Seewölfe Paket 17. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397754
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bis abends Schnaps trinken konnte.

      Diese Vorstellung erregte ihn immer mehr, aber er sah auch ein, daß sie bloßes Wunschdenken war. Die beiden Kerle waren groß und sehr kräftig, und selbst wenn er mit ihnen fertig werden sollte, dann waren da immer noch die anderen in den Booten, denen das nicht entgehen würde.

      Aber herrlich auszuspinnen war dieser Gedanke, und er stellte sich vor, wie er mit drei gefangenen englischen Piraten nach Gdingen segelte und sie dort bei der polnischen Kommandantur der Miliz auslieferte.

      Wie einen Helden würden sie ihn feiern, und sein Name würde in aller Munde sein. Und der Schnaps würde überreichlich fließen. Natürlich nicht der einfache Rübenschnaps, das müßte dann schon ein erlesenes Wässerchen sein, etwa aus Roggen gebrannt, eins, das er sich sonst nicht leisten konnte und das immer nur die hohen Herren soffen.

      Berauschend war diese Vorstellung, aber leider undurchführbar, denn so verrückt, die Männer anzugreifen, war er dann doch nicht.

      Er verwarf diesen prächtigen Gedanken widerwillig, eben weil er nicht in die Tat umzusetzen war. Er hatte nicht einmal eine Waffe, jedenfalls keine richtige, mit der man etwas anfangen konnte.

      Ein paar Wortfetzen, die der Wind herüberwehte, vernahm er noch, ohne etwas davon zu verstehen.

      Peronnje, ein Jammer war das. Aber eins stand für ihn fest:

      Dieser Pirat, der jetzt gefesselt in seinem Erdloch lag, gehörte zu den suchenden Kerlen. Er war einer von ihnen, und er würde ihn hüten wie seinen Augapfel.

      Er blieb reglos liegen und kroch erst auf allen vieren wieder zu seiner Behausung zurück, als er die Männer nur noch ganz klein und sehr weit entfernt am Strand sah.

      Hasard ließ immer noch weitersegeln. Während er mit Dan am Strand verzweifelt weitersuchte, segelten die Boote die gesamte Nordküste der Halbinsel Hela und das dazugehörende Seegebiet ab.

      Die Suche wurde immer verzweifelter, immer angestrengter, doch von Gary Andrews fand sich keine Spur.

      Mittlerweile war es Mittag geworden, die letzte Hoffnung war zunichte.

      Hasard setzte sich in den Sand, stützte das Kinn in beide Hände und starrte über das Meer. So blieb er schweigend eine ganze Weile sitzen. In seinem Gesicht erschienen Falten, die sonst nicht dagewesen waren. Seine Lippen waren hart verkniffen.

      Nach einer Ewigkeit stand er auf und wischte sich mit einer resignierenden Bewegung über die Augen. Seine Stimme klang rauh und heiser.

      „Wir kehren um, Dan. Sage das den anderen. Wir segeln zurück und grasen noch einmal in langen und weiten Kreuzschlägen das Gebiet ab. Weiter östlich werden wir nichts finden, wir sind längst über den Punkt hinaus.“

      Dan O’Flynn schluckte hart, seine Antwort bestand ebenfalls nur aus einem unverständlichen Gemurmel.

      Er hob müde den Arm und gab den Booten Handzeichen. In allen saßen Männer, deren harte Gesichter Trauer ausdrückten, die aufs Wasser starrten und wie benommen wirkten.

      Etwas später segelten sie in langen Schlägen den Törn an der Küste zurück, diesmal weiter auseinandergezogen, bis sie schließlich wieder bei der „Isabella“ waren.

      Arne von Manteuffel sah seinen Vetter Hasard besorgt an. Schließlich legte er ihm die Hand auf die Schulter.

      „Ein schlimmer Tag“, sagte er leise. „Es läßt sich mit Worten allein nicht ausdrücken.“

      „Nein“, erwiderte Hasard, „es läßt sich nicht mit Worten sagen. Ich danke dir für deine Mithilfe, Arne.“

      „Die war selbstverständlich. Ich wünschte euch, es wäre anders ausgegangen.“

      Auf der „Wappen von Kolberg“ wurde die Jolle etwas später an Bord genommen. Auf der „Isabella“ hievten sie ebenfalls schweigend und in sich gekehrt die Boote an Deck.

      Matt, Blacky und Smoky standen mit käsigen Gesichtern an Deck und wußten nicht, wo sie ihre Hände lassen sollten. Sie wagten nicht aufzublicken.

