Nun soll Timotheus durch einen Glaubensakt selbst dafür sorgen, dass dieser Heilige Geist, der ihm bereits gegeben ist, der aber offensichtlich im Leben des Timotheus nicht sehr wirksam geworden ist, durch seinen Glauben aktiviert wird. Paulus muss das schon einige Male gemacht haben, denn im Griechischen finden wir die Aussage, dass er ihn immer wieder daran erinnert. Das schließt ein, dass er diese Bitten wiederholt vorgetragen hat.
Was Paulus Timotheus empfiehlt, ist bei näherem Hinsehen eine ganz und gar ungewöhnliche Maßnahme. Sie legt zwingend den Schluss nahe, dass der Heilige Geist auf Sparflamme in Timotheus’ Herzen lebte, sich gleichsam zurückgezogen hatte und auf seine Aktivierung wartete. Das bedeutet auch, dass der Heilige Geist nicht von sich aus tätig wird, sondern sich abhängig macht von der Willensentscheidung und der Einladung des Timotheus. Er sollte ihn entfachen (was für ein Bild, dass wir den Heiligen Geist entfachen!), und dann würde der Heilige Geist seine Wirksamkeit entfalten.
Dieser Begriff »entfachen«, im Griechischen heißt er anatsopyreo, enthält die Begriffe Leben und Feuer. Wir sollen den Heiligen Geist durch eine erneute Glaubenseinladung entfachen, zum Auflodern bringen und lebendig werden lassen. Wohlgemerkt, dieser ganze Vorgang ist ein Glaubensgeschehen.
Die Mitte dieser Glaubenshandlung besteht darin, dass wir dem Heiligen Geist Raum in uns geben, dass wir ihm die Erlaubnis geben, mehr in uns zu wirken, und ihm dann auch vertrauen, dass er sofort darauf reagiert.
Und so geschieht das auch regelmäßig. Das Leben mit dem Heiligen Geist ist nicht deshalb eine andere Art von Christsein, weil wir prinzipiell und einmalig die Notwendigkeit und den Bedarf seiner Anwesenheit bejaht haben. Vielmehr soll das Zusammenleben mit dem Heiligen Geist unsere ständige Lebensform werden. Sie drückt sich unter anderem dadurch aus, dass wir durch ständige, vielleicht gar nicht einmal ausdrücklich verbal vorgetragene, Glaubenseinladungen den Heiligen Geist ansprechen und seine Hilfe und Wirksamkeit erbitten.
Diese Aufgabe obliegt uns, die wir den Heiligen Geist bereits kennengelernt haben; das kann kein anderer für uns machen. Das konnte auch Paulus nicht für Timotheus leisten. Paulus hat augenscheinlich dazu beigetragen, dass Timotheus die Ersterfüllung mit dem Heiligen Geist bekam, aber nun ist Timotheus selbst gefordert.
Für Paulus’ Empfehlung an Timotheus gab es einen konkreten Grund. Wie schon angedeutet, hatte Timotheus zwar einen ungeheuchelten Glauben, aber er hat ihn nicht ausreichend angewandt. So kamen Furcht, Ängstlichkeit und ungebührliche Zurückhaltung in sein Leben. Paulus argumentiert nun, dass er durch eine neue Entfachung des Heiligen Geistes dessen Kraft, Liebe und auch Besonnenheit bei sich wirksam werden lassen könne. Indem er dieses Angebot dem Geist der Furcht gegenüberstellt, verrät er indirekt, dass das, was Timotheus quält, nicht nur die Furcht an sich ist, sondern eine indirekte Nachgiebigkeit gegenüber dem Geist, der dahinter ist. Der Geist dieser Welt ist ein Geist der Furcht, der sich selbst fürchtet und Furcht bei uns erzeugen will.
Das zu wissen, ist sehr wertvoll für uns, weil es uns vor der Täuschung bewahrt, dass wir im Teufel einen übermächtigen Gegner vor uns haben, der vor Kraft nur so strotzt. Er tut nur so, aber in Wirklichkeit ist er, als Geist der Furcht, voll von Furcht.
4. Mose 14,9
Nur empört euch nicht gegen den Herrn! Und fürchtet doch nicht das Volk des Landes, denn unser Brot werden sie sein! Ihr Schutz ist von ihnen gewichen, und der Herr ist mit uns. Fürchtet sie nicht!
Kaleb erklärt dem rebellischen Volk im Verlauf der Wüstenwanderung, dass sie keine Angst haben sollen vor den Kanaanitern, Weil ihr Schutz von ihnen gewichen sei. Ihr Schutz, das ist der oberste ihrer dämonischen Inspiratoren. Der Teufel, als der Oberste im Reich der Finsternis, ist auch der Furchtsamste. Der erste, der im konkreten Fall ausreißt, ist er. Sein Fußvolk muss dann die Suppe auslöffeln.
