Seewölfe Paket 11. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395002
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sie seinem Rudergänger.

      Pete nickte. „Da ist also fast die ganze Südwestküste von Sumatra mitsamt der Straße von Mentawai und den zugehörigen Inseln drauf.“

      „Richtig, Pete, und wir befinden uns in unserer jetzigen Position ungefähr hier, wie ich errechnet habe“, sagte Hasard. Er deutete mit der Kuppe seines Zeigefingers auf die südliche Einfahrt der Meeresstraße. „An der winzigen Insel Mega sind wir schon vorbei, jetzt liegen wir etwa auf der Mitte zwischen der Insel Süd-Pagai und einem Küstenstrich rund hundert Meilen nördlich von Bengkulu.“

      „Bengkulu?“

      „Nach dem Randbemerkungen, mit denen diese Karte versehen ist, ist das ein größeres Dorf der Eingeborenen. Es wird auch Bangkahulu genannt.“

      Pete warf noch einen Blick auf die Karte und sagte: „Ich verstehe schon, das ist eine der Roteiros, der Seekarten der Spanier, die wir ihnen seinerzeit abgenommen haben.“

      „Ja.“

      „Wie gut, daß wir sie haben“, meinte Pete grinsend. „Da wir die Mentawai-Straße noch nie durchsegelt haben, dürfte sie uns vor einigen Überraschungen bewahren.“

      „Du sprichst doch wohl hoffentlich nicht von den Überraschungen, die Old O’Flynn andauernd heraufbeschwört?“

      „Nein, natürlich nicht“, gab Pete lachend zurück. „Sir, ich meine Riffs und andere Untiefen, tückische Strömungen und sandige Landzungen, die uns im Weg sein könnten. Die Roteiros der Spanier sind in diesen Punkten doch sehr präzise, nicht wahr?“

      „Allerdings. Soweit ich festgestellt habe, stellt nur die Insel Pini, die weiter nördlich mitten in der Straße liegt und zu den sogenannten Batu-Inseln zählt, ein großes, aber weithin sichtbares Hindernis für uns dar.“

      „Keine Probleme also?“

      „Vorerst nicht.“

      „Und Bengkulu?“

      „Das hat keine Bedeutung für uns. Ich schätze, auch die Spanier benutzen es lediglich als Orientierungsmarke.“

      Pete korrigierte die Ruderstellung, dann sah er seinem Kapitän ins Gesicht. „Vielleicht liegen vor und bei Bengkulu aber Seeräuber, die uns noch die Hölle heiß machen könnten.“

      „Etwa so wie damals vor Malakka?“ fragte der Seewolf lächelnd.

      „Nun, es könnte doch zumindest wahrscheinlich sein, daß sich hier Piratenbanden herumtreiben und die Gewässer verunsichern.“

      „Möglich ist alles“, sagte Hasard. „Aber wir können unser Schicksal nicht beeinflussen. Lassen wir die Dinge auf uns zukommen. Wenn wir uns mit Freibeutern, Spaniern oder Portugiesen herumschlagen müssen, dann tun wir das auch. Was ich jetzt für vordringlich halte, ist die Notwendigkeit, uns vor dem Sturm zu schützen.“ Er wies nach Süden. „Nach einer Besserung sieht es mir nicht aus – bei der Gewitterfront, die sich da heranschiebt.“

      „Ich habe auch schon darüber nachgedacht.“

      „Und was würdest du an meiner Stelle tun?“

      „Abfallen und Kurs auf die Küste von Sumatra nehmen, Sir.“

      Hasard hob die Augenbrauen. „Nicht auf die nächste Insel?“

      „Nein. Das wäre Süd Pagai. Um sie anzulaufen, müßten wir von unserer jetzigen Position aus kreuzen“, antwortete Pete Ballie. „Das wäre ein großer Zeitverlust, außerdem würden wir dem Wetter entgegensegeln.“

      „Sehr gut, Pete“, sagte der Seewolf. „Genau das habe ich mir auch gesagt. Wir gehen auf Nordkurs und laufen mit Backstagswind auf die Südwestküste Sumatras zu, die nur noch zwanzig, fünfundzwanzig Meilen entfernt liegen kann. Dort suchen wir uns dann eine Ankerbucht, falls der Sturm uns einholt und losbricht.“

      „Aye, Sir.“

      Hasard heftete die Karte an der Innenseite der Ruderhaus-Rückwand fest, beugte sich dann etwas hinaus und rief Ben Brighton, der inzwischen auch auf dem Achterdeck eingetroffen war, zu: „Ben, abfallen und Kurs Norden!“

      „Aye, Sir, Kurs Norden!“ bestätigte Ben. Er drehte sich zur Kuhl um, hielt sich mit beiden Händen an der Querbalustrade fest und gab den Befehl an Carberry und die Crew weiter.

