Ich zähle jetzt bis drei. Egon Christian Leitner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Egon Christian Leitner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783990471173
Скачать книгу
meinen Meinungen und Fragen sehr unbeliebt machen werde, zumal unsere Regierung zweifellos aus sehr guten Gründen sehr beliebt ist. Es ist aber meinerseits eine Sache des Gewissens. Die Regierungsverantwortlichen sagen ja ständig, es gehe jetzt einzig ums Leben retten, ums Existenzen retten, um nichts sonst. Und die jetzige Situation sei in der Geschichte ganz einfach noch nie da gewesen und daher seien Fehler ganz einfach unvermeidbar und man tue jetzt – immerfort dazu lernend – ja außerdem ganz gewiss das Menschenmögliche und Bestmögliche. Und offen und ehrlich sei man sowieso.

      Es ist jedoch meines Erachtens völlig falsch, wenn dadurch politiker-seits so getan wird, als müsse man in den jetzigen Extremsituationen das Rad in einem fort neu erfinden und dabei mache man eben notgedrungen immer wieder etwas falsch. Das gehe gar nicht anders. Mit Verlaub: In Wahrheit ist das Rad längst erfunden. Jede Menge von im Moment noch tadellos intakten Rädern. Denn sehr viele Ausübende der helfenden Berufe arbeiten und leben tagtäglich – sozusagen seit jeher – gemeinsam mit den ihnen anvertrauten Menschen in extremen Extremsituationen und wissen sehr wohl, was in solchen Problem- und Extremsituationen zu tun ist. Und vor allem was man hingegen ganz gewiss n i c h t tun darf. Es gibt also für uns alle lebenswichtige Teilbereiche unserer Gesellschaft, die sozusagen immer schon im Guten wie in der Wahrnehmung des Schrecklichen unserer Zeit und Situation jetzt weit voraus waren. Im Richtig-Handeln. Im Nicht-Davonlaufen. Im Nicht-im Stich-Lassen. In der Fürsorglichkeit. In der Vorsorglichkeit. Es gibt daher z. B. bewährte, präventive, prophylaktische Helferstandards. Aber gerade diese bewährten Sorgfaltspflichten werden absurderweise von der angeblich Leben und Existenzen rettenden Politik gerade jetzt gebrochen und außer Kraft gesetzt. Nicht von Coronaviren, sondern von Politikerideen.

      Sie werden mir gewiss widersprechen, sehr geehrter Herr Bundeskanzler. Dennoch: Das Rad ist längst erfunden. Die Politiker sollten es jetzt bloß nicht kaputtmachen. Tun die aber. Weil die selber nicht wirklich kapieren, wie das Rad funktioniert. Z. B. 1. Die richtige, wirklich schützende Handhabung der Masken kapieren die nicht. Z. B. 2. Das Grausamkeitsverbot bei der Pflege von Menschen kapieren die nicht. Z. B. 3. Was Fehlerkultur bedeutet, kapieren die nicht. Und z. B. 4. Schon gar nicht kapieren die, was an Lebenswichtigem die Wissenschaft bedeutet, die Redlichkeit der Wissenschaft nämlich, und was an Lebenswichtigem die offene Gesellschaft bedeutet oder an Lebenswichtigem gar die österreichische Verfassung. 5. Die kapieren nicht, dass die das Gegenteil von dem tun, was die sagen. Oder die wollen nicht kapieren, dass die das Gegenteil von dem tun, was sie sagen.

      1.

      Denn die von Ihnen, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, verordnete Maskenpflicht ist gewiss richtig und eine Hilfe. Massenweise völlig falsch und schädlich ist jedoch die tatsächliche Handhabung der Masken. Gefährlich falsch handgehabt werden die Masken aber nicht etwa von sogenannten bildungsfernen Menschen, sondern die Parlamentarier selber, etliche (zu sehen so in jeder Nationalratssitzung), und ebenso regelmäßig der Herr Bundeskanzler, der Vizekanzler, der Gesundheitsminister verwenden die Masken ganz automatisch falsch und werden dadurch Gefährder. Gefährliche Vorbilder für die Bevölkerung. Denn die Masken funktionieren nach dem Prinzip Was du nicht willst, dass man dir tut, das füg auch keinem anderen zu. Meine Maske schützt also meine Mitmenschen und meine Mitmenschen schützen andererseits mich dadurch, dass sie ihre Maske tragen. Nur so haben die Masken Sinn und Zweck. Bislang sind die Masken aber großteils unsachgemäß verwendet und auch unsachgemäß verteilt worden, nämlich verunreinigend. Und gerade auch das falsche Aufsetzen und falsche Abnehmen der Masken dann verunreinigt bei den meisten Menschen die Hände durch die Berührung des eigenen Gesichtes, nämlich der Nase und des Mundes. Und mit den durch Nase, Mund, Gesicht verunreinigten Händen, egal ob an denen Handschuhe getragen werden oder nicht, werden dann im Supermarkt die Lebensmittel begrapscht. Jedenfalls: Obwohl und gerade weil die Maske aufgesetzt ist, müsste richtigerweise die Regel, dass man sich ja nicht ins Gesicht greifen soll, eingehalten werden. Denn Gesicht = Maske. Die Leute glauben aber offensichtlich, Maske und Handschuhe seien eine Art Rüstung. Sind die aber nicht.

