»Das stimmt«, ergriff Mindevol wieder das Wort, »aber sie haben mir auch versichert, dass sie die Besten schicken und es mit dem Teufel zugehen müsse, wenn sie aufflögen. Wir sollten froh sein, dass die Krulls uns freundlich gesonnen sind.«
»Hach, und ich dachte schon, die Emurks seien Teufel!« Herzel wollte sich nicht damit abfinden, hatte sich aber wieder hingesetzt.
»Herzel, beruhige dich doch bitte«, bat Jelena, »wir müssen einen kühlen Kopf behalten, du hast ja Recht damit, dass die Lage ernst ist. Und wir alle wissen auch, was euch passiert ist. Wenn die Emurks es schaffen, unsichtbar zu bleiben ...«
»Das glaubt ihr doch wohl selber nicht«, wurde sie von Herzel unterbrochen, »im Gegenteil, sie werden sich einen Spaß daraus machen. Ihr wisst doch, wie sie es lieben, Leute zu erschrecken. Was haben sie schon zu befürchten? Sie brauchen ja keine Angst vor den Konsequenzen zu haben. Wie konnten die Krulls bloß auf eine solche Idee kommen? Emurks schicken sie, ausgerechnet Emurks! Entschuldige bitte, Jelena, dass ich dich unterbrochen habe.«
»Nun verbreite bitte keine Panik«, schaltete sich Mindevol wieder ein. »Ich kann ja deine Aufregung verstehen, Herzel. Aber du musst nicht gleich von einem Emurk auf alle anderen schließen. Sie sind besser als ihr Ruf, glaube mir, und die Krulls wissen sicher, was sie tun. Aber wir sind hier versammelt, um zu entscheiden, was wir tun können.«
»Die Krulls wissen was sie tun?« Herzel ließ nicht locker. »Klar wissen sie, was sie tun. Wahrscheinlich schicken sie die Emurks, weil sie sich nicht selbst in Gefahr bringen wollen. Für sie sind die Typen doch nur Kanonenfutter! Ihr wisst alle, dass ich die Emurks nicht leiden kann, aber das haben sie auch wieder nicht verdient.«
»Herzel«, wieder war es Mindevol, der sprach. »Seien wir doch einfach froh, dass die Krulls uns Informationen liefern. Sie gehen mit Sicherheit sehr verantwortungsvoll mit dieser schwierigen Situation um.«
In diesem Moment kam Mira aus der Küche. Sie stellte ein Tablett mit einem dampfenden Krug und mehreren Gläsern auf dem Tisch ab.
»Ihr müsst von meinem Punsch probieren, ihr habt doch bestimmt Durst und etwas Warmes kann euch nicht schaden. Ich habe ihn auch nicht so stark gemacht. Trinkt nur.«
Mira schaute in die Runde und ließ ihren Blick etwas länger auf Herzel ruhen.
Jeder begrüßte die kleine Unterbrechung.
»Die Krulls vielleicht, Mindevol, um die mache ich mir auch keine Sorgen. Aber Emurks! Da brauchen wir gar nichts mehr zu entscheiden, wenn mit diesen Kerlen etwas schief geht. Ich bleibe bei meiner Meinung, dass es grob fahrlässig war, solche Wesen mit einer so wichtigen Aufgabe zu betrauen«, sagte Herzel, jetzt äußerlich zwar ruhiger, aber immer noch sehr bestimmt. »Ich hoffe nur, dass die Krulls die Emurks hart an der Kandare haben. Danke Mira, dein Punsch ist jetzt genau das Richtige.«
Herzel nahm einen Becher und schüttete aus dem Krug von dem heißen Getränk ein. Dann füllte er auch die anderen Becher und reichte sie weiter. Er hatte selbst gemerkt, dass er etwas zu weit gegangen war und dies war seine Art, sich dafür zu entschuldigen.
»Vielen Dank, Mira«, sagte Jelena und nippte an ihrem heißen Getränk.
»Wenn wir dich nicht hätten.« Dabei zwinkerte sie Mira zu.
