Seewölfe Paket 11. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395002
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Nur durch kühle Überlegung konnte er sich einen Überblick über die Situation verschaffen und die richtige Entscheidung treffen.

      So hielt er auch einen seiner Offiziere zurück, der jetzt vortrat und mit dem Stiefel nach dem toten Sträfling ausholte.

      Die Soldaten, die die Flüchtlinge bis in den Busch hinein verfolgt hatten, waren soeben mit dem Leichnam Romeros zurückgekehrt und hatten ihn auf die Mitte der Lichtung geworfen.

      Don Felix hatte sich den Bericht der Unteroffiziere schweigend angehört. Längst hatte er angeordnet, daß das Tor des Palisadenlagers wieder verriegelt und doppelt abgesichert wurde, daß ein Trupp von Wachtposten im Inneren der Umzäunung Fackeln anzündete und die Sträflinge einen nach dem anderen durchsuchte.

      Irgendwelche Gerätschaften mußten den Gefangenen dazu gedient haben, sich von ihren Ketten zu befreien – und diese Werkzeuge mußten gefunden werden, um jeden Preis.

      „Lassen Sie das“, sagte Don Felix jetzt zu seinem Offizier. „Es ist unter unserer Würde, unsere Wut über den Vorfall an einem Toten auszulassen.“

      Der Mann fuhr zu ihm herum. „Aber Senor Comandante! Dieser Hund hat einen unserer Soldaten auf brutalste Weise erwürgt!“

      „Schweigen Sie!“ sagte der Kommandant scharf. „Er hat mit seinem Leben dafür bezahlt, das genügt mir. Und erwürgen ist immer brutal, das sollte Ihnen Ihr logischer Verstand sagen.“

      „Si, Senor.“

      Don Felix wies auf den Toten. „Wie war sein Name?“

      „Romero, Senor“, antwortete ein Unteroffizier wie aus der Pistole geschossen. „Der Nachname war nicht bekannt. Ein räudiger Bastardhund, Senor. Eine Schande, daß er sich überhaupt als echter Spanier bezeichnen durfte.“

      „Ersparen Sie sich Ihren Kommentar“, sagte Don Felix. „Wenn die Posten nicht unaufmerksam gewesen wären, hätten sie bemerkt, daß er etwas vorbereitete und die Möglichkeit hatte, sich seiner Ketten zu entledigen. Sie werden meine Kritik noch zu hören bekommen, Senores, und Sie werden eine Reihe von Vorwürfen über sich ergehen lassen müssen.“

      „Si, Senor“, murmelten die Männer.

      „Romero“, wiederholte Don Felix. „Der aufsässige Bursche mit den Taschenspielertricks. Ich hatte befohlen, ihn besonders scharf zu bewachen. Und was ist geschehen? Er hat sich selbst und einen seiner Kumpane befreit und ist geflohen.“ Mit strenger, zurechtweisender Miene sah er sich im Kreis seiner Männer um. „Dabei war keine Magie im Spiel, Senores. Er konnte das nur schaffen, weil wir geschlafen haben. Aber zurück zu dem anderen Entflohenen – wie war doch sein Name?“

      „Morgan Young.“

      „Richtig, Young. Ein ausgefuchster Kerl, der offenbar auch unterschätzt wurde.“

      „Im Dschungel wird er nicht weit gelangen“, meinte ein jüngerer Offizier.

      Don Felix wischte die Bemerkung mit einer herrischen Gebärde fort. „Darauf können wir uns nicht verlassen. Er ist uns entwischt, aber wir stellen jetzt sofort zwei starke Trupps zusammen, die die Suche im Urwald wieder aufnehmen. Ja, Sie haben richtig gehört, Senores. Wir fahnden die ganze Nacht über nach ihm, wenn es sein muß.“

      „Senor Comandante“, wagte der Offizier einzuwenden, der vorher nach dem toten Romero hatte treten wollen. „Das dürfte auch für uns lebensgefährlich sein. Sie wissen selbst am besten, welche unangenehmen Überraschungen im Busch auf uns lauern.“

      „Zwei zwanzigköpfige Trupps!“ rief Don Felix. „Sie übernehmen es, die Männer auszuwählen. Sie werden bis an die Zähne bewaffnet und mit großen Fackeln ausgerüstet. Die Raubtiere scheuen das Feuer!“

      „Zu Befehl, Senor Comandante!“

      „Ein dritter Trupp läuft mit zwei Pinassen und einer Schaluppe aus, um dem Engländer den Fluchtweg über die See abzuschneiden!“ fuhr Don Felix mit erhobener Stimme fort. „Acht Mann pro Boot! Wer den Kerl sieht, schießt sofort auf ihn. Ich bin nicht daran interessiert, ihn lebend ins Lager zurückzuholen! Wer ihn erwischt, erhält von mir eine Belohnung!“