      Und die angebliche und propagierte Wiederverwendbarkeit der Masken führt offensichtlich dazu, dass sie nicht bloß im Supermarkt unhygienisch gehandhabt werden, sondern auch am Heimweg und beim Betreten der Wohnungen. Zuerst vor Mund und Nase hat man die Maske und dann trägt man sie offen heim als Virus-Dreckschleuder um den Hals, so kommen die Leute daher, und eben mit ihren durchs falsche Runternehmen der Maske verunreinigten Händen. So machen die Leute dann z. B. die Haupttür im Gemeindebau auf. Oder fahren Bus. Oder gehen zur Arbeit. Oder arbeiten. Und die Politiker in Parlament und Regierung machen das zuhauf genauso. Und da wissen die eben nicht, was die tun. Und das ist, kommt mir vor, durchaus unheimlich, auch weil man sich fragen muss, ob die Regierenden auch bei anderem Lebenswichtigem oft nicht wissen, was sie tun. Wie ja bei der verwirrenden und wieder zurückgenommenen Osterbesuchsverordnung man befürchten hat müssen. Warum muss man, Frage an Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, zuerst ewig lange etwas völlig falsch machen, wenn man es sofort richtig machen kann? Und vor allem, warum lässt man die Bevölkerung dermaßen ungeschult gerade dann in gemeinsamer Berufsarbeit und in öffentlichem, gemeinsamem Raum?

      2.

      Die Frau, die mit ihrer 90-jährigen Mutter seit Tagen nicht telefonieren kann, weil die Pflegeverantwortlichen das nicht wollen. Die Mutter ist aus einem Corona-verseuchten Pflegeheim evakuiert worden und das Heim zugesperrt. Die Mutter ist inzwischen wiederholt getestet worden, laut Auskunft der Pflegeverantwortlichen, und nach wie vor Corona-frei. Man stellt aber kein Telefon zur Verfügung und das eigene Handy der Mutter ist bei der Evakuierung verloren gegangen. Darf das sein, dass Mutter und Tochter nicht einmal telefonieren können miteinander? Das von der Regierung erlassene allgemeine Besuchsverbot, die sogenannte soziale Distanz, die de-facto-Isolation wurden unter seelischen Qualen von Mutter und Tochter selbstverständlich eingehalten und selbstverständlich mittels Telefon auszugleichen versucht. Die Mutter war nämlich in kein Heim abgeschoben worden, sondern das für sie irgendwie angenehmste Heim war ausgesucht worden und sie war selbstverständlich immer besucht worden und das geschah voller Liebe und ist lebens- und geisteswichtig für die Mutter. Man hat sich familienseits dann aber jedenfalls an alles gehalten, was die Regierung samt Parlament beschlossen und verordnet hat. Aber die Regierung samt Parlament – die, die haben sich nicht daran gehalten, dass der Schutz von Pflegepatienten und Pflegepersonal wirklich unverzichtbar gewährleistet sein muss. Die Pflege in den Heimen erfolgt stattdessen ohne annähernd ausreichendes Schutzmaterial und wohl auch unkontrolliert, was die Hygienestandards betrifft zum Zweck der Infektionsprophylaxe. Also erzwungenermaßen fahrlässig wurde das Pflegesystem. Tendenziell bis ganz und gar. Hat man den Eindruck. Die Heime wurden offensichtlich für sehr viele Menschen zunehmend geschlossene Anstalten und Verzweiflungsorte, für die Bewohner eben, für die Familienangehörigen und für die professionell Pflegenden. Zuvor und zugleich hat die österreichische Corona-Regierung Informationswerbesendungen im ORF geschaltet en masse mit glücklichen vernünftigen Omas und ebensolchen Enkelkindern. Und die Politiker erzählten und erzählen öffentlich immer, dass auch sie selber, Lebensretter eben, auf ihre Kontakte verzichten mit ihren Eltern und Großeltern. Die, hoffe ich, daheim und geborgen sind. An dem ganzen Vorgehen, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, ist, kommt mir vor, etwas Unrechtes, Gewaltsames und Grausames. Den Bedürftigen gegenüber. Den Heimbedürftigen nämlich, die sowohl das Heim brauchen als auch ihre Lieben aus der Familie. Öffentlich redeten und reden die Politiker zwar immer gegen Triagen, die wolle man nie und nimmer und verhindern müsse man die Triagen mit allen Mitteln und ja die alten Menschen schützen. Zugleich jedoch haben die verantwortungstragenden Politiker offenkundig falsch triagiert: nämlich: die Schutzmasken in die falschen Hände in den Supermärkten und hingegen keine Schutzmasken für die Pflegenden. Die Regierung hat, entgegen den üblichen Triageregeln bei Pandemien, nämlich dass im Interesse der gesamten Bevölkerung die Systemwichtigen besonders geschützt werden müssen, also z. B. Gesundheits-, Pflege- und Supermarktkräfte, diese Kräfte lange oder nahezu völlig ungeschützt gelassen. Was geschehen ist und weiterhin geschieht, war zweifellos absehbar. Den angerichteten Schaden an Leib und Leben, wer kann den wiedergutmachen? Der Pflegenotstand, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, war vor Corona da. Dann kam Corona. Und von der Regierung nichts.

      3.

      Unser