktiv hergestellt und in sprachlichen wie nichtsprachlichen Symbolen repräsentiert gedachten sozialen Wirklichkeit. Sie bemüht sich dabei, ein möglichst detailliertes und vollständiges Bild der zu erschließenden Wirklichkeitsausschnitte zu liefern. Dabei vermeidet sie so weit wie möglich, bereits durch rein methodische Vorentscheidungen den Bereich möglicher Erfahrungen einzuschränken. […] Die bewußte Wahrnehmung und Einbeziehung des Forschers und der Kommunikation mit den ‚Beforschten‘ als konstitutives Element des Erkenntnisprozesses ist eine zusätzliche, allen qualitativen Ansätzen gemeinsame Eigenschaft“ (von Kardorff 1991, 4).
Qualitative Methoden verfolgen das Ziel, komplexe Deutungs- und Wahrnehmungsmuster zu beschreiben und Strukturzusammenhänge freizulegen, „um eine umfassende Analyse individueller und kollektiver Handlungskontexte zu ermöglichen und damit Mechanismen der gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit herauszuarbeiten“ (Franke 2002b, 45). Die „dichte Beschreibung“ (Geertz 1987) kann gerade im Zusammenhang mit Fragen nach Religion und Spiritualität eine wichtige und produktive Vorgehensweise sein.
Praktische Theologie, die um ihre Sprachfähigkeit in Bezug auf aktuelle und komplexe, religiöse und theologische Entwicklungen ringt, sollte dabei auf jeden Fall auch auf die methodischen Entwicklungen in den Sozialwissenschaften und der Psychologie zurückgreifen und deren Anwendung im eigenen Fach vorantreiben. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil Praktische Theologie sich als Handlungswissenschaft versteht, deren Gegenstand die Kirche und das Volk Gottes sind (vgl. Mette 1979; Haslinger 1999, 102–121). Kennzeichnend für den handlungswissenschaftlichen Ansatz sind die folgenden Aspekte:
• „Das induktive Vorgehen, das nicht von der kirchlichen Dogmatik, sondern von den Erfahrungen der Menschen ausgeht.
• Der Einsatz von empirischen Methoden. […]
• Die interdisziplinäre Orientierung: Nur durch eine enge Zusammenarbeit mit anderen Handlungs- und Humanwissenschaften lassen sich die der Praktischen Theologie gestellten Probleme angemessen angehen.
• Die Vermittlung von Orientierungshilfen für gegenwärtiges und zukünftiges christliches, kirchliches und pastorales Handeln.
• Die Überwindung des ‚Subjekt-Objekt-Schemas‘“ (Klein 2005, 45).
Praktische Theologie hat nicht nur auf das Evangelium und die Tradition zu hören, sondern auch auf das Volk Gottes, auf das, was Männer und Frauen in der Welt von heute bewegt, wie sich die Männer und Frauen in ihrem Leben der Trauer und Angst, der Freude und Hoffnung stellen, nach ihnen fragen, um sie ringen und ihnen Ausdruck verleihen. Zur Beantwortung dieser Fragen kann empirische Forschung einen wichtigen Beitrag leisten, auf den die Theologie nicht verzichten sollte (vgl. Bucher 1994, 13).
Zur näheren Beschreibung des prekären Verhältnisses von Frauen und Kirche liegt es nahe, einen qualitativen Ansatz zu wählen, um die Erfahrungen der Frauen zur Entwicklung einer pastoralen Antwort auf diese Situation nicht nur zurate zu ziehen, sondern zum Ausgangspunkt zu machen. In ihren Frauenliturgien und Ritualgruppen zeigt sich eine Praxis, welche die Kirche und ihre Pastoral in besonderer Weise herausfordert. Es handelt sich bei ihnen um Orte, die die gängige pastorale und liturgische Praxis infrage stellen und auf ihre Defizite in der Darstellung in der Welt von heute hinweisen. Im Rahmen einer empirischen Studie wird es möglich, genauer auf diese Punkte einzugehen, den Prozess nachzuzeichnen und zu verstehen sowie vor diesem Hintergrund Perspektiven für eine neuerliche Annäherung von Frauen und Kirche zu entwickeln.
