Seewölfe Paket 17. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397754
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schieben.

      Nach und nach erlahmten durch die Kälte seine Kräfte. Die Arme waren noch schwerer geworden, die Beine bewegte er mitunter kaum noch.

      Dann kam die Zeit, da er glaubte, er würde es doch nicht mehr schaffen. Das Land war viel zu weit weg. Er verspürte wieder diese unheimliche Mattigkeit und hatte nur noch den Wunsch, endlos lange zu schlafen, sich auszuruhen. Gleichzeitig wurde auch der Fluß seiner Gedanken träger. Er dachte kaum noch etwas. Alles rückte wie in geisterhafte neblige Fernen. Gleichgültigkeit kam auf, und er hatte den Wunsch, sich einfach sinken zu lassen, aufzugeben, sich nicht mehr abzustrampeln, weil es ja doch nichts mehr einbrachte und keinen Sinn hatte.

      Die Zeit tropfte endlos dahin. Eine Woge überrannte ihn. Er Verlor die Orientierung und schloß müde die Augen. Man kann sogar beim Schwimmen schlafen, dachte er schwach.

      Aber das war dann auch gleichzeitig das Ende. Noch einmal riß er sich zusammen, stellte entsetzt fest, daß er unwillkürlich die Richtung gewechselt hatte, und verfiel fast in Panik, als er sich nicht gleich zurechtfand.

      Ein verrücktes Ding war das. Augenblicklich war er munter und dachte in seiner ausweglosen Situation wieder an Pfannkuchen mit Sirup, als gäbe es nichts Wichtigeres auf der Welt. Dabei aß er sie gar nicht einmal so besonders gern, nur jetzt verspürte er seltsamerweise einen regelrechten Heißhunger darauf.

      Solche verrückten Gedanken gingen einem wohl durch den Kopf, wenn man gleich jämmerlich ersoff.

      Er schwamm weiter, bewegte sich aber kaum noch. Die Wellen stießen und schoben ihn, hoben ihn hoch, drückten ihn runter, spielten ihr tödliches Spiel mit ihm.

      Gary kämpfte gegen sich selbst. Da war schon wieder diese abgrundtiefe Müdigkeit, die Kälte, die Schwäche, die aussichtslose Lage, doch noch das Land zu erreichen, und die geheime Angst, ausgerechnet vielleicht in eine tief ins Land schneidende Bucht zu schwimmen, die kein Ende nahm.

      Einmal glaubte er das feine Klingen von weit entfernten Glocken zu vernehmen. Da war auch gleichzeitig ein ständiges Summen, das einschläfernd wirkte. Die Glocken klangen lauter, ihre Schläge waren dumpf und nachhallend, und in seinen Ohren war ein dunkles Brausen.

      Er spürte, daß er unterging. Er konnte nicht mehr. Die Kraft fehlte ihm, um Arme und Beine zu bewegen. Es war, als hielte ihn jemand erbarmungslos fest und ließe ihn nicht mehr weiterschwimmen. Oder zog ihn jemand ganz bewußt in die Tiefe?

      Er holte tief Luft, denn der Druck auf seinen Lungen wurde immer unerträglicher. In diesem Augenblick schien er von innen her zu explodieren. Statt der Luft sog er Salzwasser in seine Lungen, und ein höllisch brennender Schmerz weckte ihn augenblicklich.

      Wie ein Wilder schlug er um sich, hustete, krächzte und spie das brennende Salzwasser aus. Ein rasender Kopfschmerz plagte ihn, und er schnappte mit einem irren Schrei erneut nach Luft, strampelte und begann, wie ein ertrinkender Hund zu paddeln.

      Schlagartig erwachten seine Lebensgeister wieder. So deutlich wie eben hatte er den Tod durch Ertrinken noch nie gespürt. Nur noch ein weiterer falscher Atemzug, Wasser anstelle von Luft, und er hätte es nicht mehr durchgestanden.

      Verflucht, wo war denn die Küste? Er schwamm doch schon die ganze Nacht. Er konnte jetzt wirklich nicht mehr. Das Leben, das in ihn zurückfloß, hielt nicht lange an, es war nur das Aufbegehren eines Körpers, über den er keine Kontrolle mehr hatte.

      Er zitterte wie im Fieber, schüttelte sich, klapperte mit den. Zähnen und riß sich wieder zusammen.

      Noch hundert Yards, sagte er sich, dann habe ich es geschafft. Wenn ich dann immer noch kein Land vor mir habe, schaffe ich es nicht mehr, dann laß ich mich in die Tiefe sinken.

      Idiotisch, dachte er, als sei er gar nicht er selbst, aber der Kutscher würde die Pfannkuchen mit Sirup dann vielleicht dem Bordhund Plymmie geben, oder der dicke Paddy Rogers fraß sie. Der fraß sowieso am liebsten den ganzen Tag. Und jetzt lag er behäbig in der Koje und fror ganz bestimmt nicht.

