»Ja, das wird bei uns schon den Kindern beigebracht und es tut gut, es noch einmal so deutlich zu hören. Aber hat man das früher nicht auch schon gewusst? Und wenn ja, frage ich mich, wie es zu alldem kommen konnte, was schließlich in der großen Katastrophe endete.«
»Sicher, Effel, das hat man gewusst und zu Anbeginn der Zeiten hat man es auch befolgt. Doch als die Gier begann, die Mächtigen zu beherrschen, lag es in ihrem Interesse, die Menschen die Wahrheit vergessen zu lassen. Man redete ihnen ein, sie seien die Herrscher über die Welt und sie könnten mit der Erde machen, was sie wollten. Das taten sie dann auch, aber zu welch einem Preis, einen den die Schwachen bezahlen mussten! Glaube mir, einer bestimmten Clique wurde kein Haar gekrümmt, sie haben alle überlebt, oder fast alle. Aber das weißt du ja, du wärst ja sonst nicht hier.«
»Wenn dieses Wissen auch früher schon vorhanden war«, meinte Effel, »dann ist Wissen allein demnach keine Garantie für rechtes Handeln.«
»Schön wäre es, Effel, dann hätten wir jetzt jedenfalls Zeit und Muße für schönere Dinge. Ich wäre bei meiner Familie, könnte lesen und all die Dinge tun, die das Leben lebenswert machen.«
»Aber was ist mit dem Ewigen Vertrag, wurde der nicht geschlossen, um den Überlebenden die Möglichkeit zu geben, das Leben zu wählen, das sie für richtig hielten?«
»Effel, nichts was Menschen machen, ist ewig. Dieser Vertrag wurde geschlossen aus der Not der Stunde, also nicht ganz freiwillig. Man brauchte einfach Zeit, denn man hatte den Lauf der Dinge unterschätzt. Jetzt ging es erst einmal darum, sich zumindest einen Teil zu sichern. In der Geschichte der Menschheit sind die meisten Verträge gebrochen worden. Wir Krulls kennen zum Beispiel gar keine Verträge. Wenn ein Krull in etwas einwilligt, dann genügt sein Wort. Das ist dann für ihn und seinen Clan bindend. Aber ist es bei euch Kuffern inzwischen nicht ähnlich?«
»Doch, bei meinem Hausbau habe ich mit dem Nachbarn, der mir das Holz lieferte, auch alles per Handschlag erledigt. Und so wird es immer bei uns gemacht. So lange ich mich erinnern kann, war es nie anders.«
»Na siehst du, ein Teil der Menschheit hat etwas gelernt. Das Wort eines Mannes muss reichen, das ist doch Vertrag genug. Ich hoffe, dass die Menschen mehr gelernt haben, als das. Das, was ihr die Große Katastrophe nennt, war nicht die erste ihrer Art. Es kam damals einiges zusammen. Genauer gesagt kamen drei Gruppen zusammen. Einmal die Wirtschaftsmagnaten, deren Gier keine Grenzen kannte, dann eine gewisse politische Klasse, deren Heil in der militärischen Aufrüstung lag, und schließlich noch die religiösen Fanatiker, die es für ihre Aufgabe hielten, eine Weltordnung nach ihren Wertvorstellungen nötigenfalls herbeizubomben. Eine wahrhaft unselige Allianz. Schlimm war es dann, als die Politik religiosiert wurde. Man machte den Menschen weis, im Auftrag Gottes zu handeln. So kam es, wie es kommen musste.
Die Menschen hatten irgendwann einfach nur noch Angst. Die Attentate häuften sich, die Kriege mehrten sich und in solchen Zeiten wurde der Ruf nach einer starken Händen immer lauter.
Und die gab es ja auch. Man versprach Schutz vor den Attentätern und lenkte so von den wahren Problemen ab.
Angst manipuliert am besten. Wenn ein Mensch von Angst erfüllt ist, wird er leicht zum Opfer jeder Art von Beeinflussung, weil er in diesem Moment die Verbindung zu sich selbst verliert. Was nicht gesehen wurde, oder gesehen werden durfte, war die Tatsache, dass auch die Täter Opfer waren, denn auch sie hatten Angst.