»Ich danke dir auch, Mira«, sagte Mindevol und fuhr fort, »wir müssen unsere persönlichen Animositäten zurückstellen, so schlimm war es ja auch wieder nicht, Herzel. Deine Frau lebt ja noch.«
»Ja, aber in Ohnmacht ist sie gefallen damals, und ich dachte sie sei tot. Es war der Schreck meines Lebens.«
»Meine Freunde, die Krulls haben mir versichert, dass es das Beste ist, was man tun kann, um gesicherte Informationen zu bekommen. Jeder andere würde drüben sofort auffallen. Du weißt doch, wozu sie energetisch in der Lage sind. Wir sind ständig in Kontakt und ich bekomme sofort Bescheid, wenn es etwas Neues gibt. Bald wissen wir, wonach sie suchen und wen sie schicken. Schon morgen treffe ich mich mit einem Freund. Lasst uns den morgigen Tag abwarten, auf einen Tag kommt es bestimmt nicht an, so eilig es auch sein mag. Kommt, nehmen wir an dem Fest teil, das wird andere auch beruhigen, und außerdem habe ich Hunger.«
Mira sagte: »Jelena, ich habe für dich unser Gästezimmer hergerichtet. Es ist eingeheizt und du kannst gerne schon hinein.«
»Danke, meine Liebe, aber ich bin noch nicht müde und werde noch mit auf das Fest gehen. Ich möchte Marenko doch nicht beleidigen.«
Es wurde noch ein ausgelassener Abend und die Entscheidungen, die zu treffen waren, traten erst einmal in den Hintergrund. Die Leute aus Seringat verstanden es zu feiern und bewiesen das auch an diesem Abend. Man hatte absolutes Vertrauen in den Ältestenrat. Im Dorfhaus, das vor einigen Stunden noch Ort der Versammlung war, brieten jetzt die beiden Gastgeschenke Marenkos an Spießen über einem großen Feuer. Entlang der Wände hatte man Tische und Bänke aufgestellt, an denen jetzt fröhliche Menschen saßen und in der Mitte der Halle spielte eine Musikgruppe zum Tanz auf.
Am nächsten Morgen traf sich der Ältestenrat wieder in Mindevols Haus. Jelena hatte im Gästezimmer übernachtet, die anderen bei Freunden oder Verwandten.
»Nun, haben sich deine Freunde schon gemeldet, Mindevol, gibt es etwas Neues von den Krulls?«, fragte Herzel gleich, kaum dass sie am Tisch beisammen saßen. Er hatte noch nicht einmal darauf gewartet, dass Jelena die Ratssitzung eröffnete.
In Anbetracht der Lage wollte aber auch niemand auf das Einhalten der Ordnung bestehen. Jelena lächelte nur milde.
»Ja, Herzel, ich habe Neuigkeiten.«, und zu Jelena gewandt fuhr er fort: »Es muss drüben in der anderen Welt eine Gruppe von Leuten geben, die auf bestimmte Unterlagen aus sind, die in unserem Teil, vielleicht sogar hier in Flaaland, versteckt sein sollen. Das ist ja auch schon ungefähr das, was uns Schtoll bereits berichtet hat. Was aber die Leute um Schtoll nicht herausgefunden haben, ist dies: Es soll sich um Baupläne für eine Maschine handeln. Offensichtlich ist ihnen diese Maschine so wichtig, dass sie es sogar riskieren, den Ewigen Vertrag zu brechen. Jetzt tritt also doch das ein, wovor Effels Großvater immer gewarnt hat.«
»Die Pläne für eine Maschine?« Jelena runzelte die Augenbrauen und fuhr fort: »Warum brauchen sie die Pläne einer Maschine, die ja, wenn sie hier versteckt sind, mindestens 700 Jahre alt sein müssten? Sie sind doch sicher inzwischen viel weiter in ihrer Forschung. Da muss noch etwas anderes dahinter stecken. Und wie wollen sie die Pläne finden? Sie können keine großen Suchtrupps schicken, wie Schtoll schon gesagt hat. Es sei denn, es ist ihnen wirklich alles egal. Und wenn sie Karten von der damaligen Zeit haben, nutzt ihnen das auch nicht viel. Inzwischen sieht hier alles anders aus. Da, wo früher Land war, ist jetzt vielleicht Wasser, oder umgekehrt.«
»Perchafta, so heißt einer meiner Freunde bei den Krulls, meinte, die Anderen würden nur eine Person auf die Suche schicken, weil sie hoffen, es geheim halten zu können. Hat Schtoll eigentlich gesagt, woher er seine Informationen hat?
Oder beziehen sich seine Befürchtungen ausschließlich auf die Visionen des Sehers Madmut? Ich werde ihn später danach fragen. Wir sollten doch heute Abend bei der nächsten Versammlung im Dorfhaus eine klare Entscheidung verkünden, wie wir dieser Ungeheuerlichkeit begegnen wollen. Ich schlage vor, wir suchen ebenfalls jemanden aus unseren Reihen aus, der diese andere Person aufspürt, findet und unserer Gerichtsbarkeit zuführt. Wir riskieren sonst, dass sich jeder auf eigene Faust auf die Suche macht. Ihr habt ja Soko gesehen, gestern bei der Versammlung. Das ist übrigens auch der Vorschlag der Krulls.«
»Die Krulls schlagen ebenfalls vor, nur eine Person zu schicken? Warum nicht zwei? Und an wen hast du da gedacht?« Es war Reijssa, die diese Frage stellte.
»Ich denke dabei an Raphael, Effel oder Gernot. Alle drei sind junge, ausdauernde und gute Jäger. Außerdem sind sie intelligent. Und Effel und Raphael haben noch etwas anderes, was ihnen helfen wird.«