      Dan O’Flynn müßte ihn doch eigentlich vermissen, überlegte er. Oder Smoky oder …

      Keiner vermißte ihn. Sie waren froh, daß er über Bord gegangen war, dann konnten sie ihre Pfannkuchen endlich in Ruhe allein mampfen, und vielleicht warfen sie noch ein paar Kerle über Bord, damit sie alles für sich allein hatten.

      In diesem Augenblick sah Gary Andrews ganz klar und erkannte, daß sich sein Geist zu verwirren begann. Eine merkwürdige Situation. Er wußte, daß er jetzt zu spinnen anfing, daß irgend etwas bei ihm aushakte.

      Klar und scharf gezeichnet sah er die Gesichter seiner Kameraden vor sich. Er sah das besorgte Gesicht Hasards und hörte ihn überlaut und deutlich fragen: „Wo, zum Teufel, kann Gary denn nur sein? Durchsucht noch einmal das ganze Schiff!“

      „Gary hat abgemustert, Sir“, sagte der Profos mit Grabesstimme. „Der große Kapitän hat ihn zur letzten Reise angeheuert.“

      „Bist du sicher, Profos?“

      „Wenn ich es doch sage, Sir, ganz sicher. Gary kommt nie wieder!“

      Gary kommt nie wieder! hämmerte es wie mit riesigen Gongs durch seinen Schädel. Nie wieder, nie wieder …

      Er ließ sich sinken, immer tiefer. Es ging langsam und doch schnell. Da war ein Schweben in einen endlosen Abgrund, der sich wohltuend vor ihm auftat, da war ein sanftes Dahingleiten in unbekannte und warme Sphären. Und da war die Stadt mit den vielen hellen Lichtern. Die Leute liefen am Strand zusammen, zeigten auf ihn, lachten und zogen ihn aus dem Wasser, und sie sagten ihm, jetzt hätte er keine Sorgen mehr.

      Aber da war auch noch etwas anderes, etwas Hartes, das ihn berührte, etwas, das nicht nachgab und das seinen zusammensinkenden Körper abfederte. Es ging einfach nicht mehr weiter.

      Sein Kopf schaute immer noch aus dem Wasser, seine Hände vollführten sinnlose Paddelbewegungen. Nur seine Beine standen ruhig, wenn auch etwas zitternd auf einem merkwürdigen Untergrund.

      Gary Andrews konnte es nicht glauben. Er lachte und schniefte gleichzeitig. Dann lachte er lauter, und er fühlte, daß er Grund unter den Füßen hatte, daß er stand.

      Er tat einen unbeholfen wirkenden Schritt vorwärts. Dann schüttelte es ihn vor Lachen. Gleichzeitig schlugen seine Zähne klappernd aufeinander.

      „Ich habe es geschafft“, lallte er. „Ich bin endlich an der Küste angelangt.“

      Diese Erkenntnis gab ihm wieder neue Kraft und peitschte seinen erschöpften Körper vorwärts. Es war ein unendlich beglückendes Gefühl, als er mit den Armen durchs Wasser ruderte und es immer flacher wurde. Schultern und Brust waren jetzt frei. Er wankte und taumelte, war glücklich und hätte am liebsten laut gebrüllt vor neuer Lebensfreude.

      Dann blickte er voraus und erkannte zum ersten Male seit langer Zeit auch wieder schwache Umrisse. Er erblickte die Grenzscheide zwischen See und Land, einen Streifen hellen Sandes mit hohen Dünen dahinter, über die heulend der Wind pfiff. Mit übermenschlicher Anstrengung schleppte er sich weiter, mit zitternden Knien, fast bewegungslosen Armen, schnatternd und frierend.

      Den Kampf gegen das Element Wasser hatte er gewonnen, aber er forderte auch seine allerletzte Kraftreserve. Stöhnend torkelte Gary auf den hellen Streifen zu. Das Wasser bedeckte jetzt nicht einmal mehr seine Knie, schließlich nur noch seine Waden.

      Das war der Augenblick, in dem sein ausgelaugter, unterkühlter Körper endgültig streikte und alles verweigerte. Es ging nicht mehr weiter.

      Aufstöhnend brach er auf dem hellen Sand zusammen und streckte sich der Länge nach aus. Ein paar neugierige Wellen spielten mit seinem Körper, und eine schaumig anrollende Woge trug ihn mit lautem Schmatzen weiter den Strand hinauf.

      Aber da schlief Gary Andrews bereits einen totenähnlichen Schlaf, sah und hörte nichts mehr.

      Etwas später weckte ihn die Kälte. Er wußte nicht, wie lange er dagelegen hatte. Er wußte nur, daß er sich am Strand befand und gerettet war. Alles andere zählte vorerst nicht.

      Die Kälte brachte