Seewölfe Paket 17. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397754
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      Sverre Olsen biß sich auf die Lippen. So gelangte er nicht weiter.

      „Tut mir leid!“ rief er. „Aber ich muß Sie festnehmen lassen! Der Hafenkapitän wird entscheiden, was mit Ihnen zu geschehen hat. Ihre Schaluppe ist beschlagnahmt!“

      Die beiden Kerle fluchten, schienen aber angesichts der auf sie gerichteten Musketen auf weiteren Widerstand zu verzichten. Nur als ein Wachboot längsseits gegangen war und sie gefesselt werden sollten, ging der Krawall wieder los. Aber zwei dänische Seesoldaten, die hinter sie geglitten waren, klopften ihnen die Pistolenläufe auf die Köpfe, und Sverre Olsen atmete auf. Endlich waren die Kerle gebändigt.

      Er übernahm sie zu sich an Bord und segelte mit der entmasteten Schaluppe im Schlepp in den Hafen von Helsingör.

      Ein paar Seesoldaten schleppten den Ohrring-Mann und den Fell-Mann ins Kittchen des Hafenkapitäns, der im Hafengebiet auch eine Art Polizeifunktion innehatte. Meist beherbergten die beiden Zellen in der Hafenkommandantur bezechte Seeleute, die dort ihren Rausch ausschliefen. Auch Randalierer wurden dort eingesperrt, die bei Wasser und Brot sehr schnell fromm wurden.

      Inzwischen untersuchte Sverre Olsen die Schaluppe. Was er da zutage förderte, war mehr als erstaunlich und trug dazu bei, ihn noch mehr zu verwirren.

      Erstens einmal waren diese beiden Kerle bestens bewaffnet gewesen. In einer länglichen Backskiste lagerten Hieb- und Stichwaffen nebst Musketen, Pistolen und Tromblons. Munition dafür war zur Genüge vorhanden, außerdem sechs Pulverfässer. Das reinste Waffenarsenal war das, noch dazu hervorragend gepflegt.

      Was diese beiden Kerle mit dem ganzen Schieß- und Blankwaffenzeug wollten, war ein Rätsel. Entweder sammelten sie Waffen – oder besser, hamsterten sie wie Eichhörnchen, die Bucheckern, Eicheln und Nüsse horten, oder sie handelten mit dem Kram. Eine dritte Möglichkeit war, daß sie die Absicht hatten, eine Räuberbande zu gründen.

      Als nächstes stellte Sverre Olsen fest, daß die Kerle keineswegs am Hungertuch genagt hatten – im Gegenteil. Der Vorrat reichte aus, um ein paar Wochen Fettlebe zu veranstalten und sich einen Bauch anzufressen. Zwei Weinfässer waren auch dabei – und noch ein Faß. Was war da denn drin?

      Sverre Olsen kostete. He-he! Das war doch Rum! O Mann! Einmal in seinem Leben hatte Sverre Olsen Rum getrunken. Der Kapitän eines holländischen Handelsfahrers hatte ihm eine Flasche geschenkt. Vor zwei Jahren war das gewesen. Als die Flasche leer gewesen war, hatte Sverre Olsen überkreuz gepeilt und die Kimm doppelt gesehen. Hastig verspundete er das Faß, aus dem es so verlockend duftete. Es ging ja nicht an, daß er sich hier einen andudelte, noch dazu mit Rum, der ihm nicht gehörte.

      Die dritte Entdeckung Sverre Olsens war dazu angetan, ihn vollends ins Bockshorn zu jagen.

      Die beiden Kerle waren stinkreich, jawohl! Die waren so reich, daß sie sich statt dieser armseligen Schaluppe eine ganze Galeone hätten kaufen können – und dann wären sie immer noch reich gewesen.

      Waren das Schatzräuber?

      Die Truhe, die Sverre Olsen aufgeklappt hatte, enthielt mehrere Lederbeutel voller erlesener Perlen, eine Kassette mit Goldmünzen, eine mit Silbermünzen, eine mit funkelndem Schmuck und weitere Lederbeutel mit Edelsteinen.

      Es war nicht zu fassen.

      Sverre Olsen hätte sich an diesen Schätzen bereichern können, aber er tat es nicht. Er war ein ehrlicher Mensch. Nein, daran dachte er nicht. Seine Gedanken wirbelten in andere Richtungen und beschäftigten sich mit der Frage, woher, um alles in der Welt, diese Schätze wohl stammen mochten und wie sie in den Besitz der beiden Kerle gelangt waren. Hatten sie sich deshalb so erbittert gewehrt, die Schaluppe kontrollieren zu lassen?

      Da war ein Verhör mit den Kerlen fällig.

      Sverre Olsen versiegelte die Truhe, ließ einen Posten vor der Schaluppe aufziehen, dem er die strikte Order gab, niemanden an Bord zu lassen, und eilte zur Kommandantur, um dem Hafenkapitän Bericht zu erstatten.

