Ich zähle jetzt bis drei. Egon Christian Leitner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Egon Christian Leitner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783990471173
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immer einzig die Wirklichkeit. Gutgetan, wirklich wahr, Schmäh ohne, haben mir zwischendurch aber doch des Öfteren, sozusagen durchs Leben mich begleitet ... zwei Fügungen von Frau Bachmann, nach ihr haben Sie mich ja auch gefragt telefonisch, nämlich Ich seh den Salamander durch jedes Feuer gehen. Wie ein jähes Gebet ist das, kommt mir vor. Das habe ich in schwierigen Situationen manchmal gebetet. Genau gesagt, wenn die immer mehr bevorstanden oder plötzlich da waren. Gemurmelt hab ich da ab und zu das Salamandrische. Hat irgendwie geholfen. Und die zweite Fügung, wichtig mir immer wie nur was ... die ... Tapferkeit vor dem Freund. Hat auch geholfen, ja.

      7. Von der Literatur und den Literaturbetrieben wünsche ich mir, dass sie so beschaffen sind, dass die Bachmann nicht verbrennt und Franz Innerhofer sich nicht aufhängt. Sie sehen: So einfach ist alles für mich; mache ich mir alles. In gewissem Sinn folge ich, auf meine Art halt, egal ob’s schief geht oder nicht, immer meinem Gewissen. Immer, mit Verlaub. Deshalb habe ich vor ein paar Wochen, na: Monaten inzwischen, öffentlich ein paar Fragen an den Herrn Bundeskanzler gestellt. Bekam keine Antwort. Aber das habe ich nicht falsch verstanden. Denn der Herr Bundeskanzler Kurz hatte keine Zeit, er musste ja Millionen »Österreichern und Österreicherinnen« das Leben retten. Mir auch. Und jetzt rettet er uns allen die wirtschaftliche Existenz. Auch die meiner Familie. Vorige Woche hat neben mir jemand lautstark satiriert: Händchen falten, Köpfchen senken, innig an den Kurz jetzt denken, der uns Arbeit bringt und Brot, der uns hilft aus jeder Not. Habe zu dem sofort Pfui gesagt und dass dieser Spott völlig inakzeptabel sei. Gewissen, das Wort kommt übrigens, soweit ich weiß und was mich sehr interessiert, von Demokrit her, also von einem Materialisten und Atheisten, dem das Lindern von Leid und dem die Freundschaft unter den Menschen das Wichtigste war und der immer so viel gelacht hat. Gegen die Angst wohl und aus Lebensfreude. Inspiration, Enthusiasmus, diese Begriffe hat auch Demokrit früher ausgesprochen als all die berühmten abendländischen Dichter und Denker mit den großen Namen und aber nicht gar so großem Herzen.

      8. Ich halte wie gesagt die Wiederholung des österreichischen Sozialstaatsvolksbegehrens aus dem Jahr 2002 für den dringlichsten, unverzichtbaren, wirklichen Ausweg aus der jetzigen, sich verschlimmernden Situation. Das Sozialstaatsvolksbegehren war wie gesagt verbunden z. B. mit Frauenministerin Johanna Dohnal, dem WIFO-Ökonomen Schulmeister und primär dem Arzt, Menschenrechtskämpfer, Antifaschisten und ersten Wiener Pflegeombudsmann Werner Vogt. Vogts Arztroman, Lebensbericht, ist, ich sag’s sicherheitshalber noch einmal, eine Geschichtsschreibung und präventive Problemanalyse des österreichischen Sozialstaates, der Zivilgesellschaft, Institutionen und Bewegungen, des Gesundheitswesens und der Pflegeeinrichtungen. Da steht gewissermaßen schon ewig alles drinnen, was jetzt katastrophal geschehen ist. Und was man dagegen hätte tun können, kann. Mir ist unvorstellbar, dass vor dem Lockdown Berater von Fach die schwarzgrüne Regierung auf Vogts Analysen nicht hingewiesen haben, und ich bin mir auch sicher, dass unabhängig von Vogt Supervisoren, Therapeuten, Pflegewissenschaftler, Ärzte und Verbände die Regierung auf die Qualen, Unfallgefahren und Todesfolgen hingewiesen haben, die entstehen, wenn man z. B. Pflegeheime und Gesundheitseinrichtungen zu geschlossenen Anstalten macht, so der Kontrolle und Hilfe von außen entzieht und mit ihren Notständen an Personal, Material und Know-how im Stich lässt. Wie auch immer, das Sozialstaatsvolksbegehren 2002 war präventiv in jeglicher Hinsicht. Hätte man an ihm festgehalten, wären uns allen die Katastrophen da hier erspart geblieben. Gerade auch die ökonomischen. Wie auch immer, jetzt, jetzt ist das österreichische Klimaschutzvolksbegehren vorbildlich und beherzt. Die Eintragungswoche beginnt gleich nach dem Bachmannwettbewerb. Die Bachmann hätte sicher unterschrieben.

