Ich sah überrascht auf. Jakub Kral stand vor mir und er schien irgendetwas sehr amüsant zu finden.
»Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so ernst bei der Sache ist.« In seinen Mundwinkeln zuckte es.
Ich sah ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Wie meinte er das? »Ich nehme meinen Job ernst, das ist alles«, erwiderte ich zögerlich.
Er nickte. »Gute Einstellung, aber ein bisschen Spaß bei der Arbeit ist auch nicht verkehrt, oder?«
Langsam lehnte ich mich zurück, ohne ihn aus den Augen zu lassen. »Die Arbeit im Stall und bei den Pferden macht mir Spaß, aber deshalb muss ich doch nicht dauernd grinsen.« Zu spät bemerkte ich den frechen Unterton in meiner Stimme und hätte mir am liebsten in den Hintern gekniffen, um mich daran zu erinnern, dass der Sohn des Chefs vor mir stand.
Trotz des kleinen Seitenhiebs lachte er jetzt ganz offen. Er zog sich ebenfalls einen Holzbock heran und legte seinen Sattel ab. Ohne eine weitere Erklärung griff er sich einen der Lappen, tunkte ihn erst in Wasser, rieb dann über die Seife und begann, den Sattel zu putzen.
Ich wusste nicht so recht, was ich davon halten sollte. Arbeitete er immer zusammen mit den Stallburschen? Seine Nähe irritierte mich ebenso wie seine lockere Art. Erneut musste ich mir ins Bewusstsein rufen, dass er mich für einen Jungen hielt. Es war gar nicht nötig, ihm zu zeigen, dass ich mich nicht einschüchtern ließ – er hatte es offensichtlich gar nicht vor.
Eine Zeit lang arbeiteten wir schweigend vor uns hin. Mir fiel auch leider nichts ein, worüber ich mich mit Jakub Kral unterhalten sollte. Ich kannte mich weder mit typischen Jungsthemen aus, noch hatten wir irgendeine Gemeinsamkeit. Oder?
Unvermittelt sah er auf, sodass ich für einen Augenblick glaubte, die Frage laut gestellt zu haben. »Ich bin Kuba«, sagte er. »Und wie heißt du?«
Ich starrte ihn an.
»Du hast doch einen Namen, oder?«
Ich räusperte mich. »Ash.«
Jetzt grinste er wieder. »Stimmbruch ist echt scheiße.«
Sofort fühlte ich, wie mir die Hitze in die Wangen schoss. Stimmbruch? Jakub Kral hielt mich für einen Jungen im Stimmbruch? Was für eine grauenhafte Vorstellung!
»Mach dir nichts draus, der verschwindet genauso schnell, wie er gekommen ist. Wie alt bist du denn?«
Angestrengt versuchte ich, mich zu konzentrieren. Wie alt waren Jungs, wenn sie im Stimmbruch waren? Jünger als ich, nahm ich an. Zu jung durfte ich mich jedoch auch nicht geben, am Ende bekam ich die Stelle dann deshalb nicht. Wie immer, wenn ich ratlos war, drängte die Wahrheit an die Oberfläche.
»Sechzehn«, antwortete ich leise.
»Oh! Hast du noch vor dem großen Rennen Geburtstag?«
Verdattert nickte ich. Kuba grinste noch mehr. »Kein Grund, sich zu schämen, oder?«
Ich murmelte etwas Unverständliches und wandte mich wieder meinem Sattel zu.
Doch Kuba ließ nicht locker. »Kommst du jeden Morgen mit deinem Pferd?«, fragte er mich weiter aus.
»Falls ich in Zukunft jeden Morgen kommen sollte, werde ich immer hierher reiten, ja«, erwiderte ich leicht gereizt. »Du bist ja ziemlich neugierig.« Schon wieder konnte ich mir einen frechen Kommentar nicht verkneifen.
Er lachte. »Apropos: Wo wohnst du denn?«
»Auf dem Sturmhof.«
Beinahe hätte ich mir die Hand vor den Mund geschlagen, aber die Antwort war heraus, bevor ich darüber nachdenken konnte. Kannte er Jiri näher? Wenn er ihn nach mir fragte, würde meine Lüge in kürzester Zeit auffliegen.
»Ist das weit?«
An meiner Antwort schien Kuba zum Glück nichts aufgefallen zu sein. Trotzdem musste ich eine Möglichkeit finden, diesem Verhör zu entgehen. Wenn er mich weiter so ausquetschte, würde es extrem anstrengend werden.
