Seewölfe Paket 17. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397754
Скачать книгу
sagte er, „ermordet.“

      Der Dicke starrte ihn bestürzt an. „Ermordet?“

      Hasard nickte. „Genau das. Ich wollte Sie in diesem Zusammenhang sowieso sprechen. Die polnische Krone setzt alles daran, den Bernsteinhandel an sich zu reißen. Dabei scheut sie auch nicht vor Mord zurück. Ein anderer Fall passierte in Hapsal oben an der estnischen Westküste. Dort hatte sich ein anderer Bernsteinhändler niedergelassen, ein Däne namens Thorsten Tyndall. Auch er wurde ermordet. Kennen Sie ihn vielleicht oder haben von ihm gehört?“

      Jetzt war der Dicke geradezu entsetzt. „Thorsten Tyndall, Sohn von Thor Tyndall? Natürlich kenne ich ihn. Ein feiner Mann. Mein Gott, das sind ja schlimme Nachrichten. Was für eine Welt!“ Er schüttelte fassungslos den Kopf, und seine Augen waren gar nicht mehr listig, sondern sehr betrübt. „Gerüchteweise hörte ich schon davon, daß sich die Polen in den Bernsteinhandel einschalten wollten, was uns Dänen gar nicht recht ist. Daß sie aber dabei Gewalt anwenden, verschlimmert die Sache. Gleich zwei Morde! Diese Unholde!“

      „Den Mörder von Thorsten Tyndall haben wir an Bord – als Gefangenen“, sagte Hasard. „Das ist auch der Grund, warum wir Helsingör anliefen, Mister Hornborg. Wir waren der Ansicht, daß er vor ein dänisches Gericht gehört. Darum möchten wir Ihnen diesen Mann übergeben. Selbstverständlich bin ich bereit, daß Sie meine Aussage zu diesem Fall protokollieren, damit die Anklage gegen den Mann erhoben werden kann. Er selbst hat erklärt, im Auftrag der polnischen Krone gehandelt zu haben, was ihn jedoch nach meinem Rechtsempfinden nicht entschuldigt. Aber bitte, das sollen Ihre Richter entscheiden. Übernehmen Sie den Mann?“

      „Natürlich, Kapitän Killigrew. Ich werde sofort ein paar Soldaten herbeordern, die ihn in Empfang nehmen können.“

      Hasard winkte ab. „Wenn es Ihnen recht ist, besorgen das meine Männer. Wir haben unsere Erfahrungen mit solchen Kerlen. Darum möchte ich Sie auch warnen. Lassen Sie den Mann scharf bewachen, und vergessen Sie nicht: Bei ihm geht es jetzt um Kopf und Kragen. Bei uns hat er bereits einen Ausbruch versucht.“

      Der Dicke nickte beklommen.

      Hasard wandte sich zu Carberry um: „Ed, hol bitte den Kerl aus der Piek. Nimm Sten und Matt mit. Und seht euch vor. Löst ihm nur die Fußfesseln, verstanden?“

      „Alles klar, Sir.“ Carberry winkte Stenmark und Matt Davies zu sich, schnappte sich im Vorbeigehen einen Belegnagel aus der Nagelbank des Großmastes und marschierte mit den beiden ab.

      Während Hasard dem Hafenkapitän nähere Einzelheiten über den Mordfall mitteilte – inzwischen war auch Arne von Manteuffel auf der „Isabella“ erschienen und wurde dem Dicken vorgestellt –, suchten Carberry und seine beiden Begleiter die Vorpiek auf und entriegelten das schwere Schott. Matt Davies leuchtete mit einer Öllampe in den miefigen Raum, der an Bord fast aller Schiffe für arme Sünder vorgesehen war. Hier wurden sie gewissermaßen weichgekocht und durften darüber nachdenken, warum sie in diesem Loch hockten.

      Dieses Loch war ein Prüfstein. Hier zeigte sich, aus was für einem Holz ein Mann geschnitzt war, aus Hartholz oder aus Weichholz, ob kernig oder morsch.

      Witold Woyda, seines Zeichens Generalkapitän in der polnischen Flotte, war morsch. Er blinzelte aus trüben Augen in den Lichtschein, seine Lippen zitterten, in seiner Miene spiegelte sich eine Mischung von Angst, kriechender Unterwürfigkeit und Haß.

      Das Äußere dieses Mannes hatte während des Zwangsaufenthaltes in der Vorpiek arg gelitten. Seine aufwendige Kleidung hatte naturgemäß allen Glanz verloren. Der Generalkapitän war zu einem verluderten Landstreicher geworden. Die zottelige, schmutzige Perücke trug zu diesem Eindruck bei. Sie saß verrutscht und schief auf seinem Kopf.