      Interview für Literatur outdoors – Worte sind Wege, https://literaturoutdoors.com

      Die Welt braucht ...

      das österreichische Sozialstaatsvolksbegehren aus dem Jahr 2002.

      Corona hat ...

      die Katastrophen nicht verursacht. Die Katastrophen sind Menschenwerk. Die Folge von jahrzehntelangen Unterlassungen seitens der Regierung. In der Dritten Welt wie in der Ersten.

      Literatur muss ...

      Müsli. Und Kakao!

      Himmel oder Hölle ...

      Freiheit ist jene kleine Bewegung, die einen Menschen macht.

      Wenn ich ein Diktator wäre, würde ich ...

      Sie vielleicht! Ich nicht.

       Ohne Sprache ….

      Ja bitte! Gern!

       Was schmerzt Sie?

      Jede Minute stirbt eine Frau bei der Geburt ihres Kindes. Und jedes Mal, wenn wir mit den Augen blinzeln, verhungert ein Kind. Und 400.000 Kinder scheißen sich unter Krämpfen zu Tode, das ist die Zahl allein in Indien jedes Jahr. Alles Menschenwerk, nix Naturkatastrophe.

       Für wen sind Sie gefährlich?

      Den Gemeinen.

       Was an Ihnen ist kindisch?

      Die Nüchternheit.

       Worauf warten Sie?

      Sie haben völlig recht! Gemma! Sozialstaatsvolksbegehren wiederholen! Höchste Eisenbahn!

      Interview für kulturMontag, ORF

       Wie haben Sie reagiert, als Sie erfahren haben, dass Sie bei den diesjährigen tddl (Tage der deutschsprachigen Literatur) dabei sein werden? (Freue mich natürlich zusätzlich bzw. stattdessen auch sehr über ein Selfie mit dem dazugehörigen Gesichtsausdruck ;-))

      Passt.

       Was verbinden Sie mit den tddl?

      Wort=Halten

       Die tddl in Zeiten von Corona – wie haben Sie die letzten Wochen erlebt in Bezug auf Ihre Arbeit? Und: Sind Sie mehr zum Schreiben und Lesen gekommen?

      Kein Unterschied. & Ein Gedicht ist, heißt’s, die Fassung, die man wiedererlangt. & Die Dörner-Experimente seit 50 Jahren: Computersimulationen: 1. Exp. fiktive kleine Stadt Lohhausen, 2. Exp. fiktives Entwicklungsland Tanaland, 3. Exp. reale Tschernobylkatastrophe. Die Versuchspersonen scheitern mit ihren Strategien und werden dadurch immer grausamer, die gewohnten Regelbrüche im Alltag führen zu Leid und Tod. Siehe gegenwärtig (ärger jetzt als bei Milgram-Exp. und Zimbardo-Exp.). Verdrittweltlichung der ersten Welt (z. B. ewiger, stets verleugneter Pflegenotstand), nicht durch die Flüchtlinge, sondern durch den Narzissmus der Eliten. Gegenmittel nach wie vor und mehr denn je: Paulo Freire, Erich Fromm, Günther Anders usf. An die Regierenden: Durch Testen ausselektieren und isolieren ist weder schützen noch behandeln, da fehlt noch was ... Nämlich was? Wissen Sie’s wirklich? Schonen, Helfen, Beistehen ...

       Würden Sie ein Foto von ihrem Bücherregal machen?

      Ist im Anhang.

       Was war Ihre beste/Ihre ungewöhnlichste Lesung?

      Liebe*r Fragesteller*in, Sie irren sich m. E. grammatikalisch: Gut ist nämlich der Superlativ. Auch Herr Kanzler Kurz irrt sich, wenn er so oft sagt, dass wir besser werden müssen. a) Er vielleicht. b) Andererseits: Durch die Kurzschen Methoden wird ja tatsächlich alles besser, aber nichts gut. (Man wird nicht meiner Ansicht sein.) Im Übrigen nehme ich an Veranstaltungen so gut teil, so gut ich eben kann.

       Welches »Emoji« beschreibt Ihre derzeitige Stimmung?

      Elefant im Regen und aber Unterschlupf bietend aufrichtigem Igel.

      ORF/3sat-Interview für den Social-Media-Auftritt des Bachmannwettbewerbes 2020

      Sehr