Die Tür ging auf. »Der Chef will dich sehen.« Bruno stand mit verschränkten Armen in der Sattelkammer.
»Mach ihm doch nicht solche Angst!« Kuba warf einen Lappen nach dem Stallburschen, der ihn geschickt auffing und mit einem Grinsen wieder zurückschleuderte.
Ich legte ordentlich meine Sachen beiseite und folgte Bruno hinaus.
»Du weißt ja, wo es langgeht.«
Er ließ mich stehen, ohne nähere Erklärungen abzugeben. Mit hängendem Kopf wanderte ich hinüber zum Haupthaus. Mani öffnete mir wieder die Tür, und ihr prüfender Blick trug nicht gerade dazu bei, dass ich mich besser fühlte.
»Herr Kral wartet schon.«
Ich nickte stumm und ging den Flur hinunter. Je näher ich Herrn Krals Arbeitszimmer kam, desto schlechter fühlte ich mich. Es hing so viel daran, ob ich diesen Job bekommen würde oder nicht. Und seltsamerweise kam mir dabei nicht nur die Notwendigkeit des Geldverdienens in den Sinn. Die Art von Gemeinsamkeit, Zusammenhalt und Familienleben, die mir hier begegnet war, hatte ich seit Mas Tod nicht mehr erlebt. Mir war bis heute nicht bewusst gewesen, wie sehr mir all das gefehlt hatte. Der Tag auf dem Kralshof hatte ungeahnte Wünsche geweckt. Und ganz nebenbei hätte ich zu gern mehr Zeit gehabt, um Kuba näher kennenzulernen … Mit zusammengebissenen Zähnen klopfte ich an die Tür. Ich musste mich zusammenreißen, falls Herr Kral mich rausschmiss. Auf gar keinen Fall durfte ich anfangen zu weinen – das würde wirklich zu sehr nach Mädchen aussehen.
»Herein«, dröhnte es von der anderen Seite der Tür.
Meine Hand lag zittrig auf der Türklinke, und ich wagte nicht, sie herunterzudrücken. Ein Feigling zu sein war allerdings noch erbärmlicher als ein Versager. Also trat ich ein. Herr Kral erhob sich und kam auf mich zu. Meine Knie fühlten sich an wie Pudding, und alles, woran ich denken konnte, war, dass ich Dalibor verlieren würde, wenn ich diesen Job nicht bekam.
»Wie schätzt du deine Arbeit ein?«, fragte Herr Kral zu meiner Überraschung.
Ich zögerte. Das war eine Fangfrage.
In Gedanken sah ich Mas strengen Gesichtsausdruck vor mir, wenn ich meine Leistung nicht ehrlich beurteilte. »Ich habe zu spät angefangen, weil ich noch mein Pferd versorgen musste, und mir ist ein Sattel heruntergefallen.« Ich schluckte. »Aber ich habe die Zeit nachgearbeitet. Ich bin fleißig und bereit, Überstunden zu machen. Es gibt sicher größere und kräftigere Stallburschen, aber niemanden, der seine Arbeit so ernst nimmt wie ich. Außerdem brauche ich diesen Job und ich kann gut mit Pferden umgehen … deshalb werden Sie niemand Besseren finden als mich.« Ich holte tief Luft. »Ich verzichte auch auf das Mittagessen, weil ich mir das nicht leisten kann.«
Nur die kleinen Lachfältchen um die Augen des Gutsherrn zeigten eine winzige Regung, ansonsten blieb sein Gesicht nahezu ausdruckslos. Er sah mich einen endlos langen Moment an, und ich glaubte schon, dass er meine Täuschung entlarvt hätte; doch dann nickte er.
»Wie ist dein Name?«
»Ash Valenta.«
»Ich kann Selbstüberschätzung nicht ausstehen, Ash«, sagte er kühl.
Mein Herz sackte ab.
»Aber ich stimme dir in fast allen Punkten zu. Ab morgen erwarte ich dich jeden Tag pünktlich um sieben. Die Zeit, um dein Pferd zu versorgen, hängst du abends dran, und am Ende des Monats erhältst du deinen Lohn im Wert von einem Ballen Heu. Auf das Mittagessen verzichtet allerdings keiner meiner Angestellten. Ich kann es mir nämlich nicht leisten, dass jemand bei der Arbeit umfällt, und deshalb gehört es für alle mit zum Lohn.« Er streckte seine Hand aus und wartete, dass ich einschlug.
Mir blieb vor Staunen der Mund offen stehen. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
Aber ich schlug ein.
Als ich