Jakobus 4, 7-10 (Luther)
7 So seid nun Gott untertänig. Widersteht dem Teufel, so flieht er von euch. 8 Nahet euch zu Gott, so nahet er sich zu euch. Reinigt die Hände, ihr Sünder, und heiligt eure Herzen, ihr Wankelmütigen. 9 Werdet eures Elends inne und traget Leid und weinet; euer Lachen verkehre sich in Weinen und eure Freude in Traurigkeit. 10 Demütigt euch vor dem Herrn, so wird er euch erhöhen.
Das Gebot »So seid nun Gott untertänig« bekommt in diesem Zusammenhang eine andere Farbe. Wir sehen nicht mehr den bedrohlichen Unterton in der Stimme Gottes, dass wir uns ihm gefälligst unterordnen sollen, sondern wir erkennen darin die Aufforderung, uns weiter von Gott lieben und beschenken zu lassen.
Das führt zu einer sofortigen Reaktion, die jeder kennt, der geliebt ist. Er fühlt sich bestätigt, er fühlt sich wohl, und er wird stark! Aus diesem Grunde folgt unvermittelt die Aufforderung, dass wir dem Teufel widerstehen sollen, was nur ein Mensch mit Selbstwertgefühl, der Geschützte und der Bejahte beherzigen kann. Daraufhin wird er dann sehen, wie der Feind von ihm flieht.
Auch der nächste Vers gewinnt durch diesen Zusammenhang. Es wird von uns nicht mehr die Vorleistung erwartet, die uns das Wort »Nahet euch zu Gott, so naht er sich zu euch«, suggerieren könnte. Erst müssen wir unsere Leistung bringen, dann ist Gott geneigt, auf uns zu reagieren. Vielmehr wird uns damit nahegelegt, dass wir uns ihm in Kenntnis von Gottes Wesen, der Liebe des Geistes, immer wieder nähern sollen, damit Gott dann das Votum bekommt, sich uns seinerseits zu nahen.
Dahinter steht also derselbe göttliche Regelkreis: Wenn wir uns der Liebe Gottes und seiner Gegenwart aussetzen, was schon für sich ein Segen ist, dann reagiert der Herr erneut. Er gibt noch mehr Liebe und noch mehr Gnade. Diese macht uns stark, so dass wir die Autorität gewinnen, die wir vorher als unsichere und ungeliebte Menschen nicht aufbringen konnten. So haben also die Erfahrungen der Liebe durch den Heiligen Geist unmittelbare Auswirkungen auf unseren Schutz und unser Selbstwertgefühl. Empfangene Liebe kehrt die Verhältnisse um: Nicht mehr wir fühlen uns gejagt und bedroht, sondern der Teufel ist es, der dann von uns flieht.
Die letzten Verse greifen dann wieder den Zusammenhang auf, mit dem dieser Abschnitt beginnt: Wer doch in seiner Sünde bleibt und damit Feind Gottes wird – hier wird der Gläubige auf Abwegen sogar Sünder genannt, soll sich reinigen, sein Herz heiligen, sich von der Wankelmütigkeit trennen und sich seines ganzen Elends bewusst werden. Derjenige, der die Liebe des Herrn nicht angenommen hat und deswegen nicht genießen kann, soll sein Leid einsehen; sein Lachen soll sich in Weinen verkehren und seine Freude in Trauer, damit er, über Ehrlichkeit und Einsicht seiner Hilfsbedürftigkeit, den Trost und die Liebe des Heiligen Geistes empfangen kann und dadurch wieder Gnade bekommt und durch Gnade erhöht wird (Vers 10].
Nur wenn man diesen Hintergrund sieht, kann man diese bedrohlich anmutenden Verse verstehen, die in einem totalen Kontrast zu allen anderen neutestamentlichen Aussagen stehen. (Vielleicht stellt Vers 8 die einzige Erwähnung von Gläubigen als Sünder im gesamten Neuen Testament dar?) An der Heftigkeit der Aufforderung zur Umkehr aus dem Zustand von Unabhängigkeit und Selbstsicherheit kann man erkennen, wie entscheidend es ist, dass wir unsere Selbstsicherheit aufgeben, um dadurch für Gottes Liebe empfänglich zu werden.
Sobald wir nicht mehr ständig neu Liebe tanken und neu von Gottes Liebe entzündet werden, geht unsere Begeisterungsfähigkeit, die Frische und auch die Wahrhaftigkeit in die Brüche, und die Sünde, die immer auch eine Sünde der Unabhängigkeit ist, schleicht sich ein.