      „Bei diesem Seegang werden die Boote kentern“, gab der jüngere Offizier zu bedenken. „Ein Sturm droht auszubrechen, Senor!“

      Jetzt ballte Don Felix zornig seine Hände zu Fäusten und begann doch zu schreien. „Mit wem habe ich es hier eigentlich zu tun? Mit Feiglingen? Jedes weitere Widerwort wird mit einer Disziplinarstrafe geahndet, merken Sie sich das! Und jetzt befolgen Sie augenblicklich meine Befehle, sonst lernen Sie mich von einer Seite kennen, die Ihnen bislang fremd war!“

      Er wollte noch etwas hinzufügen, wurde jedoch durch das Auftauchen eines Soldaten unterbrochen, der von den Palisaden herüberlief und einen Schlegel und ein Scharfeisen vorwies.

      „Das haben wir eben bei einem der Sträflinge gefunden, Senor Comandante!“ meldete der aufgeregt.

      „Bei wem?“ wollte Don Felix wissen.

      „Bei einem Kerl, der Jonny heißt. Er hat sich heftig gegen die Durchsuchung gewehrt. Wir mußten ihn niederschlagen, um die Werkzeuge überhaupt an uns zu bringen.“

      „Maldichos ingléses“, sagte der Lagerkommandant, nahm die Gerätschaften aus der Hand des Soldaten entgegen und betrachtete sie nachdenklich. „Diese verdammten Engländer, sie scheinen den Teufel im Leib zu haben. Dieser Jonny wäre also der nächste gewesen, der den Ausbruch aus dem Lager versucht hätte.“

      „Anscheinend ja“, meinte ein Teniente, ein Leutnant.

      Samaniego fixierte ihn mit einem stechenden Blick. „Anscheinend? Das hier ist ja wohl mehr als anscheinend.“ Er hielt dem Mann den Schlegel und das Scharfeisen hin. „Und das zieht noch etwas nach sich, darauf können Sie alle sich verlassen – nämlich eine genaue Untersuchung der Hintergründe für diese Ungeheuerlichkeit!“

      Er gab den Offizieren, von denen einige ziemlich betreten zu Boden sahen, einen Wink, und sie begannen, ihre präzisen Befehle zum Sammeln und Ausrücken zu erteilen.

      Rufe tönten durch die Nacht, Soldaten hasteten über den Lagerplatz, holten Musketen, Tromblons und Pistolen und bemannten die Boote, die an den hölzernen Anlegern schlingerten. Die Szene wurde von dem huschenden Licht der Fackeln begleitet.

      Don Felix schickte seine Suchtrupps mit der Order los, sich zunächst in südlicher Richtung zu bewegen. Er war sicher, daß Morgan Young versuchen würde, die Küste zu erreichen.

      Der Wind blies mit unverminderter Kraft in den Dschungel von Sumatra, aber er brachte keine Abkühlung. Die Wolken, die über das grüne Dach der Fieberhölle zogen, öffneten sich nicht zu rauschenden Regenschauern, und die schwüle Luft entlud sich nicht. Nur ab und zu zuckten Blitze, und in längeren Zeitabständen war das Grollen fernen Donners zu vernehmen. Das Inferno der Natur, das sich eigentlich jeden Augenblick hätte entfesseln müssen, fand nicht statt. Zäh und unendlich drükkend war die Atmosphäre der brütenden Feuchtigkeit, durch die Morgan Young voran taumelte.

      Er war der völligen Erschöpfung jetzt sehr nah, und seine Nerven wollten nicht mehr mitspielen. Im Nachhinein setzte ihm der Tod Romeros erheblich zu, er konnte das Ereignis doch nicht so schnell verarbeiten, wie er anfangs gedacht hatte.

      Die Arbeit unter der mörderischen Hitze, die er Tag für Tag mit den anderen Sträflingen zusammen hatte verrichten müssen, hatte ihre Spuren bei ihm hinterlassen und seine Energien stark herabgesetzt. All die Entbehrungen und Härten der letzten Zeit forderten jetzt ihren Tribut.

      Young stand kurz vor dem Zusammenbruch.

      Er verharrte und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Stamm eines großen, knorrigen Baumes. Er spreizte die Beine ein wenig und stemmte sie fest gegen den Untergrund, denn er wollte nicht zu Boden sinken. Nicht einschlafen, hämmerte er sich immer wieder ein, nur nicht einschlafen, sonst ist alles aus.

      Er schloß aber doch die Augen und verfiel für kurze Zeit in einen Zustand des Dahindämmerns. Seine Atemzüge wurden langsamer und regelmäßiger.