Steine brennen nicht. Klaus D. Biedermann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Klaus D. Biedermann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783937883526
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zurückgeholt hatte.

      »Das war merkwürdig, Perchafta, wie lange war ich weg?« Effels Stimme war ganz belegt, sie schien ebenfalls weit weg gewesen zu sein.

      »Merkwürdig ist es nur das erste Mal und es ist wirklich würdig, dass du es dir merkst. Ich freue mich, dass es so gut geklappt hat. Deine Reise hat vielleicht eine Stunde gedauert.

      Du hast viele Bilder gesehen. Gib dir noch einen Moment Zeit, ganz hierher zurückzukommen. Wenn du magst, kannst du mir gerne später erzählen, was du gesehen hast. Wir haben ja noch den ganzen Tag vor uns.«

      Perchafta war aufgestanden, um sich ein wenig die Beine zu vertreten und sein Pfeifchen anzuzünden, dabei schüttelte er leicht seinen Kopf, was aber Effel nicht bemerkte.

      »Es ist wie träumen und doch anders«, meinte Effel, »es ist bewusster, irgendwie klarer und alles kam mir vor, als sei es erst gestern geschehen.«

      »Es freut mich, dass dir diese Art zu reisen gefallen hat. Hierbei spielt Zeit keine Rolle, Effel. Du hast damit den ersten und entscheidenden Schritt getan.« Perchafta hatte sich wieder hingesetzt.

      »Den ersten entscheidenden Schritt, welches wird der zweite Schritt sein?«

      Er fühlte sich noch ein wenig zwischen den beiden Welten.

      »Langsam, kehre erst einmal ganz zurück hierher und dann sehen wir weiter, außerdem beantworte ich nicht gerne zwei Fragen auf einmal«, lächelte Perchafta ihn an. »Der erste Schritt ist immer der entscheidende, denn jede Reise beginnt damit. Der zweite und alle nächsten sind dann nur noch eine logische Folge. Komm, Sam wird sicher schon warten.«

      »Ja, mein guter Sam. Er ist der anhänglichste Hund, den ich kenne. Ich bekam ihn vor fast zwei Jahren von unserer Nachbarin geschenkt, als er noch ein Welpe war. Ihre Hündin hatte einen großen Wurf. Da sie wusste, dass ich ein Hundenarr bin, durfte ich mir einen Welpen aussuchen. Aber eigentlich habe nicht ich ihn ausgesucht, sondern er mich. Er kam als Einziger sofort auf mich zugelaufen, als ich den Hof betrat.

      Sicherlich hat er sich kaum von der Stelle gerührt, an der wir ihn verlassen hatten.«

      »Nun, dann sollten wir nachschauen, oder?«

      Der Hund freute sich, als sei Effel eine Ewigkeit weg gewesen und steckte seinen Herrn mit dieser Freude an. Perchafta war vorsichtshalber ein wenig zurückgeblieben, aber Sam kam sehr behutsam mit dem Schwanz wedelnd heran, um ihn zu beschnuppern.

      Es sah fast respektvoll aus. Gleich darauf sprang er wieder an Effel hoch. Nach dieser stürmischen Begrüßung machten sich die drei auf den Weg und kamen bald aus dem Wald heraus. Effel wandte sich an seinen Begleiter:

      »Wie geht es jetzt weiter, Perchafta, wirst du mitkommen oder soll ich eine Zeit lang hier bleiben?«

      »Ich denke, es schadet nichts, wenn wir ein wenig beisammen bleiben, damit deine nächsten Reisen in die untere Welt, wie du sie nennst, mit Begleitung stattfinden können. Zum Üben ist es ganz gut so, später wirst du mich nicht mehr brauchen.«

      »Du meinst, ich werde irgendwann diese Art von Reisen ganz alleine unternehmen können, ohne Hilfe eines anderen?«

      »Es wäre schlimm, immer auf jemanden angewiesen zu sein, findest du nicht?«

      »So betrachtet hast du Recht«, meinte Effel, »aber vorhin hat es mich irgendwie beruhigt, dich neben mir zu wissen.«

      »Anfangs ist es sogar besser, einen erfahrenen Begleiter zu haben, aber du wirst bald ohne mich auskommen. Ob ich dennoch bei dir bleibe, wird sich zeigen, es kommt auf den weiteren Verlauf deiner Mission an. Wir haben nicht auf alles Einfluss.«

      »Kannst du mir ungefähr sagen, wie lange es dauern wird, bis ich auch alleine weiter kann?«

      »Du hast es wohl sehr eilig«, Perchafta musste schmunzeln.