      Eric Hornborg, der Hafenkapitän, war ein dicklicher Mensch, pausbackig wie ein Engelchen, nur pflegen Engelchen keine Knollennase und listige Äuglein zu haben. Aber sonst stimmte der Vergleich, denn Engelchen sind auch keine Draufgänger, sondern friedliche Wesen mit sanftem Gemüt. Also, ein Draufgänger war Eric Hornborg nicht, und die durchaus manchmal auch gefährlichen Klippen seiner Tätigkeit als Hafenkapitän pflegte er mit List und Tücke zu umschiffen. Außerdem hatte er ja tüchtige Leute wie den Leutnant Sverre Olsen und die anderen Kapitäne der Wachboote samt deren Besatzungen.

      Na ja, vor zwei Monaten hatte er wegen des verdammten Sund-Piraten Aage Svensson arg in der Klemme gesteckt, aber mit ein bißchen Geschick und gutem Zureden war es ihm gelungen, diese englischen Teufelskerle unter ihrem Kapitän Killigrew gegen die Piraten zu mobilisieren. Sie hatten Svensson und seine Bande zur Strecke gebracht, und im Sund war wieder Ruhe eingekehrt – bis auf die Sache heute mit den beiden Kerlen.

      Jetzt lauschte er dem weiteren Bericht Sverre Olsens und staunte nicht schlecht, was der Leutnant alles in der Schaluppe entdeckt hatte. Da waren ihnen ja zwei seltsame Vögel ins Netz gegangen.

      „Hm-hm“, sagte er, als Sverre Olsen geendet hatte. Und noch einmal: „Hm-hm.“ Dann faltete er die Patschhändchen und drehte die Würstchendaumen umeinander, was er immer tat, wenn er nachdachte. Sverre Olsen kannte das schon und schaute geduldig zu. Am liebsten hätte er auch Däumchen gedreht. Es war so beruhigend. Aber es stand ihm nicht zu, den Hafenkapitän zu kopieren.

      Jetzt stützte der Hafenkapitän die beiden Würstchendaumen gegeneinander, so saß sie ein Dach bildeten, und sagte vorsichtig: „Was meinen Sie, Olsen, ob das Piraten sind?“ Das Wort „Piraten“ sprach er aus, als handele es sich um Mehlwürmer oder sonst was Grausliches.

      „Auszuschließen ist das nicht“, sagte Sverre Olsen etwas unschlüssig, weil er die beiden Kerle nach wie vor nicht einordnen konnte. Einerseits hatten sie sich als harte und gewitzte Kämpfer entpuppt, andererseits hatten sie niemanden totgeschlagen. „Wenn man“, fuhr er fort, „ganz üble Schnapphähne – wie etwa Aage Svensson – als Piraten bezeichnet, dann trifft das eigentlich für diese beiden Kerle nicht zu. Es sind wilde und rauhe Burschen, aber keine Schlagetots. Ihre Schaluppe haben sie meisterhaft beherrscht, genauso meisterhaft haben sie gekämpft, der eine mit den Fäusten, der andere mit der Pinne als Holzprügel. Ich hatte den Eindruck“, Sverre Olsen räusperte sich, „also ich hatte den Eindruck, als bereitete es ihnen einen Heidenspaß, sich mit unseren Seesoldaten herumzuprügeln.“

      „Ich bitte Sie!“ Der dicke Hafenkapitän runzelte die Stirn. „Wie kann man an so etwas Spaß haben? Das ist doch barbarisch – und dann noch mit den Fäusten oder einem Holzprügel. Warum haben sie nicht mit dem Degen oder Säbel gefochten?“

      „Das weiß ich nicht. Vielleicht wollten sie niemanden ernsthaft verletzen.“

      „Wir werden sie uns mal vorknöpfen“, sagte der Hafenkapitän und erhob sich ächzend hinter seinem Schreibtisch.

      Zusammen mit Sverre Olsen suchte er den Zellentrakt auf.

      Der Ohrring-Mann und der Fell-Mann waren wieder bei Bewußtsein. Man hatte ihnen die Fesseln abgenommen, da sie hinter den Gittern auf Nummer Sicher saßen. Die andere Zelle war leer.

      Der Fell-Mann hatte mächtig aufgebraßt. Er rüttelte an dem Gitter und feuerte volle Breitseiten von Schimpfnamen auf Sverre Olsen ab.

      Der kriegte wieder seine roten Ohren, als ihn der Fell-Mann einen dänischen Lümmel, einen abgewrackten Hurensohn und eine schiefgetakelte Vogelscheuche nannte. Na, das war noch harmlos gegen die Tiere, mit denen er verglichen wurde. Eine schwangere Kakerlake war auch dabei.

      Schließlich verlangte der Fell-Mann, mit seinem Kumpan sofort freigelassen zu werden.

      „Wenn Sie hier weiter herumrandalieren“, sagte der Hafenkapitän, „werden Sie ein paar Wochen einsitzen – jedenfalls so lange, bis man sich vernünftig mit Ihnen unterhalten kann.“

      „Hast du hier auch was zu sagen?“ fuhr ihn der Fell-Mann an.

      „Ich