„Ein Mann aus dem fernen Land der Sachsen ist hier unterwegs. Seine Name ist Arnulf, wobei ich glaube, dass deine Barbarenzunge diesen Namen besser auszusprechen vermöge als ich.“
„Arnulf...“, murmelte Thorkild und wenn er dieses Wort über die Lippen brachte, klang der Name des fremden Ritters wie ein düsterer Fluch. „Schickt ihn der Kaiser aus Saxland?“
„So muss es wohl sein. Aber in der Geographie und der Politik der Ungläubigen des Nordens kennst du dich besser aus. Schließlich bist einer von ihnen!“
Thorkild Eisenbringer stieß ein paar düstere Verwünschungen in der Sprache der Nordmänner aus. „Lasst diesen Mann für mich töten, wenn er in Samarkand auftauchen sollte“, verlangte Thorkild.
„Du überschätzt meine Möglichkeiten, Eisenbringer!“
„Ihr wollt mir ernsthaft erzählen, dass man in Samarkand niemanden finden könnte, der diesen Mann zur Strecke bringen könnte, sobald er die Stadt erreicht hat?“
„Auf jeden Fall kann ich dir einen Boten schicken. Dann kannst du das selbst erledigen, Eisenbringer.“ Der Hofschreiber des Statthalters blickte auf und lächelte. „Niemand wird etwas dagegen haben, wenn die Ungläubigen untereinander dafür sorgen, dass sich ihre Anzahl verringert.“
Dann blickte er in Lis Richtung, die vielleicht etwas zu aufmerksam zu ihm hinübergesehen hatte. Dann sagte er auf Persisch: „Was siehst du mich so an? Fast könnte man meinen, dass du Griechisch verstehst, Papiermacherin.“
„Ich habe die Qualität Eures Papiers betrachtet“, erklärte Li in aller Ruhe, denn sie war sicher, dass Thorkild nichts darüber verraten würde, dass sie Griechisch sprach.
„Und?“, fragte der Hofschreiber des Statthalters und hob dabei die dunklen Augenbrauen. „Wie beurteilst du diese?“
Li hob den Blick. In ihrem Gesicht stand ein undurchdringliches Lächeln. „Ich werde alles dafür tun, dass Ihr auf so schlechtem Papier in Zukunft nicht mehr zu schreiben braucht, Herr!“, erklärte sie.
Achtes Kapitel: Ein Ritter aus Saxland
In der Nähe des Statthalter-Palastes von Samarkand lagen die Quartiere und Werkstätten von Schreibern und Papiermachern. Dort bekamen auch Meister Wang, Gao und Li eine Werkstatt zugewiesen, in der ansonsten noch ein halbes Dutzend weiterer Papiermacher beschäftigt war. Sie lebten und arbeiteten zusammen mit ihren Familien in der Werkstatt. Morgens nach Sonnenaufgang wurden die Schlafmatten fortgeräumt und die Arbeit begann. Die anderen Papiermacher sahen äußerlich wie Bewohner des Reiches der Mitte aus – aber kaum einer von ihnen sprach noch mehr als ein paar Worte in der Sprache des Han-Volkes. Ihre Vorfahren waren einst als Kriegsgefangene hier her gelangt und inzwischen hatten ihre Kinder und Kindeskinder nicht nur den Glauben an die Lehre Mohammeds angenommen, sondern trugen auch Namen, wie sie unter der Muslime üblich waren. Angeblich hatte man ihnen nur gestattet, gläubige Frauen aus Mawarannahr zu nehmen, die dann eine Gewähr dafür boten, dass ihre Kinder im Sinne der Lehre Mohammeds erzogen wurden.
Der Leiter der Werkstatt, der auch Meister Wang, Li und Gao zugeteilt waren, trug den Namen Mohammed, wie der Prophet selbst.
