Zwei Freunde. Liselotte Welskopf-Henrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Liselotte Welskopf-Henrich
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Историческая литература
Год издания: 0
isbn: 9783957840127
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ham doch auch die Einladung?«

      »Was für eine?«

      »Übermäßiges Zieren verrät schlechtes Gewissen. Korts und Casparius kommen auch. Wir überfallen Sie jetzt in Ihrer Bude, und dann gehen wir alle zusammen.«

      »Ich hatte nicht die Absicht, heute gleich loszustolpern. Es kann ja ebensogut noch an einem der folgenden Donnerstage sein.«

      »Aha! Der Groschen ist gefallen. Recht ham Sie. Aber der Korts will durchaus gehn, weil er gehört hat, daß ich geh’. Sie ham übrigens recht, er ist eifersüchtig, hi-hä … und den Casparius schiebt er vor, damit es nicht so aussieht, als ob bloß er … und so kommt die Herde zusammen!«

      »Wenn es Ihnen nicht paßt, Gnädigste, als Massenerscheinung aufzutreten, so wickeln Sie den Faden einfach wieder ab. Sagen Sie, Sie gehn doch nicht, dann bleibt Korts weg, und Kaspar macht sich nicht allein auf den Weg.«

      »Ham Sie eine Ahnung. Wenn ein Stier im Laufen ist, hält ihn so leicht nicht wieder etwas auf. Er ist ja schon weg, um sich umzuziehen, und Casparius auch, und ich hab’ gesagt, wir treffen uns ganz einfach bei Ihnen. Wenn Sie uns nie einladen, Sie Geheimniskrämer, müssen wir eben mal mit Gewalt in Ihr geheimrätliches Asyl einbrechen!«

      »Der Überfall freut mich natürlich sehr, gnädiges Fräulein, ich habe nur leider gar nichts vorbereitet und nichts anzubieten.«

      »Eine Tasse Tee wird’s schon geben. Ein paar Käsestangen helf ’ ich Ihnen auch noch einkaufen. Im übrigen wollen wir uns den Appetit nicht verderben für die Grevenhagenschen Platten. Sind Sie bös?«

      Die Augen spielten, während die Wangen sich im scharfen Luftzug röteten. Man ging mit vorgeneigtem Kopf, die Hand am Hut, über den Königsplatz, auf dem der Wind den Schnee verstäubte.

      »Ich überlasse mich Ihrer Initiative, Gnädigste. Kaufen Sie ein und erlauben Sie mir, das Paket zu tragen. Den Tee werden wir schon bekommen.«

      Martha versuchte ihre Überraschung zu beherrschen, als Wichmann mit einer Dame die geheimrätliche Wohnung betrat. Sie half Fräulein Hüsch aus dem Pelz. Ein myrtengrünes Georgettekleid mit langen, durchsichtigen Ärmeln kam zutage; ein kleines, kostbares Schmuckstück zierte den vollen Hals. Die Toilette vor dem Spiegel mit Kamm und Puder nahm mehr Rücksicht auf die sachlichen Erfordernisse der Schönheit als auf die subjektiven Gefühle Wartender. Wichmann flüsterte Martha etwas von drei überraschenden Gästen und einer Kanne Tee zu. Bei dem Begriff »noch zwei Herren« war die Achtung des Mädchens vor dem Mieter der Geheimrätin offenbar in vollem Maße wiederhergestellt.

      Fräulein Hüsch trat in Wichmanns Zimmer ein. Sie blieb stehen und schaute sich ungeniert um, rückte den Armstuhl und den kleinen Tisch ein wenig anders, gruppierte Kissen auf der Couch und brachte eine Vase zum Verschwinden. Wichmann gestand vor sich selbst ein, daß das Mädchen in diesem allem recht hatte. Es schien Dinge zu geben, in denen ihre Hand geschickter war als im Ordnen juristischer Kommentare.

      Martha brachte Decke und Tassen. Der Rauchtisch wurde zum Teetisch umdekoriert, und Fräulein Hüsch ließ sich auf der Couch nieder. Sie schlug die Beine übereinander, die Seidenstrümpfe glänzten, der Rücken versank in weiche Kissen, und sie nahm dankend Zigarette und Feuer von dem in sein Schicksal ergebenen Kavalier.

      »Ganz nett ham Sie’s hier. Aber das Bild würd’ ich weghängen. Immerzu die Leiche zum Anschauen?«

      Wichmann betrachtete die gescholtene Ölkopie der Rembrandtschen Anatomie, die über seiner Couch hing.

