OUTPOST. Gerd Frey. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerd Frey
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783957658524
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Putz und Staub lösten sich von der Decke. Die Umgebung begann, in große Artefakte zu zerfallen, die, dunstige Schlieren ziehend, davontrieben. Grelles Licht überblendete alles, dann nahm die Umgebung wieder feste Konturen an. Es dauerte einige Sekunden, bevor er begriff, dass er sich nun im Tank einer BrainStorm-XL-Maschine befand. Sein Kopf steckte in einem Sensorhelm, der im Innern mit einer weichen Polsterschicht bespannt war. Ein wenig irritierte ihn die Tatsache, dass er völlig nackt in der Kabine lag.

      Ein kurzes Klacken und der milchige Sichtschutz klappte zur Seite weg. Martin verließ das Gerät. Seine nackten Füße berührten kalten Boden. In dem kleinen Raum, in dem er sich jetzt befand, standen nur die BrainStorm-XL-Maschine und ein Verkaufsroboter. Martin misstraute der Situation, da er nirgendwo eine Tür entdecken konnte, die aus dem Zimmer hinausführte.

      »Ich hoffe, die Demonstration unserer revolutionären Real-Virtual-3-D-Technik fand Ihren Gefallen«, schnarrte der Roboter mit einprogrammierter Freundlichkeit.

      »Ich weiß, was ihr vorhabt«, brüllte Martin seine Wut hinaus. »Ihr wollt die Menschheit in eine riesige Bio-Supercomputer-Einheit verwandeln!«

      »Ich sehe da kein Problem«, entgegnete der Roboter mit fröhlich durch die Luft wirbelnden Greifarmen. »Die menschliche Zivilisation bekommt das, wonach sie sich am meisten sehnt – perfekte, auf jeden Geschmack zugeschnittene Unterhaltung –, und als nützlicher Nebeneffekt wird eure Existenz mit Sinnhaftigkeit erfüllt.«

      »… mit Sinnhaftigkeit erfüllt …«, äffte Martin den Roboter nach, als er begriff, dass er ihm sonst nichts entgegenzusetzen hatte.

      Der Roboter erstarrte inmitten seiner Bewegung. Stille durchdrang den Raum. Die Martin gegenüberliegende Wand verblasste und öffnete den Blick auf eine weite Ebene. Erneut trat ihm ein Wächter entgegen.

      »Deine Existenz muss beendet werden.« Staubgraue Worte. Kalt. »Dein Verhalten gefährdet das Gleichgewicht des Universums. Es manifestieren sich zurzeit pro Tartus mehre hundert Parallelwelten, um dein unbedachtes Handeln auszugleichen. Würde diese Entwicklung nicht gestoppt, entstünde völliges Chaos … vielleicht der Auslösemoment eines ›Black-in-Black-Hole‹, eines in ein schwarzes Loch gekapselten schwarzen Lochs. Wir können eine solche Gefährdungssituation nicht zulassen. Davon abgesehen scheinst du aus deinem Fehlverhalten nichts gelernt zu haben. Nach unseren Berechnungen bist du der alleinige Auslöser und das Zentrum dieser Veränderungen.«

      Der Wächter zog einen schwarzen Gegenstand aus seinem dunkelgrauen und faltenreichen Umhang … dann drückte er ab. Ein greller Blitz und eine ohrenbetäubende Explosion. Martins Körper zerfiel in seine chemischen Bestandteile. Jedes sammelte sich in einer Blase, die, wie aufgereihte Planeten, ungefähr einen Meter über dem Boden schwebten. Über allem thronte Martins Bewusstsein.

      In diesem Augenblick manifestierten sich weitere Wächter und begannen, den zuvor erschienen Wächter mit langen Papierbahnen zu umwickeln. Obwohl der Wächter sich gegen die ersten Attacken noch gut zur Wehr setzen konnte, war er den anderen hoffnungslos unterlegen.

      Martin bot sich ein groteskes Bild, das ihn an moderne Tanzaufführungen erinnerte. Wind kam auf und ließ die losen Papierenden wild flattern. Von dem Wächter war unter den dichten Schichten Zellstoff nach kurzer Zeit nichts mehr auszumachen. Einen Augenblick erschien die Szene wie erstarrt, dann ergriff der Wind den unbeweglichen Körper und trieb ihn in die Tiefen der Ebene.

      Stille …

      Die anderen Wächter kamen auf Martin zu.

      »Ein bedauerlicher Fehler«, sagten sie absolut synchron. »Eine Erklärung würde dein Begriffsvermögen sprengen.«

      In beeindruckender Gleichzeitigkeit zog jeder der Wächter einen schwarzen Gegenstand aus seinem Umhang und zielte damit auf Martins Brust. Ein kaum hörbares, synchrones Klacken.

