Die Schule war in den Jahrzehnten vor der Bundesstaatsgründung auch im Kanton Schwyz ein Feld der politischen Auseinandersetzung zwischen Liberalen und Konservativen. In Einsiedeln verlief die Konfliktlinie einmal mehr zwischen Kloster und Bezirksbehörde. Die Spannungen wurden in den 1840er-Jahren sichtbar, als ein neues Schulhaus gebaut werden sollte; zuvor waren die Kinder im Rathaus unterrichtet worden. Das Kloster sicherte dem Bezirksrat, der die Baukosten allein nicht aufbrachte, zu, ihm den Bauplatz kostenlos zu überlassen, sofern immer mindestens zwei Geistliche im Schulrat Einsitz hätten und das Pfarramt die Lehrmittel bestimmen könne. Für Verstimmung beim Kloster hatte zuvor bereits die Einführung des liberalen Geschichtswerks «Des Schweizerlands Geschichte für das Schweizervolk», erschienen 1822, von Heinrich Zschokke als Lehrmittel in der Realschule gesorgt.204 Josef Karl B.-Meyer, damals Bezirksammann, sprach sich 1843 gegen den Vorschlag des Klosters aus, da dieser gegen die Verfassung verstosse. Weiteren Unmut zog die Bezirksbehörde auf sich, als sie 1844 die Ordensfrauen aus der Kongregation der göttlichen Vorsehung als Leiterinnen der Mädchenschule entliess und durch weltliche Lehrerinnen ersetzte. Die Übernahme war von langer Hand geplant und höchstwahrscheinlich von den Gebrüdern Benziger eingefädelt worden. Bereits 1841 hatte Josef Karl B.-Meyer an Josephine Stadlin, die in Zürich ein Lehrerinnenseminar führte, geschrieben: Die «Schwestern dürfen hier kein Bleiben mehr haben; denn sie taugen nichts …».205
B.-Meyer und B.-Benziger I waren mit Josephine Stadlin freundschaftlich verbunden. Mehrere ihrer Töchter, für welche die Einsiedler Schule nicht genügen konnte, besuchten das stadlinsche Institut. Weitere Töchter wurden zur Ausbildung in andere Privatinstitute nach Solothurn oder in die Westschweiz gesandt. Den Primarschulunterricht für die Töchter erteilten Privatlehrer in Einsiedeln. Am Privatunterricht nahmen auch die Kinder anderer Familien der Einsiedler Elite teil, die dafür ein Schulgeld zu entrichten hatten.206
Die Familie Benziger unterstützte das Schulwesen auch durch grössere und kleinere finanzielle Zuwendungen. Das Vermächtnis von Nikolaus B.-Benziger I beispielsweise umfasste zahlreiche Legate. Neben Zuwendungen unter anderem an die Inländische Mission, die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft und den Bezirk Einsiedeln gehörte auch die Einrichtung von kleinen Bibliotheken von je rund hundert Bänden mit Jugendschriften in den Bezirksschulen in Einsiedeln sowie den sechs im Bezirk liegenden Vierteln dazu.207
Die Förderung des Schulwesens durch Josef Karl B.-Meyer und Nikolaus B.-Benziger, die auch die folgende Generation weiterführte, lässt sich zum einen als soziales Engagement aus liberaler Warte interpretieren. Man war sich letztlich aber auch bewusst, dass die Firma ihr Personal mehrheitlich in der Region rekrutierte und sich eine solide Volksschulbildung langfristig positiv auf das eigene Geschäft auswirken würde. Bezeichnenderweise galt ihnen mit dem Zeichenunterricht jenes Fach als besonders förderungswürdig, das im grafischen Gewerbe besonders wichtig war.208 In einem Bericht zur Schweizer Landessausstellung 1883 schrieb Adelrich B.-Koch: «Wie in fast allen Gewerben das Zeichnen eine wichtige Rolle spielt, so ganz besonders in den Zweigen, mit denen wir es zu thun haben. Ein Arbeiter, der nicht etwas zeichnen kann, ist in den meisten grafischen Fächern schlecht verwendbar; dagegen ist er in dem Verhältnis werthvoller, in welchem er im Zeichnen tüchtig ist. Diese Bemerkung gilt selbst für jeden einfachen Drucker.»209 Zeitweise bestanden gar Pläne, in Einsiedeln eine Zeichnungs- und Kunstgewerbeschule einzurichten.210
Verlagswerbung – Einsiedeln als «Label»
Die Firma Benziger investierte viel in die Bewerbung der eigenen Verlagsprodukte. Um das 1866 gegründete Unterhaltungsblatt «Alte und Neue Welt» bekannt zu machen, druckte sie nicht weniger als 250 000 Prospekte, die zusammen mit «tausende[n] von Noten, Circularen, köstliche[n] Inseraten in die Welt» geschickt wurden.211 In der «Alten und Neuen Welt» sowie im auflagenstarken «Einsiedler Kalender» wurden regelmässig und umfangreich übrige Verlagsprodukte beworben. Im Januar 1866 schrieb Adelrich B.-Koch in die USA, man müsse unbedingt die eigenen «Zeitungen besser benützen zu öfteren Anzeigen uns. Bücher» und diese «stark, gross u. oft» bewerben.212
Fast immer dazu gehörte eine Abbildung des Klosters Einsiedeln. Einsiedeln und das Kloster waren zwei Begriffe, die zusammengehörten. Die emblematische Darstellung der Klosterfassade, die für viele Katholiken einen hohen Wiedererkennungswert besass, und der Name Einsiedeln, der in den Köpfen der Menschen Bilder von Wallfahrt und Frömmigkeit evoziert haben dürfte, wurden von der Firma Benziger als «Label» verwendet.
