Seewölfe Paket 17. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397754
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einfach verloren gab.

      Den Schock, so plötzlich über Bord gegangen zu sein, hatte er inzwischen verkraftet, und er begrub auch gleich darauf die heimliche Hoffnung, daß man sein Überbordgehen bemerkt hatte.

      Aus, Ende, das hatte er gerade eben noch gedacht, doch nun nahm er den Kampf ums Überleben auf, wenn es auch wenig sinnvoll erschien. Er war nicht der Kerl, der sich jetzt heulend und zähneklappernd selbst bemitleidete, er war aus Hartholz, aus guter englischer Eiche, und die war hart, knorrig und fest.

      Einfach absaufen, und dann war alles aus? No, Sir, dachte er. Ich bin ein guter Schwimmer, und solange ich nur einen Arm bewegen kann, werde ich schwimmen. Wenn es sein muß, bis in alle Ewigkeit.

      So sprach er sich selbst Mut zu. Als er durch die Finsternis blickte, glaubte er trotz der Schwärze den Schatten der „Isabella“ doch noch als unförmigen Umriß zu erkennen.

      Sie entfernt sich mit einer geradezu unglaublichen Geschwindigkeit, dachte er.

      Er sah den Schatten längst nicht mehr, doch in seiner Einbildung existierte er weiter, und er starrte sich die Augen aus. Den Lichtkranz vom Achterdeck glaubte er jedoch noch deutlich erkennen zu können, der von der Hecklaterne herrührte, milchig und verwaschen schien wie der Hof des Mondes an einem diesigen Tag.

      Übergangslos fiel er in ein tiefes Tal und begann mit den Armen um sich zu schlagen. Etwas zischte laut, wälzte sich dann heran und hob ihn auf einer schaumigen Woge hoch.

      Der ewige Rhythmus der See erfaßte ihn und warf ihn hin und her. Immer wieder schlug das Wasser über ihm zusammen. Wirbel entstanden vor seinem Gesicht, hoben ihn hoch, drückten ihn nach unten. Er sah sie nicht, er fühlte sie nur, wenn sie ihn bereits erreicht hatten. Deshalb fiel es ihm auch schwer, immer rechtzeitig Luft zu holen.

      Da war doch noch die Hoffnung, daß auf der entschwindenden „Isabella“ jetzt plötzlich Lichter aufflammten, daß Kommandos gebrüllt wurden, der riesige Schatten herumschwang und auf den anderen Kurs ging.

      Einbildung ist das, dachte er nüchtern, bloßes Wunschdenken, denn er hatte die Orientierung verloren und wußte überhaupt nicht mehr, in welche Richtung sich das Schiff entfernte.

      Die „Wappen von Kolberg“ war noch lange vor der „Isabella“ verschwunden und damit auch das Licht ihrer Achterdeckslampe.

      Es ließ sich nicht leugnen, daß er die Hoffnung jetzt endgültig begraben mußte. Nichts mehr war zu sehen außer den schaumigen Kronen wildbewegter See, die mit tausend Salzarmen nach ihm griff.

      Sein anfängliches Drauflospaddeln entsprach seiner ersten Panik, die sich jetzt immer mehr legte. Das Wasser war zwar lausig kalt, fast eisig, doch er war abgehärtet genug, um es eine ganze Weile zu ertragen.

      Kühl und überlegt rechnete er sich jetzt eine Chance aus, eine lächerlich einzige nur, aber sie war da. Er mußte es schaffen, Land zu erreichen.

      Das einzige, was er wußte, war, daß das Land im Süden lag, und so rief er sich ins Gedächtnis zurück, wie sie gesegelt waren, bevor die Wachablösung erfolgte, und wie die See stand.

      Demnach mußte Süden im rechten Winkel zur Wind- und Wellenrichtung liegen. Als er Smoky das Ruder übergab, hatte der Wind aus Westen geweht. Von West her wurde auch das Wellenbild bestimmt.

      Also lag er auf dem falschen Kurs“, denn er kriegte die See hart, von der Seite, von der falschen allerdings.

      Wieder schluckte er überraschend Wasser, als er sich herumdrehte. verdammt schwierig war das, sich in er Finsternis zu orientieren, denn auch die See spielte ihm einen Streich. Mitunter hatte er das Gefühl, sie würde von allen Seiten gegen ihn anrennen.

      Nach und nach drehte er sich so weit im Wasser, bis seine Beine nach Norden zeigten. Er blickte jetzt nach Süden, doch da gab es nichts anderes zu sehen als in den anderen Himmelsrichtungen auch — nur Wasser, Schaum und Finsternis.

      Jetzt kriegte er die Wellen von der anderen Seite, und diesmal war es die richtige. Erneut brauchte er eine ganze Weile, um festzustellen, daß er sich auch nicht irrte, denn der kleinste Irrtum in seiner Situation war absolut tödlich. Da würde er nicht zum Land schwimmen, sondern immer weiter auf See hinaus — so lange, bis ihn die Kräfte verließen und er jämmerlich absoff und sein Grab im Baltischen Meer fand.