      „Jetzt ähnelt er unserem guten alten Plymmie in Plymouth“, sagte Matt Davies, „auch wenn ihm dessen Wabbelkinn fehlt.“

      „Beleidige meinen guten Freund Nathaniel Plymson nicht“, knurrte Carberry. „Das ist ein honoriger Mensch gegen diesen Lausekerl.“ Er schabte sich mit dem Daumen das Rammkinn und wurde tiefsinnig. „Wenn ich da an unseren Kapitän denke – damals auf der ‚Marygold‘. Da mußte ich ihn auch mal aus der Vorpiek holen, wo er geschmort hatte. Wißt ihr noch?“

      „Klar.“ Matt Davies grinste. „Da war er in Eisen geschlossen worden und hatte mit der Kette den Augbolzen aus dem Spantholz gedreht, um wenigstens eine Hand beim Kampf gegen die Ratten frei zu haben. Und zwei hat er dann mit der Kette zu Mus geschlagen.“

      Carberry nickte. „Unser Kapitän war in der Vorpiek nicht kleinzukriegen. Der hat noch gelacht. Zeiten waren das, Mann, Mann.“ Und dann fuhr er Witold Woyda an: „Hopp! Hoch mit dir, du Mistgurke!“

      Stenmark übertrug die Aufforderung Carberrys in die schwedische Sprache, die der Pole verstand. Aber er dachte nicht daran, aufzustehen. Auf dem Hintern rutschte er vom Schott weg, bis er mit dem Rücken gegen die Bordwand der Steuerbordseite stieß. Durch die wäre er am liebsten wohl auch noch durchgekrochen.

      „Ich – ich will nicht!“ greinte er.

      „Was hat er gesagt?“ schnauzte der Profos.

      „Er will nicht“, sagte Stenmark.

      „Thorsten Tyndall wollte auch nicht sterben!“ brüllte Carberry, zog sein Entermesser, sprang vor und zerschnitt die Fußfesseln des Generalkapitäns. Dann winkte er mit dem Belegnagel. „Steh auf!“ donnerte er. „Oder es setzt Hiebe mit dem Hölzchen hier!“

      Witold Woyda schlotterte am ganzen Körper und rutschte jetzt seitwärts an der Bordwand entlang, als rechne er sich auf diese lächerliche Weise noch eine Chance aus, dem grimmigen Profos zu entgehen.

      Der fackelte nicht lange, langte zu und hievte den Generalkapitän mit einem Ruck auf die Beine. Sofort sackte er wieder zusammen, als habe er Pudding in den Knien. Da packte ihn Carberry im Genick und schleifte ihn einfach neben sich her wie ein Bündel Lumpen, mit dem man auch nicht sehr sorgsam umzugehen braucht. In diesem Falle war es ein Bündel Knochen, zu denen keine Muskeln und Sehnen mehr zu gehören schienen, weil die Gliedmaßen herumschlackerten wie bei einer leblosen Gliederpuppe.

      Witold Woyda markierte den toten Mann, was ihm jedoch auch nichts nutzte. Carberry nahm auf solche Mätzchen keine Rücksicht. Allenfalls brachte ihn ein solches Gebaren noch mehr in Braß, zumal er den Kerl schleppen mußte. Daher hatte er nichts dagegen, wenn ihm – er schleppte ihn rechts – eine Ecke oder ein Stützpfosten im Weg war. Es bumste ein paar Male, wenn der Generalkapitän mit dem Kopf irgendwo aneckte. Beim zweiten Bums verlor er seine Perücke, die dann von Stenmark und Matt Davies abwechselnd weitergekickt wurde, bis sie Carberry zwischen den Beinen durchflog, weil Matt zu heftig zugetreten hatte.

      Auf so was war Carberry nicht geeicht. Nie hätte jemand zu behaupten gewagt, der eiserne Profos wäre schreckhaft. Ein Witz wäre das gewesen. Aber als dieses schwarze Zotteldings von hinten lautlos zwischen seinen Beinen hindurchhuschte und fast ebenso lautlos auf den Planken im Gang landete und sich überrollte, zuckte er zusammen und ließ den Generalkapitän fallen.

      Er schnellte zu Matt Davies und Stenmark herum. „Was war das?“

      Matt und Stenmark waren am Grinsen.

      „’ne Perücke“, sagte Matt.

      „Wie?“

      „Die Perücke von unserem lieben Witold“, sagte Stenmark. „Er hat sie verloren, und wir haben ein bißchen mit ihr gespielt.“

      Carberrys Stirnadern schwollen in beängstigender Weise an. Na, das kannten sie. Ein Vulkan war nichts dagegen, ein lächerlicher Pups war das. O ja, wenn Carberry Feuer spie, dann war Weltuntergang. Aye, aye, Sir, da konnte man nur noch die Ohren anlegen.

      „Er türmt!“ brüllte Matt Davies, und der Hakenmann versuchte nun wirklich nicht, den Profos vom Feuerspeien abzuhalten.

      Witold Woyda war wirklich gestartet und befand sich bereits dicht vor dem Niedergang.

      Carberry warf sich herum und raste hinter ihr her. Daß einer seiner Stiefel dabei die Perücke zu einem Nichts degradierte, bemerkte er nicht.