5.1 Gott hat uns den Geist der Kraft, der Liebe und der Disziplin gegeben
Wir haben bereits kennengelernt, dass der Heilige Geist ein Geist der Liebe ist. Indem wir diese Liebe auf dem genannten Glaubensweg übernehmen, können wir uns erfolgreich gegen die Furcht stellen, denn Gottes Wort sagt uns in 1. Johannes 4,18, dass die völlige Liebe die Furcht austreibt. Diese Formulierung legt ebenfalls nahe, dass die Schrift wirklich davon ausgeht, dass hinter der Furcht ein Geist der Furcht steht. Wenn Liebe Furcht austreibt, dann müssen wir unwillkürlich an die Wortwahl denken, die Jesus gebraucht, wenn er von seiner Autorität über die finsteren Mächte spricht. Er hat durch den Heiligen Geist (den Finger Gottes, Lukas 11,19) die bösen Geister ausgetrieben, was uns ebenfalls aufgetragen ist zu tun.
Die Furcht ist nicht nur ein irgendwie gearteter Innenzustand. Die Innenbefindlichkeit der Angst und der Einschüchterung als Folge der Wahrnehmung einer Bedrohung, die größer ist als unser Schutz, ist vielmehr die direkte Auswirkung einer dämonischen Kraft. Das heißt natürlich nicht, dass diese in jedem Fall in uns sein muss. Es ist ja schon belästigend genug, wenn wir überhaupt von diesem Geist bedrängt werden, und sei es auch nur in seinen atmosphärischen Bedrohungen, die von außen auf uns einwirken.
Liebe ist ein hervorragender Schutz, einer der schönsten und verlässlichsten überhaupt. Wir sollen umfassend geschützt werden. Freude ist ein weiterer Schutz. Das Wort sagt, dass die Freude am Herrn unsere Festung sei (Nehemia 8,10). Auch seine Wahrheit, das heißt, die Kenntnis von allem, was er ist, was er getan hat, wozu er uns gemacht hat und was der Teufel nicht mehr ist, stellt einen hervorragenden Schutz dar.
Psalm 91,4
Mit seinen Schwingen deckt er dich, und du findest Zuflucht unter seinen Flügeln, Schild und Schutzwehr ist seine Treue.
Die Hoffnung ist ein Schutz für unsere Gedankenwelt und auch für das richtige Funktionieren der formalen Denktätigkeit (1. Thessalonicher 5,8); und dann werden in Epheser 6 noch der Schild des Glaubens, der Panzer der Gerechtigkeit und die Willigkeit, überhaupt das Evangelium voranzubringen, als unsere Schutzkleidung und Ausrüstung genannt.
Der Heilige Geist bewahrt uns vor Furcht, die immer einen mangelnden Schutz signalisiert. Er tut das einerseits durch die angebotene Liebe und andererseits durch die Vermittlung seiner Kraft und seiner Besonnenheit bzw. Disziplin. Dieser Schutz wird durch unsere Glaubensbekundungen gegenüber dem Heiligen Geist wirksam. Dadurch bekommt er Zutritt zu den inneren Zentren unserer Person.
In Epheser 3,16 wird uns gesagt, dass wir an unserem inneren Menschen durch den Heiligen Geist stark werden. Er will uns ständig aufbauen, er will uns Stabilität geben, er sorgt für gesundes Reagieren und für eine dicke geistliche und seelische Haut gegenüber äußeren Einflüssen und Attacken. Er bewirkt das alles, indem er allerdings das Wort Gottes kräftig benutzt, wie er überhaupt immer mit dem Wort zusammenarbeitet. Die Betonung aber liegt darauf, dass er das Entscheidende tut. Wir sollen uns nicht selbst schützen, sondern uns vom Heiligen Geist schützen lassen, der dazu das Wort Gottes gebraucht, aber auf unsere Glaubenssignale angewiesen ist.
Schließlich stellt sich der Heilige Geist noch als ein Geist der Zucht oder auch Besonnenheit dar. Dieser Begriff, der im Griechischen sophronismos heißt, kommt im Neuen Testament nur hier vor. Er hat ein interessantes, breites Bedeutungsspektrum. Zum einen meint er verständig, klug und nüchtern machen, dann auch mahnen und bessern, schließlich Besonnenheit und Mäßigung sowie Ehrbarkeit und Zucht im Sinne von Disziplin. Dieser umfassende Katalog von Eigenschaften und Aufgaben beschreibt, in welcher Weise der Heilige Geist uns helfen will, wenn wir ihn in dieser Qualität bewusst ansprechen und einladen.
Das ist also die andere Seite seiner Wirksamkeit. Er ist nicht nur kräftig, dynamisch und voller urwüchsiger Freude, er führt uns auch zum klugen, verständigen und besonnenen Reagieren, sodass wir auf neue Situationen nicht hektisch, panisch und überemotional oder affektgeladen reagieren. Die Besonnenheit,