      –

      Weißes Licht.

      –

      Martin hatte seinen Körper wieder.

      –

      Er stand nackt auf einer weiten Ebene.

      –

      Zu seinen Füßen erstreckte sich ein strukturloser weißer Boden. Unangenehme Kälte strahlte von ihm aus.

      –

      Über ihm ein diffuses, milchiges Grau.

      –

      Im Hintergrund das Flüstern einer Vielzahl von Stimmen.

      –

      Martin ging einige Schritte nach vorn. Ein nicht zu unterdrückendes Frösteln durchlief seinen Körper. Seine Nacktheit ließ ihn sich schutzlos und ausgeliefert fühlen.

      »Hallo«, rief er. Seine Stimme klang dünn und ohne jede Kraft. Er machte noch einige Schritte und blieb dann unentschlossen stehen. Das Frösteln kehrte zurück. Er zitterte so stark, dass ihm die Zähne aufeinander schlugen. Wenn er nicht bald hier weg kam, würde er an Unterkühlung sterben.

      »Hallo!«, rief er, so laut es ihm möglich war. »Ist da jemand? Hilfe!«

      –

      Zu seinen Füßen begannen sich gleichmäßige Linienmuster abzuzeichnen. An den Verläufen riss langsam der Boden auf und rollte sich zu unzähligen uhrfederartigen Gebilden zusammen.

      Ein Telefon klingelte.

      Martin schaute in die Richtung, aus der das Geräusch kam, und sah einen Ball auf sich zuspringen.

      Aus irgendeinem Grund wusste er, dass es sich um einen Telefonball handelte. Rot und von innen heraus pulsierend.

      Er griff danach, schälte den Hörer wie eine Bananenschale ab und hielt ihn ans Ohr.

      »Das Spiel ist aus!«, rief eine sich vor Freude fast überschlagende Stimme. »Danke, dass Sie sich für …

      –

      Martin unterbrach die Verbindung.

      Teufelssaat

      Kolvar streckte die Hände von sich, konzentrierte seine letzten Energien und heftete den Blick auf Marwaks schmächtige Gestalt. Marwaks ehemals prächtiges Zaubergewand war schmutzig und der edle Stoff an vielen Stellen aufgerissen. Die sich sonst auf dem dunklen samtenen Stoff bewegenden Sterne waren ihrer Leuchtkraft beraubt und gaben lediglich ein trübes Glimmen von sich. Marwak hatte seine Kräfte längst aufgebraucht und Kolvar musste ihm nur noch den Todesstoß versetzen. Einem Wirbelsturm gleich, kreisten Wolken über Marwak und das tosende Brausen eines mächtigen Orkans überdeckte alle anderen Geräusche. Der Zauberer schien nichts davon wahrzunehmen. Er versuchte vielmehr, davonzulaufen. Lächerlich! Erbärmlich!

      Kolvar hob die Hände, als wolle er einen unsichtbaren Gegner abwehren, der über ihm schwebte. Er formulierte in kurz und hart hervorgestoßenen Worten einen Zauberspruch und entfesselte damit die angesammelten magischen Energien. Eine weiße, von Blitzen umrankte Lichtsäule zuckte wie ein gleißender Hammer des Himmels auf den flüchtenden Magier nieder und stanzte ein breites und tiefes Loch in den Boden. Verflüssigtes Gestein spritzte empor und stürzte qualmend auf die umliegende Erde hinab.

      Dichter Rauch und Schwefelgestank breiteten sich aus.

      Brütende Hitze schlug Kolvar entgegen. Er näherte sich langsam dem kraterähnlichen Loch. An den Rändern tanzten fluoreszierende Lichter. Schmale Rauchfahnen schlängelten sich wie Geisterscheinungen zum Himmel. Die Szenerie erinnerte an alte Gemälde, auf denen die Künstler ihren Visionen einer Vorhölle Form gegeben hatten. Über ihn zogen dunkle Wolkenfetzen hinweg, zwischen denen hin und wieder eine altersschwache und fleckengesprenkelte Sonne hervorlugte, welche die zerrissene Landschaft in großflächigen Abschnitten in blutrotes Licht tauchte. Rechts erhob sich als schwarzer Schattenriss Marwaks prächtiges Anwesen. Ein düsteres Bauwerk, mit vielen hoch aufragenden Türmen. Welche Verschwendung! Marwak bewohnte nur einen winzigen Teil des schon Jahrtausende existierenden Schlosses und hatte den Rest verkommen lassen.

      Kolvar näherte sich