      Im Ententümpel, dachte er, im Heringsteich und wie sie die Ostsee noch bezeichnet hatten. No, Sir, sagte er sich, ein Gary Andrews, der ersoff nicht in einem Heringsteich, der suchte sich sein Seemannsgrab zwischen Korallen, wie es sich gehörte, aber nicht im Baltischen Meer, wo einen die Heringe und Dorsche verwundert anstarrten und wo man mehr auf Grund stand, als man lag.

      Er grinste verkniffen und dachte diesen Gedanken zu Ende. War doch ganz lustig, von ein paar Miesmuscheln angestarrt zu werden und sich nach dem Tode vielleicht in der Aalreuse eines knorrigen Fischers wiederzufinden.

      Erneut überschwemmte ihn ein hoher, harter Brecher und trug ihn ein ganzes Stück fort.

      Verflucht lausig kalt wurde es nun. Die Beine waren schwer wie Blei, die Arme klamm und steif, und nachdem er sich daran gewöhnt hatte, im Wasser zu treiben, kehrte auch die Müdigkeit langsam wieder zurück.

      Was mochten sie wohl jetzt auf der „Isabella“ tun? Na klar, die meisten lagen in ihren Kojen und grunzten zufrieden vor sich hin.

      Aber Matt und Blacky mußte es doch, verdammt noch mal, eigentlich auffallen, daß seine Koje leer war. Oder waren sie so müde, daß sie sich einfach hinhauten, ohne nach links oder rechts zu sehen?

      War ihm ja auch schon passiert, überlegte er. Man knautschte sein „Gute Nacht“ durch die Zähne, zog sich die Decke über die Ohren und war gleich weg. Besonders dann, wenn man die Lady ein paar Stunden bei Nacht durch die See gejagt hatte.

      Verdammt merkwürdige Gedanken gingen ihm durch den Sinn. Ernsthaft fragte er sich, was es wohl zum Frühstück geben würde.

      Pfannkuchen mit Sirup vielleicht? Vielleicht hielten sie für ihn eine Extraration zurück, weil sie wußten, daß er höllisch ausgehungert zurückkehren würde.

      Quatsch war das, ausgemachter Blödsinn. Er dachte an dämliche Pfannkuchen mit Sirup, und dabei kämpfte er um sein Leben, schluckte immer wieder diese kalte, salzige Brühe und versuchte ständig, nicht vom Kurs abzuweichen. Wenn der Wind jetzt unmerklich drehte, fand er sich ohnehin nicht mehr zurecht, denn dann hatte er keinen Bezugspunkt mehr.

      Aber diese Gedanken, mochten sie auch noch so verrückt sein, taten ihm wohl und lenkten ihn oft genug ab. Er gähnte mit geschlossenem Mund, bis seine Wangenmuskeln schmerzten.

      Dann konzentrierte er sich mit aller Gewalt darauf, das Land im Süden zu erreichen, das noch in so weiter Ferne lag. Wieder rief er sich die Wache auf dem Achterdeck ins Gedächtnis zurück. Zehn oder fünfzehn Minuten nach dem Wachwechsel mußte die „Isabella“ auf den Steuerbordbug gehen, um nicht zu dicht unter Land zu geraten. Demnach konnte das Land eigentlich gar nicht so unendlich weit entfernt sein, redete er sich immer wieder ein. Vielleicht befand es sich schon ganz dicht vor ihm. Er sah es wegen der totalen Finsternis nur noch nicht.

      Gary Andrews spürte, daß seine Arme immer schwerer wurden. Seine nach Norden gerichteten Beine lagen nicht mehr waagrecht im Wasser, sondern hingen durch. In den Kniekehlen hockte die Kälte wie Eis, die seine Bewegungen lahmer werden ließ. Bei jedem zweiten Atemzug geriet ihm Wasser in den Mund. Es brannte in den Augen, biß in der Nase und beizte seine Lippen. Hustend und Wasser spuckend schwamm er weiter. Eine Welle hinauf, dann wieder hinunter. Die dritte schlug wirbelnd und schaumig über ihm zusammen und drückte ihn dem Grund entgegen.

      Jetzt schmerzte auch sein Nacken von der Kälte, und seine Glieder wurden immer schwerer.

      „Da vorn ist die Küste!“ ächzte er. „Nur noch ein paar Kabellängen, dann bin ich an Land!“

      Nach einer Weile verlor er auch das Zeitgefühl und wußte nicht mehr, wie lange er nun schon im Wasser schwamm. Es konnten Minuten, aber auch schon Stunden sein – eine Ewigkeit womöglich.

      Vom Land war immer noch