      Der Profos scheuchte die Männer an die Schoten und Brassen.

      „Fünf Strich Steuerbord“, sagte Hasard zu Pete.

      „Aye, Sir, Ruder fünf Strich Steuerbord!“ Pete ließ das Rad unter seinen schwieligen Händen drehen. Die „Isabella“ fiel ab und richtete ihren Bugspriet genau nach Norden. Ihre Segel stellten sich fast in Querschiffsrichtung, und sie hielt mit zunehmender Fahrt auf Sumatra zu.

      Gary Andrews, der an diesem frühen Morgen Bill im Großmars abgelöst hatte, konnte durch seinen Messingkieker bald den grauschwarzen, ausgedehnten Strich erkennen, der sich über der heller werdenden Kimm erhob.

      Die große Insel lag vor ihnen.

      Morgan Young schreckte aus bizarren, grauenvollen Alpträumen hoch und verlor das Gleichgewicht. Entsetzt klammerte er sich an der Astgabel fest, auf der er in verkrümmter, unbequemer Körperhaltung eingeschlafen war. Er kippte nach links hinunter, konnte sich aber halten. Für einen Augenblick pendelte sein Leib über dem Dickicht, das gut fünfzehn Fuß unter ihm lag, dann fand er die Kraft, sich wieder hochzuziehen.

      Er atmete tief durch und blickte sich verstört um. Mit seinen schmutzstarrenden Fingern rieb er sich den Schlaf aus den Augen. Dann richtete er sich langsam auf der Gabel auf, lehnte sich mit dem Rücken gegen den oberen Ausläufer des dikken Stammes und spähte in das milchige Licht des jungen Morgens.

      Er sah in die Richtung, aus der der Wind blies – und plötzlich glitt ein Ausdruck tiefster Zufriedenheit über seine Züge. Was da unter den ersten Strahlen der Sonne glitzerte und schäumte, war das Meer. Keine Meile konnte das ihm so vertraute Element entfernt liegen, und dabei hatte er in der Nacht so verzweifelt danach gesucht!

      Er stieß ein heiseres Lachen aus. Erst jetzt fiel ihm ein, daß es ratsam war, seinen Körper auf Schlangenbisse zu untersuchen, aber so sehr er auch forschte, er vermochte keine Wunde zu entdecken. Er warf einen Blick zum Erdboden und hielt nach dem Tiger oder anderen Tieren Ausschau, konnte dort unten aber kein einziges Lebewesen entdecken.

      Es schien ihm eine glückliche Fügung des Himmels zu sein, daß er von all dem, was ihm seine Träume vorgetäuscht hatten, verschont geblieben war. Er lebte, war unversehrt, und jetzt, im zunehmenden Licht des Tages, wuchs seine Hoffnung auf endgültige Rettung.

      In einem Zustand euphorischen Triumphgefühls begann er den Abstieg. Den Säbel hatte er sich wieder in den Gurt gesteckt. Seine zusammengeketteten Hände behinderten ihn zwar in der Bewegung, aber er brachte es dennoch fertig, am Baumstamm hinunterzurutschen, ohne abzustürzen.

      So langte er auf dem Dschungelboden an und lief auf das Meer zu. Widerspenstiges Gestrüpp, das ihm den Weg verbaute, trennte er mit entschlossenen Säbelhieben durch. Nichts konnte ihn jetzt noch aufhalten.

      Nach etwa dreißig Schritten konnte er das Rauschen der Brandung vernehmen, und jetzt sog er mit der Atemluft auch den salzigen Duft des Wassers ein. Er lachte wieder, stolperte voran und empfand die Freiheit als etwas Großartiges, unendlich Wertvolles, das mehr bedeutete als jeder materielle Reichtum.

      Er befand sich in einem derartig heftigen Glückstaumel, daß er die Gefahr fast zu spät bemerkte.

      Schräg rechts vor ihm raschelte es im Dickicht, gleich darauf schob sich die Gestalt eines Mannes hervor. Young lief direkt auf ihn zu und prallte fast mit ihm zusammen. Erst wenige Schritte vor dem so unversehens aufgetauchten Mann sah er dessen spitzen Helm, den Brustpanzer und die Kürbishosen, und die Erkenntnis, einem spanischen Soldaten in die Arme gelaufen zu sein, traf ihn wie ein Schock.

      Der Soldat war jedoch genauso verblüfft wie Young. Auch er hatte mit einer Begegnung wie dieser nicht gerechnet – nicht nach einer schlaflosen Nacht, in der