„Ihr müsst euch einfügen, dann wird euch alles gelingen. Die Zeiten an den Pressen sind genau eingeteilt und die Lumpen zerstampfen wir gemeinsam. Aber wer welche und wie viele Blätter gefertigt hat, wird genau registriert und es wird sich keiner von euch darauf herausreden können, dass ein anderer nicht gut genug gearbeitet hat, wenn das Papier nicht die nötige Qualität aufweist.“
„Man wird mit der Qualität zufrieden sein, die wir liefern“, erklärte Meister Wang, wobei er sich zwar leicht verbeugte, aber dennoch keinen Zweifel daran aufkommen ließ, dass er diese Worte genauso gemeint hatte, wie sie von ihm gesagt worden waren.
„Ich werde euch zuteilen, welche Blätter ihr zu fertigen habt“, erklärte Mohammed. „Bei mir gehen die Aufträge ein, die dann umgehend zu erledigen sind. Wir stellen Papiere her, aus den Bücher gemacht werden und solche, die für die Dokumente des Statthalters taugen müssen oder für andere Urkunden, bei denen es darauf ankommt, dass sie lange haltbar sind und man sie nicht fälschen kann...“
„So wendet Ihr die Kunst des Wasserzeichens an?“, erkundigte sich Meister Wang.
Meister Mohammed sah ihn stirnrunzelnd an. „Ich habe davon gehört und vor langer Zeit habe ich auf dem Basar mal ein Bogenpapier erworben, das ein Wasserzeichen trug. Ich kaufte den Bogen, weil er mit Zeichen bemalt war, in denen im fernen Reich der Mitte geschrieben wird...“
„Ein Stück Erinnerung an das Reich der Vorfahren...“
„Abgesehen von unserer Kunst des Papiermachens ist nicht viel von dieser Erinnerung geblieben“, sagte Mohammed. „Und selbst davon hat sich nicht alles erhalten... Ihr kennt das Geheimnis der Wasserzeichen?“
„Gewiss. Man braucht ein dünnes Eisen oder Kupfer, das sich biegen lässt, ohne gleich zu brechen. Das legt man beim Schöpfen auf das Sieb. Die jeweilige Form bildet dann ein Zeichen, das sichtbar wird, wenn man Licht durch das Papier hindurchscheinen lässt, denn dort, wo das Metall war, ist die Dicke des Papiers geringer.“
„Und ein Dokument, das nicht das Wasserzeichen des Statthalters trägt, ist schon deshalb als Fälschung von einem Original unterscheidbar!“, nickte Meister Mohammed. „Vorausgesetzt natürlich, das Wasserzeichen selbst wird gut aufbewahrt, ebenso wie die Papiere, in die dieses Zeichen hineingelegt wurde!“
„Meine Tochter ist sehr geschickt darin, solche Zeichen zu formen“, erklärte Meister Wang. „Meinen eigenen Fingern mangelt es da manchmal an der nötigen Geschicklichkeit und Geschmeidigkeit. Und so habe ich diesen Arbeitsschritt zumeist ihr überlassen.“
Mohammed wandte sich an Li und musterte sie von oben bis unten. In den gepflegten Gewändern, die sie erhalten hatte, kam sie sich jedenfalls nicht mehr wie eine in Lumpen gehüllte Vogelscheuche vor. So, wie ihr die Frau mit den freundlichen Augen im Badehaus geraten hatte, bedeckte sie auch ihr samtschwarzes Haar mit dem Kopftuch.
„Du bist nicht die erste Frau, von der ich weiß, dass sie Geschick beim Schöpfen bewiesen hat“, erklärte er. In den Werkstätten mussten sogar die Kinder oft mithelfen, denn anders war die viele Arbeit gar nicht zu bewältigen.
„Ich habe keinen Sohn und meine Kunst sollte nicht eines Tages mit mir sterben“, erklärte Meister Wang. „So habe ich mich bemüht, sie außer meinem Lehrling auch an meine Tochter weiterzugeben“, erklärte Meister Wang. „Und ich kann sagen, dass sie in diesem Handwerk mir inzwischen ebenbürtig ist. Es gibt nichts, was sie