Das ist wohl auch gemeint, wenn Jesus in dem Sendschreiben an die Gemeinde in Ephesus die Gläubigen auffordert, wieder zur ersten Liebe zurückzukehren, die sie verlassen haben (Offenbarung 2,4). Es heißt nicht, dass sie aufgehört haben zu lieben, sondern dass sie die Liebe verlassen haben, was ein anderes Wort dafür ist, dass sie nicht mehr unter der ständigen Einwirkung der Liebe Gottes geblieben sind. Die Liebe Gottes nicht anzunehmen, und sich nicht lieben zu lassen, das ist die große Sünde! Vielleicht erscheint das in den Augen mancher Leser überraschend und sonderbar. Aber darin klingt der Tenor des Evangeliums an, wonach nicht wir bestimmte Dinge und Leistungen oder unseren Gehorsam bringen, sondern uns nur die Einsicht vermitteln lassen sollen, dass wir nichts bringen können und dass wir beschenkt werden müssen.
Das ist die Mitte des Evangeliums. Wer sich nicht beschenken lässt, lebt schon praktisch in der Unabhängigkeit, weil er meint, dass er bestimmte Geschenke nicht brauche. Das ist die eigentliche Sünde, die auch der Grund dafür ist, dass wir alle zu lange auf einem zu geringen Liebes- und Glaubensniveau lebten. Was wir nun heute sehen können, dass mittlerweile schon Millionen von Christen zu einer ganz anderen Dimension von Liebe und Begeisterung durchgedrungen sind, das hat mit diesen scheinbar unwichtigen Hintergrundumständen zu tun.
4 Von der Liebe zur Freude
Wir untersuchen die Hintergründe der neuen Bewegung des Heiligen Geistes, weil diese nur von den biblischen Deutungen verstehbar sind und nicht dadurch, dass wir ständig und wie gebannt auf die Außenphänomene starren. Wir haben bis jetzt festgestellt, dass die wesentliche Erfahrung, die der Heilige Geist vermittelt, schlicht Liebe ist. Gemeint ist eine Liebe, die erfahrbar und spürbar ist.
Aber das herausragende Moment in dieser neuen Bewegung scheint nach allen Beobachtungen eher Freude zu sein, die sich in Begeisterung, Bewegtheit, aber auch in tiefgehender Innenfreude äußert. Wie passt das zusammen und welche Verbindungen bestehen zwischen beiden Erlebnisinhalten?
Es ist tatsächlich augenscheinlich, dass das Moment der Freude überwiegt, was aber auch nicht verwunderlich ist, weil Freude stärker und sinnenkundiger ausgedrückt werden kann als Liebe. Liebe und Freude sind eng miteinander verbunden und dem Geliebtsein wird und muss Freude folgen. Wir sehen bei jedem verliebten Paar, wie sich Liebe und Geliebtwerden in vermehrter Freude und Fröhlichkeit ausdrückt. Liebe kann nicht verborgen bleiben. Es macht einfach Spaß, geliebt zu sein und dann mit der Gemütsbewegung der Freude, empfangene Liebe zu erwidern.
Genau das sehen wir in den Ausführungen Jesu über die Beziehung von Liebe und Freude im 15. Kapitel des Johannesevangeliums. Auch dieses Kapitel gehört zu den drei »Heiliggeistkapiteln« wiewohl über weite Teile scheinbar die spezifische Thematik des Heiligen Geistes nicht erwähnt wird. Dennoch handelt das Kapitel von den klassischen Auswirkungen und Erfahrungen des Heiligen Geistes. In diesem Kapitel werden wir uns den Inhalt von Johannes 15, über mehrere Abschnitte verteilt, ansehen.
Johannes 15, 9-11
9 Wie der Vater mich geliebt hat, habe auch ich euch geliebt; bleibt in meiner Liebe. 10 Wenn ihr meine Gebote haltet, so werdet ihr in meiner Liebe bleiben, wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe. 11 Dies habe ich zu euch geredet, damit meine Freude in euch sei und eure Freude völlig werde.
In diesen Ausführungen Jesu ist sein Programm enthalten, wie er uns durch den Heiligen Geist zu einem Leben der Freude führen will. Die Worte sind zunächst einmal an seine Jünger gerichtet, die die Liebe direkt von ihm entgegennehmen konnten, solange er unter ihnen war. Aber wir wissen ja, dass Jesus im Himmel ist und an der Seite des Vaters auf dem Thron Gottes sitzt. Die Liebe, die er uns zuteilwerden lässt, schüttet er nun über den Heiligen Geist in unser Herz aus. Wenn wir die Anweisungen Jesu über die Wichtigkeit des Dienstes des Heiligen Geistes ernst nehmen, gilt für uns heute, dass wir uns seine Liebe vom Heiligen Geist holen.
Die Erfahrung der Freude beginnt damit, dass wir uns lieben lassen. Jesus nimmt es auch für sich selbst in Anspruch, dass er sich von seinem Vater lieben lässt. Wie nun Jesus selbst in der Liebe des Vaters blieb, so sollen auch wir in seiner Liebe bleiben.
Das ist eine Wiederholung. Auch das Nehmen und die Zulassung der Liebe Jesu soll sich ständig wiederholen: Die Liebe Jesu gleicht einem ständigen Strom, der fortwährend auf uns gerichtet