      „Was jetzt, Sir?“ fragte Ben Brighton niedergeschlagen.

      Er mußte die Frage zweimal wiederholen, ehe der Seewolf antwortete. Sein Blick war leicht verschleiert, getrübt. Er schloß sekundenlang die Augen und stieß die Luft aus.

      „Es hofft der Mensch, solang er lebt“, sagte er leise. „Wir haben alles getan, alles versucht. Ich habe keine Hoffnung mehr.“

      Sie umstanden ihn schweigend, husteten oder krächzten unterdrückt und wußten nicht, was sie sagen sollten. Das Wissen um den Verlust ihres Kameraden bedrückte sie, Trauer stand in den Gesichtern, in den Augen schimmerte es feucht.

      Einmal, im Nildelta, im Kanal der Pharaonen, hatten sie den Verlust ihrer alten „Isabella“ beklagt und fast resigniert. Aber die war nur ein großes Stück Holz gewesen, auf jeder Werft ersetzbar, von jedem Schiffbaumeister wieder neu anzufertigen.

      Gary Andrews hingegen war ein Mensch und ein sehr harter Verlust, ein Kamerad, auf den absolut Verlaß war und der jetzt eine riesige Lücke hinterließ. Diese Lücke war nicht ersetzbar, niemand vermochte sie auszufüllen.

      Auch auf der „Wappen von Kolberg“ senkten sie die Köpfe, scharrten mit den Füßen und standen schweigend da, denn mittlerweile kannten sie jeden der Seewölfe und konnten mit ihnen fühlen.

      Es war einer der schwärzesten Tage in der Geschichte der Seewölfe.

      „Wir segeln weiter nach Rügenwalde“, sagte Hasard tonlos und mit steinernem Gesicht.

      Dann nahm er seinen Platz auf dem Achterdeck ein, aber er sah und hörte nichts von den Manövern wie Ankerlichten und Segelsetzen. Er war nicht daran beteiligt und fühlte sich wie ein Fremder auf seinem eigenen Schiff. Auf seinen Brustkorb drückten unsichtbare Gewalten, die ihm die Luft nahmen.

      Er drehte sich um und starrte nach achtern, nach Osten, dorthin, wo die See Gary Andrews zu sich genommen hatte. Er sprach kein Wort mehr, und die Männer, die scheu zu ihm hinblickten, bemerkten, daß sein Rücken gebeugt war.

      Auf allen Decks herrschte Totenstille. Marionetten standen dort herum, leblose Puppen, denen man die Fäden durchgeschnitten hatte.

      Ein Tag zum Verzweifeln.

      6.

      Der vermeintlich Ertrunkene war wieder bei Bewußtsein. Er fühlte sich ausgeruht, frisch und den Umständen nach ziemlich munter. Seine Lebensgeister waren wieder voll da, und auch an die zurückliegende Zeit vermochte er sich zu erinnern, bis er an den Strand gespült wurde.

      Mit wachen Augen sah er sich um und erkannte, daß jemand ihn gefesselt hatte und er in einem merkwürdigen Bau lag.

      Ein dämmeriges Erdloch war das, eine stinkende Fuchshöhle, deren Wände und Decke mit fauligem Holz abgedichtet und mit Seegras und trockenem Strandhafer gepolstert waren, damit der Sand nicht zwischen den Ritzen hindurchrieselte.

      Ein Geräusch drang ihm in die Ohren. Da war das leise Rauschen, Gurgeln und Knistern, als liefen kleine Wellen gegen einen flachen Strand an, ein unverkennbares Geräusch, das ihm sagte, daß er sich in unmittelbarer Nähe des Strandes befand.

      In dem erbärmlichen Loch gab es ein kleines Holzbord. Darauf lag ein zerfledderter Schlapphut, da hing eine alte Jacke, und da lagen auch ein Kanten Brot, ein Stück Salzspeck und ein paar runde Gegenstände, die er schließlich als Eier identifizierte. Möweneier dem Aussehen nach.

      Das übelste in dieser stinkenden Behausung war ein merkwürdiges Individuum, das ständig aus einer Kruke soff und beim Ausatmen und Rülpsen einen pestilenzartigen Gestank verbreitete.

      Erheitert entsann sich Gary an das Lieblingswort des Profos Edwin Carberry. „Rübenschwein“, sagte der von morgens bis abends.

      Natürlich ist ein Rübenschwein ein recht vager Begriff, überlegte Gary, er hatte auch nie darüber nachgedacht,