Aufwachsen in Geborgenheit. Bert Powell. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bert Powell
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783867813570
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berichteten Forscher von der Universität Amsterdam, dass Kinder, deren Eltern sie wissen ließen, dass sie sie liebten, sechs Monate später ein höheres Selbstvertrauen zeigten, während Kinder, deren Eltern ihnen sagten, dass sie noch „spezieller“ seien als andere, mehr Narzissmus zeigten, nicht aber mehr Selbstachtung. Selbstachtung kommt, zumindest teilweise, davon, akzeptiert zu werden, und nicht davon, überbewertet zu werden.

      Soziale Kompetenzen entwickeln

      In der Einleitung zu diesem Buch haben wir unsere feste Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass Beziehungen – das „Und“ im Leben – der Schlüssel zu Gesundheit und Zufriedenheit sind, auf welche Arten und Weisen auch immer diese Zustände wissenschaftlich erfasst werden. Insofern erscheint uns der Begriff „Kompetenz“ zu flach. Doch seine Bedeutung umfasst all die Arten und Weisen, auf die wir von den sozialen Aspekten unseres Lebens profitieren: Intimität, gegenseitige Unterstützung, Empathie, Zurechtkommen in allen Bereichen des Lebens, von der Schule und der Arbeit bis hin zur Familie und zum Freundeskreis. In einem Artikel zu der Frage, wie in der Gesundheitspolitik die positiven Auswirkungen sozialer Beziehungen berücksichtigt werden können, fassen die Autoren zusammen, dass „soziale Beziehungen eine Reihe von Gesundheitswirkungen zeitigen. Sie unter anderem die psychische und körperliche Gesundheit, die gesundheitsrelevanten Gewohnheiten und das Sterberisiko beeinflussen“.

      Unterstützende Interaktionen mit anderen wirken sich positiv auf die Funktionen des Immunsystems, des endokrinen Systems und des kardiovaskulären Systems aus und reduzieren körperliche Verschleißerscheinungen, die unter anderem darauf zurückzuführen sind, dass die physiologischen Systeme durch Stressreaktionen chronisch überaktiviert sind. Diese Prozesse entfalten sich während der gesamten Lebensdauer und haben Auswirkungen auf die Gesundheit. In der Kindheit fördert emotionale Unterstützung durch andere (zum Beispiel durch eine primäre Bezugsperson) die normale Entwicklung verschiedener regulierender Systeme, unter anderem jene, die die Verdauung, die Stimmung, das Energieniveau und die allgemeine Reaktion auf Stress steuern. Bei Erwachsenen kann soziale Unterstützung dafür sorgen, dass aktuelle oder drohende Stressfaktoren keine negativen Effekte auf das Herz haben. Verheiratete Menschen haben ein geringeres Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen als Menschen, die ihren Partner durch Tod oder Scheidung verloren haben.

      Bessere körperliche Gesundheit

      Zum Thema Gesundheit lässt sich sagen, dass die körperliche Entwicklung von einer Matrix aus komplizierten Faktoren abhängt, die sowohl der Veranlagung (Genetik und andere biologische Einflüsse wie Krankheiten) als auch Umwelteinflüssen geschuldet sind. Man vermutet, dass sichere Bindung mit besserer körperlicher Gesundheit einhergeht, auch wenn über deren genaues Zusammenspiel noch wenig bekannt ist. Wenn sichere Bindung, wie wir ja wissen, soziale Beziehungen verbessert und, wie wir ebenfalls wissen, soziale Beziehungen körperliche Gesundheit fördern, dann lässt sich daraus schließen, dass die Bindung die körperliche Gesundheit fördert. Was wir mit Sicherheit wissen ist, dass die aus einer sicheren Bindung resultierende psychische Widerstandskraft den körperlichen Verschleiß reduziert, der für alle möglichen Krankheiten verantwortlich ist.

      In der Minnesota-Studie zeigte sich, dass Kinder mit einer sicheren Bindung über mehr soziale Kompetenz verfügen, und zwar „von ihren Beziehungserwartungen und -repräsentationen über ihren Umgang mit anderen und ihre Interaktionskompetenz bis hin zu ihrer Beliebtheit“. Sroufe und seine Kollegen stellten fest, dass sicher gebundene Kinder aktiver mit ihren Altersgenossen umgingen und weniger isoliert waren, sowohl im Kindergartenalter als auch in der mittleren Kindheit. Die Kindergartenkinder zeigten mehr Empathie und hatten mehr beiderseitige Beziehungen. Im Alter von zehn Jahren hatten sie mehr enge Freundschaften und waren in größeren Gruppen von Gleichaltrigen besser in der Lage, diese Freundschaften aufrechtzuerhalten. Im Jugendalter konnten die sicher gebundenen Kinder selbst in sozialen Kontexten, in denen sie sich verletzlich fühlten, gut funktionieren und Führungsrollen übernehmen.