      »Memento mori, Gnädigste.«

      »Nein, furchtbar! An so was denkt man besser nicht. Überhaupt … lauter Männer mit Hüten. Aber ich brauch’ es ja nicht anzuschauen. Durchs Fenster haben Sie einen hübschen Blick.«

      Wichmann stand an den Scheiben und sah auf die Straße hinunter. Korts und Casparius kamen eben von der Parkseite in die Kreuderstraße herein, im steifen Hut und guten Überzieher. Casparius war keine üble Figur, wenn er sich gut anzog. Der ungesehen Beobachtende wartete, ob die beiden Fußgänger ihre Schritte seinem Hause zulenken würden, aber sie schienen nicht dergleichen zu beabsichtigen, sondern unmittelbar der Kreuderstraße 3 zuzustreben. Wichmann mißfiel die Aussicht, dem Fräulein Hüsch allein ausgeliefert zu sein; er öffnete das Fenster und pfiff, und als die Kollegen heraufschauten, winkte er.

      Korts wurde wieder einmal rot, Casparius lachte, dann folgten die beiden dem Zeichen und kamen.

      »Wir haben das nicht ernst genommen«, erklärte Korts im Klubsessel. »Sie haben sich eine Hausfrau zugelegt?«

      Wichmann war versucht zu antworten, die Hausfrau habe sich ihn zugelegt, aber er schluckte die Bemerkung, die ihm schon auf der Zunge war, hinunter und lächelte nur nichtssagend. Fräulein Hüsch goß Tee ein. Die Käsestangen fanden bei Casparius lebhaften Absatz.

      »Jetzt bin ich neugierig …«

      »Ha, des sind mir alle, Gnädigschte. Der Unterschied ischt nur, worauf sich unsere Neugier richtet. Für mich zum Beispiel wird es entscheidend sein, ob ich Sardelle krieg’ oder Schinken. Bei Schinken bin ich guter Laune und bei Sardelle schlechter, und mein Urteil über das Haus Grevenhagen wird nicht unwesentlich von dieser Frage abhängen.«

      »Ich möchte mal wissen …«

      »Na, was denn, liebes Fräulein Hüsch? Drei Ritter sind pflichtgemäß neugierig zu wissen, worauf eine so erfahrene Dame denn noch neugierig sein kann?«

      »Ham Sie den Musa auf dem Ball gesehen?«

      »Ha freilich. Ich hab’ immer drauf gewartet, daß der Dirigent ein Zeiche mit dem Taktstock geben würde und daß der Musa dann zu singe anfängt. ›Weh … wehe … Verderben … ‹ oder was sonscht ein Rachegeischt in der Oper singen kann. So ung’fähr.«

      »Was der für Augen gemacht hat! Getanzt hat er nicht ein einziges Mal. Sie übrigens auch nicht, Herr Korts. Worauf läßt das schließen?«

      »Auf männliche Überlegenheit, gnädiges Fräulein.«

      »… oder auf Minderwertigkeitskomplexe und rasende Eifersucht …«

      »Ach? Von dem Musa bilden Sie sich auch ein, daß er in Sie verliebt ist?«

      »Höflich sind und bleiben Sie, Herr Korts, das muß Ihnen der Neid lassen. Auf ein bißchen mehr Anstand können Sie aber ruhig trainieren, wenn Sie jetzt zu Grevenhagen hinübergehen wollen.«

      »Und Sie können ein bißchen auf Dame lernen.«

      »Was soll das heißen?«

      »Daß sich eine Dame nicht so hinsetzen würde, wie Sie hier sitzen.« Korts Augen hatten sich auf die Knie gerichtet, die von den Georgettezipfeln weit hinauf freigegeben waren.

      »Sie sind wohl verrückt, mir Derartiges zu sagen? Was fällt Ihnen denn eigentlich ein? In Ihrer Wohnkultur daheim hat es vermutlich keine Couch gegeben, auf der sich eine Dame niederlassen könnte?«

      Korts sprang auf. Sein Gesicht war puterrot bis zu den Schläfen. »Fräulein Hüsch …!«

      Das Mädchen blies den Rauch der Zigarette herausfordernd in die Luft. Einen Augenblick war es, als ob Korts sich auf sie stürzen würde, dann aber wandte er sich um und trat zum Fenster. Seine Hände verschränkten sich auf dem Rücken.

      »Das bereuen Sie noch …«, sagte er, ohne sich umzusehen.

      Fräulein Hüsch schlug die Asche ab und lächelte vor sich hin.

      »Heut probier’ ich mal, ob Grevenhagen wirklich für alle anderen Frauen unempfindlich ist. Jeder Typ wird jedem Mann schließlich auf die Dauer langweilig …«

      Korts kam vom Fenster zurück. »Gut, daß Sie das selber einsehen. Eben ist übrigens Ihr Musa drüben durch die schmiedeeiserne Pforte gewandelt.«

      »Ein interessanter Mensch, finden Sie nicht auch, Herr Wichmann? Wieso verkehrt er eigentlich bei Grevenhagen? Durch den Dienst oder durch den Klub?«

      »Das weiß