Die Firma Benziger war bestrebt, sich in die Geschichte und das Erscheinungsbild Einsiedelns einzuschreiben. Zeitgenössische Werbevignetten beispielsweise inszenierten nicht selten eine Art Beziehungsdreieck zwischen Einsiedeln, dem Kloster und dem Namen Benziger.213 Für einige Zeit evozierte der Name Einsiedeln genauso den Namen Benziger, wie er Bilder des Klosters hervorrief. 1888 erschien in der «New York Times» die Beschreibung einer Reise, die der amerikanische Minister John F. Lang im selben Jahr durch Bayern und die Schweiz gemacht hatte. Von München führte die Reise via Lindau und den Bodensee bis nach Romanshorn, von wo er mit der Eisenbahn nach Zürich fuhr. «At Zurich we waited to change cars without any visit about the city», schrieb Lang. Er bevorzugte es, anstatt die Zwinglistadt zu besichtigen, noch am selben Tag nach Einsiedeln zu reisen, wo er abends um neun Uhr eintraf. Von Einsiedeln schienen ihm in seinem kurzen Bericht drei Dinge erwähnenswert, erstens – und noch vor dem Kloster – die Firma Benziger und ihr «immense business», das Lang wahrscheinlich von den amerikanischen Filialen her bereits vor seiner Reise bekannt gewesen war, zweitens das Kloster und die Mönche, die er als eine «handsome class of gentlemen» beschrieb, und drittens die Wallfahrt und insbesondere die zahlreichen Pilgerhotels, die so gut ausgerüstet seien «as many in large cities».214
Über Inserate und Verlagsprodukte machte die Firma Benziger den Namen Einsiedeln und die Einsiedler Wallfahrt auch bei Menschen bekannt, die noch nie eine Wallfahrt dahin unternommen hatten, und trug Bilder der Einsiedler Klosterfassade in Gegenden, die ausserhalb der traditionellen Einzugsgebiete der Wallfahrt lagen. Die Firma Benziger dürfte so gesehen einerseits vom «Label» Einsiedeln profitiert haben, dieses «Label» aber noch weiterverbreitet und so ihrerseits die Wallfahrt gefördert haben.
Zwei Schlussbemerkungen
Die Familie Benziger als kapitalstarke Elite hat die Modernisierung Einsiedelns als Geschäftsbesitzerin, politischer Entscheidungsträgerin und private Gönnerin in vielfältiger Weise gefördert. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es kaum ein grösseres Projekt, an dem die Familie Benziger nicht beteiligt war. Mit zwei Bemerkungen möchte ich dieses Kapitel abschliessen. Erstens gilt es festzuhalten, dass sich die verschiedenen Funktionen, in denen Familienmitglieder als Akteure auftraten, nicht scharf voneinander trennen lassen. Sie waren nicht tagsüber Unternehmer, abends Privatleute und zwischendurch Politiker. Sie förderten als Bezirks-, Kantons- und Regierungsräte und als Schulpräsidenten die Volksschule und waren als Arbeitgeber auf solid geschulte Arbeitskräfte angewiesen, sie unterstützten die Einrichtung einer Waisenanstalt für Knaben und zogen diese zum Kolorieren von Andachtsbildern in ihrer Firma heran, sie ermöglichten die Errichtung eines Panoramas, förderten so die Attraktivität Einsiedelns für Pilger und Touristen, die gleichzeitig die Konsumenten ihrer Verlagserzeugnisse waren. Martin B.-Dietschy besuchte 1862 die Weltausstellung in London. Da er nicht nur Leiter der technischen Abteilung des Verlagsgeschäfts, sondern auch Feuerwehrkommandant war, interessierten ihn nicht