      »Du kennst den Grund meiner Reise und wirst daher bestimmt verstehen, dass ich möglichst schnell weiter möchte.«

      »Vergiss den Grund deiner Reise zunächst einmal und Zeit, Effel, ist das geringste Problem in diesem Fall. Außerdem, woher willst du wissen, dass es weiter weg geht, vielleicht passiert ja alles ganz in der Nähe. Wenn du nicht optimal vorbereitet bist, egal wie lange das dauert, kannst du deine Mission in den Wind schreiben. Und glaube mir, das war wirklich erst der Anfang. Für die Erfüllung deiner Aufgabe wirst du eine Fähigkeit benötigen, auf die ich dich mit dieser Art von Reise vorbereite, und ohne die du nicht das erreichen wirst, was du erreichen sollst.

      Bis jetzt hast du nur Zugang zu dem Wissen und den Erinnerungen, die dein jetziges Leben betreffen und nur dir selbst gehören. Aber es wird wesentlich mehr als das vonnöten sein. Es gibt viele Ebenen der Erinnerung. Bei diesen Gegnern wirst du alles brauchen.«

      »Komisch«, meinte Effel, »manchmal habe ich den Eindruck, ich selbst wüsste am wenigsten, was mich erwarten wird.«

      »Nein, meine Feststellung habe ich lediglich getroffen aus Erfahrung als Reisebegleiter und aus der Kenntnis eurer Widersacher.

      An einem positiven Ausgang deiner Mission bin ich mehr interessiert, als du vielleicht glaubst, denn sie betrifft uns doch letztlich alle. Was geschehen wird, weiß ich genauso wenig wie du. Deine Leute scheinen mit dir die richtige Wahl getroffen zu haben, das sagt mir mein Gefühl.«

      Die Luft war frisch und klar und sie kamen gut voran. Sam lief voraus und Effel ging neben dem Krull her. Dabei brauchte er gar nicht langsamer zu gehen. Wie Perchafta es machte, mit ihm Schritt zu halten, erkannte Effel allerdings nicht, es schien ihn auch nicht im Mindesten anzustrengen. Die beiden sprachen nun längere Zeit nicht miteinander, Effel war einerseits mit seinen Gedanken beschäftigt und wollte andererseits Perchafta keine Löcher in den Bauch fragen. Dem Krull schien das nur recht zu sein. Ein paar Mal schon hatte Effel für Momente den Eindruck, als sei sein kleiner Begleiter mit den Gedanken weit weg.

      Nach einer Weile gelang es ihm, sich mehr auf die Landschaft, durch die sie jetzt kamen, zu konzentrieren. Eine weich geschwungene Hügellandschaft lag vor ihnen, von mehreren kleinen Flüssen durchzogen. An den Ufern dieser Wasserläufe standen Pappeln, Birken und unterschiedlichste Sträucher, die weit über das Wasser ragten. Effel konnte Graureiher erkennen, die beinahe regungslos am Ufer standen und auf einen Fisch warteten. Das Gras wurde von einem leichten Wind bewegt, sodass es beinahe aussah wie die sanften Wellen des Meeres. In der Ebene weideten Pferde und Rinder. Auf einer Anhöhe lag wohl das Haus des Farmers.

      Die beiden Wanderer blieben stehen, um den Blick, der sich ihnen bot, zu genießen. Nachdem Perchafta sich dann auf einen Grenzstein am Weg gesetzt hatte, meinte er:

      »Welch eine Aussicht. Hörst du die Melodie des Windes und spürst du seinen Hauch auf deinem Gesicht? Riechst du den Duft der Gräser? Es ist wundervoll, nicht wahr? Dass es dies alles wieder gibt, zeugt von der Kraft der Natur. Kaum vorstellbar, dass es Menschen gab, die so etwas nicht achteten, ja sogar zerstörten. Und doch war es so.«

      Perchafta hatte fast geflüstert, wurde nun aber wieder lauter:

      »Dieser Blick ist das Einzige, was jetzt zählt. Weder Dein Auftrag ist in diesem Moment von Bedeutung noch das Ziel deiner Reise, das du sowieso nicht kennst. Nur das Jetzt ist wichtig und so ist es immer, nur das Hier und Jetzt ist wichtig. Das Leben findet im Hier und Jetzt statt, nirgend woanders. Die Menschen müssen alles in Zeit einteilen und sind mit ihren Gedanken dann entweder in der Vergangenheit oder in der Zukunft unterwegs, eine unsinnige Angewohnheit.«

      »Warum«, fragte Effel, »ist es nicht wichtig, sich an die Vergangenheit zu erinnern? Die Gegenwart gäbe es doch gar nicht so wie sie ist, wenn nicht die Vergangenheit so gewesen wäre, wie sie war.«

      »So meinte ich das nicht, Effel, mit dem was du sagst, hast du natürlich Recht. Was ich meinte, ist, dass die meisten Menschen mit ihren Gedanken in der Vergangenheit leben, vor allem dann, wenn sie dort schlechte Erfahrungen gemacht oder etwas Schönes verloren haben. Dann haben sie Angst davor, dass etwas Ähnliches noch mal passieren könnte. Und was passiert, wenn man Angst hat, das weißt du. Man ist nicht mehr offen, für das, was wirklich im Jetzt geschieht.«

      »Das