1.2.2.2 Begründung der Methode
Wissenschaftlerinnen, die Fragestellungen und Problemlagen von Frauen untersuchen, verwenden immer häufiger qualitative Methoden (vgl. Becker-Schmidt/Bidden 1991; Franke/Matthie/Sommer 2002). Gerade Becker-Schmidt und Bidden weisen darauf hin, dass diese Forschungsmethoden nicht einfach nur beliebter sind, sondern dass sie aus forschungspraktischer Sicht in besonderer Weise geeignet sind. „So sind die Lebensverhältnisse von Frauen einmal durch ihre Position in der Geschlechterhierarchie bestimmt, zum andern durch die Klassen- oder Schichtzugehörigkeit. Historisch-geschlechtliche und berufsspezifische Arbeitsteilung verschränken sich, normative Anforderungen, die aus tradierten Weiblichkeitsbildern herrühren, und faktische, die aus dem Eindringen von Frauen in ehemalige Männerdomänen erwachsen, geraten in Widersprüche zueinander. Diskontinuitäten und biographische Brüche gehören zur weiblichen ‚Normalbiographie‘, wenn Phasen des Familienlebens quer zu beruflichen Statuspassagen liegen“ (Becker-Schmidt/Bidden 1991, 25).
Auch die positiven Veränderungen der Lebensmöglichkeiten für Frauen (besserer Zugang zu Bildung und Berufstätigkeit, soziale und geografische Mobilität, Flexibilität in der Gestaltung von Beziehungen u. a.) können nicht darüber hinwegtäuschen, dass parallel oftmals die alten Strukturen weiterbestehen. Auf der einen Seite gibt es eine enorme Angleichung der männlichen und weiblichen Lebenssituation, besonders in den Bereichen von Bildung und Beruf. Auf der anderen Seite wird nach wie vor im Bereich der Reproduktionsarbeit der größte Anteil von Frauen geleistet. „Für die meisten Frauen heißt ‚Individualisierung‘ demnach wohl einerseits Zuwachs an Freiheit aufgrund der Erosion traditionaler Sozialformen und der dadurch entstehenden Pluralisierung der Lebensformen, andererseits sind sie durch den Individualisierungsprozess widersprüchlichen Anforderungen und Doppelstandards ausgesetzt, die sich u. a. in den widerstreitenden Bereichen Familie und Beruf manifestieren“ (Sommer 1998, 31).
Frauen bewegen sich vielfach in strukturellen Zusammenhängen, die von Widersprüchen gekennzeichnet sind. Die Lösungen, welche die Frauen dafür finden, sind individuell und sehr verschieden und hängen u. a. von der biografischen Vorerfahrung, den sozialen Ressourcen und der psychischen Verfassung der Frauen ab. Untersuchungen, die etwas über die Lebenslage der Frauen aussagen wollen, müssen diese Widersprüche und Diskontinuitäten berücksichtigen und analysieren können. Dies kann mithilfe qualitativer Methoden gelingen; denn sie bieten den Raum, frei zu berichten und die konkreten Erfahrungen zu benennen. Dabei entsteht jedoch das methodische Problem, die Exemplarität der einzelnen Frau und ihrer Aussagen zu bewahren und zugleich über das Individuelle hinaus das gesellschaftlich Relevante ihrer Aussagen herauszuarbeiten. Deshalb sind die konstitutiven Bedingungen für Lebenserfahrungen und Lebenswege von Frauen analytisch zu betrachten und zu interpretieren. Relevante Aussagen über Frauenwirklichkeiten werden möglich, wenn die Erfahrungen der Forscherinnen mit den Erfahrungen anderer Frauen in Beziehung gebracht werden. So wird die Vielfalt nicht nur sichtbar, sondern kann auch nachvollzogen werden (vgl. Becker-Schmidt/Bidden 1991, 26). Zur Erreichung dieses Ziels eignen sich vornehmlich qualitative Methoden; denn sie beschreiben komplexe Deutungs- und Wahrnehmungsmuster und decken Strukturzusammenhänge auf, um so eine umfassende Analyse individueller und kollektiver Handlungskontexte zu ermöglichen (vgl. Franke 2002b, 45).
Wenn die Erfahrungen von Frauen im Mittelpunkt des Interesses stehen, dann müssen zwangsläufig auch die gemeinsamen Betroffenheiten, aber auch die Unterschiede zwischen der