Menschen fügen anderen Menschen Schmerzen zu, wenn sie Angst haben. Je mehr Schmerzen ein Mensch einem anderen zufügt, desto größer ist die Angst in seinem Inneren. Solche Ereignisse, ihr nennt sie Katastrophen, hat es andererseits aber immer wieder gegeben. In den Zivilisationen aller Zeiten. Nach einer rasanten Entwicklung in Wissenschaft und Technik wurden die Menschen überheblich und überschätzten sich und ihre Fähigkeiten. Sie gingen an dem Plan vorbei. So bekamen sie, oder gaben sich selbst, egal wie man es sieht, eine neue Chance. Es sollte dadurch wohl die Spreu vom Weizen getrennt werden.«
»Du meinst also, die Menschen hätten sich selbst unbewusst in solch schlimme Situationen gebracht? Und letztlich auch mit dem Risiko, ganz vernichtet zu werden? Ich bin bisher davon ausgegangen, dass dies ein Schöpfer tut, ein Gott, der uns alle geschaffen hat und deswegen auch das Recht hat, uns zu nehmen, was er gegeben hat.«
»Meinst du, dass du die Schöpfung vom Schöpfer trennen kannst?«, fragte Perchafta.
»So gesehen, nein. Aber hat dieser Schöpfer nicht auch durch die Natur gesprochen? Hat er uns nicht auch durch sie zahlreiche Warnungen geschickt, die letztlich doch alle überhört wurden?«
»Man nannte sie Naturkatastrophen«, erwiderte Perchafta, »aber für die Natur war es ja keine Katastrophe, nur für die Menschen. Für die Natur war es eine Reinigungsaktion und für die Erde begann damals eine Neuordnung, die Erde strukturierte sich um. Das hat sie übrigens immer mal wieder gemacht, in riesigen Zeitabständen. Und vor einigen hundert Jahren war es eben mal wieder so weit. Kannst du dir vorstellen, Effel, dass deine Heimat einmal eine Insel war, und weißt du, warum sie das heute nicht mehr ist?«
»Ja, ich weiß das von Mindevol, der es übrigens ähnlich erklärt hat wie du, Perchafta. Durch die Verschiebung von Erdplatten, stimmts?«
»Genau, Effel. Weißt du übrigens, dass bei solchen Phänomenen wie Erdbeben, Flutwellen oder Stürmen kaum wild lebende Tiere ums Leben kamen? Nur Tiere, die von Menschen an Leinen oder in Ställen gehalten wurden?
Die Tiere haben die Zeichen, die solchen Ereignissen immer vorausgehen, besser deuten können und sich in Sicherheit gebracht.
Wirklich gelitten haben nur die Menschen darunter. Ich glaube aber, dass wir gar nicht so differenzieren müssen, Effel, denn wenn es diesen Schöpfer gibt, wovon ich übrigens auch ausgehe, dann ist dieser Schöpfer ja in Allem und gleichzeitig ist er Alles, also auch in euch Menschen, auch in dir, in Sam, in jedem Blatt, das hier wächst, in jedem Vulkanausbruch, in jedem Erdbeben und in jeder Flutwelle.«
»Aber warum hat die größte Katastrophe, das Seebeben im früheren Asien, gerade die ärmsten Länder heimgesucht? Ist die Natur, oder der Schöpfer, nicht immer gerecht? Wo war denn Gott da?«
Effel war gespannt, ob der Krull auch darauf eine Antwort wüsste.
»Glaubst du wirklich, dass der Schöpfer sich mit solch menschlichen Wertmaßstäben wie gerecht oder ungerecht messen lässt? Sagt ihr nicht auch, dass Gott unermesslich ist? Und was ist schon gerecht? Ist das nicht Sache des Standpunktes? Nein, Effel, ich glaube, er hat den Menschen in seiner Güte und Liebe wieder einmal eine Chance gegeben, einen Wink. Auch damals in Asien. Wenn er auch einen Zaunpfahl dazu genommen hat.«
Perchafta hatte Effels erstaunten oder auch fragenden Gesichtsausdruck durchaus bemerkt.
»Ja Güte, Effel, dadurch, dass er dieses Unglück dort hat geschehen lassen, wo es geschah, gab er den reichen Ländern Gelegenheit, sich zu besinnen und zu helfen. Das meine ich mit Güte. Das Seebeben geschah in einem der beliebtesten Urlaubsgebiete weltweit. Zu einer Zeit, da sehr viele Menschen aus allen erdenklichen Ländern dort ihren Urlaub verbrachten.
Er wählte für dieses Ereignis einen der höchsten religiösen Feiertage der Christen und die meisten Menschen der damaligen Industrienationen waren Christen. Durch diese Flut waren alle Länder durch ihre zahlreichen Opfer direkt betroffen.
Es entstand die größte weltweite Hilfsaktion aller Zeiten. Eine beispiellose Hilfe lief innerhalb