      Ist Bindung das Wesentliche am Menschsein?

      Möglicherweise steckt hinter dem Phänomen „Bindung“ mehr als ein evolutionärer Instinkt. Bindung stößt in unserem tiefsten Inneren auf Anklang. Das mag daran liegen, dass die Interaktion zwischen Eltern und kleinem Kind eine Art Initiation des Kindes in die Essenz des Lebens ist; sie prägt seinen Umgang mit den vielfältigen Einflüssen der Veranlagung und der Umwelt im Laufe seines Lebens. Ein Wissenschaftler nannte die Beziehung zwischen Mutter und Baby einmal „die erste Begegnung zwischen der Vererbung und der psychischen Umwelt“. Die Tatsache, dass sich Bindung vollzieht, ist eine Erinnerung daran, dass wir als Menschen von Natur aus Beziehungswesen sind.

      Da der Kontakt zu unseren ersten Bezugspersonen unsere erste Erfahrung mit einer nahen Beziehung darstellt, wirkt sich die Qualität dieser Verbindung darauf aus, wie wir all unsere zukünftigen Beziehungen wahrnehmen. Alan Sroufe drückt es so aus: „Die Bindungsbeziehung zwischen dem kleinen Kind und der Bezugsperson ist das Zentrum, um das herum sich alle anderen Erfahrungen strukturieren, welchen Einfluss auch immer sie haben mögen. Insofern sind wir zu der Überzeugung gelangt, dass die frühen Erfahrungen niemals verloren gehen, egal, wie viel Transformation in der späteren Entwicklung geschieht.“

      Es gehören also immer zwei dazu, um sich zu entwickeln und zu gedeihen, von der Geburt bis zum Tod. Das Wesentliche ist das „Und“, wie Donald Winnicott andeutete. Dieses „Und“ greift sehr tief – und es ist von tief greifender Wichtigkeit. Robert Karen, der in seinem 1990 in der Zeitschrift Atlantic erschienenen Artikel „Becoming Attached“ der Allgemeinheit das Konzept der Bindung vorstellte, schrieb: „Die Bindungstheorie trägt eine einfache und lebensbejahende Botschaft in sich, nämlich dass das Einzige, was Ihr Kind braucht, um emotional gut zu gedeihen, Ihre emotionale Verfügbarkeit und Feinfühligkeit ist.“

      Die Botschaft der Bindungstheorie bekräftigt in der Tat die Ansicht verschiedener Denker aus Psychologie, Philosophie und Theologie über den Sinn und Zweck des Lebens: Viele von ihnen haben festgestellt, dass das, was uns als Menschen verbindet, der Wunsch ist, zu lieben und geliebt zu werden. Dieses Bedürfnis ist universell, doch es zu messen übersteigt die Möglichkeiten der Wissenschaft. Auf Bindung und Verbundenheit ausgerichtetes Verhalten ist zwar offensichtlich notwendig für das Überleben der Spezies, aber es erklärt nicht das Mysterium, dass sich Eltern in ihr Kind verlieben, ebenso wenig wie das Wunder, dass ein Kind sich in seine Eltern verliebt. Das Bedürfnis, liebevoll zu umsorgen und umsorgt zu werden, geht über das Bedürfnis, zu schützen und geschützt zu werden, hinaus. Auch erklärt das Bedürfnis nach Schutz nicht, warum Kinder Beziehungen brauchen, die auf Freude und gegenseitigem Entzücken beruhen.

      Wie auch immer die Frage lautet, das Lernen von Verbundenheit ist ein großer Teil der Antwort.

      „Enge Bindungen an andere Menschen sind das Zentrum, um das herum sich das Leben eines Menschen dreht, nicht nur als Säugling, Kleinkind oder Schulkind, sondern auch während der Adoleszenz und der Erwachsenenzeit bis hinein ins hohe Alter. Aus diesen engen Bindungen zieht ein Mensch Kraft und Lebensfreude, und durch das, was er beiträgt, gibt er anderen Kraft und Lebensfreude. In dieser Frage sind sich die moderne Wissenschaft und die traditionellen Weisheitslehren einig.“

      Kommen wir nun zu einer unausweichlichen und kniffligen Frage: Wenn Bindung etwas zutiefst