Seewölfe Paket 17. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397754
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seinem Versteck vorbei. Gary schwitzte Blut und Wasser, doch dann atmete er erleichtert auf, denn der Dicke wechselte den Kurs etwas nach rechts, und so marschierten sie in knapp fünf Yards an ihm vorbei, ohne ihn zu entdecken.

      Auffallend eilig hatten sie es, um von dem verrückten Stanislaus zu erfahren, woher die Münze stammte. Aber der Kerl war für die nächste Zeit ganz sicher nicht ansprechbar. Bis der seinen Rausch ausgeschlafen hatte, würde sicher eine Ewigkeit vergehen.

      Während er den Kerlen nachblickte, blieb er immer noch reglos in seiner Deckung liegen. Dann wandte er den Blick nach vorn und sah sich die Kneipe an.

      Ein paar Leute verschwanden ins Innere der Schenke. An einem langen Holm sah Gary fünf angebundene Pferde, die den Soldaten gehörten. Neben den Gäulen stand ein Posten, den sie als Bewachung zurückgelassen hatten.

      Gary Andrews grinste ein bißchen. Es sah verwegen aus, denn in seinem Schädel reifte ein Plan. Wenn er sich auf einen der Gäule schwingen könnte, dann waren seine Probleme der langen Wanderung gelöst, und er war vielleicht noch eher in Rügenwalde als die „Isabella“ und die „Wappen von Kolberg“.

      Vorsichtig richtete er sich auf und marschierte zwischen die Dünen. Der Wirt und die Soldaten marschierten immer noch in Strandrichtung. Hin und wieder sah er durch die Dünen nur ihre Köpfe. Dann tauchten sie wieder weg.

      Ein Posten, dachte er, ein Mann. Das war für einen Kerl wie ihn zu schaffen, vorausgesetzt, er konnte sich nahe genug an den Mann heranpirschen, damit der nicht ganz Rixhöft alarmierte.

      Er sah sich den Kerl genauer an und stellte fest, daß er fast im Stehen schlief und vor sich hin döste. Er hatte sich an den Holm zurückgelehnt und starrte zu Boden, die Augen dabei halb geschlossen.

      Die Soldaten konnten ihn jetzt nicht mehr sehen, selbst wenn er sich zu voller Größe erhob.

      Neben der Schenke befand sich ein Stall mit offener Tür. Von der Seite her mußte er den Posten umgehen, dann hatte er die besten Aussichten nicht vorzeitig entdeckt zu werden.

      Wie eine Schlange bewegte er sich durch den Sand, bis er ein paar Schlehenbüsche erreichte, die ihm weiter Deckung boten.

      In diesem Augenblick blickte der Posten hoch und starrte genau in seine Richtung.

      Gary blieb stocksteif stehen, als sei er erstarrt. Wahrscheinlich hatte er ein wenig die Äste bewegt. Aber dieser Kerl war mißtrauisch, dem entging so schnell nichts. Erst nach einer Ewigkeit wandte er endlich den Blick ab.

      Gary schlich weiter und umging die Schenke in einem riesigen Bogen, bis er sie von der anderen Seite im Blickfeld hatte. Auch dort gab es direkt neben der Schenke eine angelehnte Stalltür.

      Wenn er durch den Stall ging und ihn durchquerte, mußte er direkt vor dem Posten stehen und konnte ihn überraschen.

      Im Halbdämmer des Stalles befanden sich nur ein halbes Dutzend Schweine, die seinen Eintritt mit Grunzen begrüßten. Schnell glitt er weiter, bis er die offene Tür der anderen Seite erreichte.

      Der Posten lehnte immer noch träge an dem Holm neben den Pferden. Aus der Schenke vernahm Gary Stimmen in polnischer Sprache. Auch zwei Frauenstimmen unterschied er.

      Er drückte seinen Schlapphut fester ins Gesicht, trat dann lautlos aus dem Halbdämmer und wollte den Posten anspringen, als eins der Pferde hochstieg und laut wieherte, als sei es durch Gary erschreckt worden.

      Ihm blieb nichts anderes mehr übrig, als blitzschnell zu handeln, sonst ging alles schief.

      Mit einem mächtigen Satz sprang er den Posten an. Der war jetzt aufmerksam geworden, sah den Schatten und duckte sich instinktiv.

      Da war Gary heran und schlug zu. Sein Hieb erwischte den Posten jedoch nur an der Schulter, und so entstand ein kurzes, heftiges Gerangel, bis Gary seine Hände wieder frei hatte.

      Der nächste Hieb erwischte den Uniformierten an der Schläfe. Der Pole knickte in den Knien ein und brach zusammen. Er fiel auf die Seite und blieb reglos liegen.

      Hoffentlich haben sie in der Kneipe nichts bemerkt, dachte Gary und warf einen schnellen Blick zum Strand.

      Die Soldaten waren nicht zu sehen, sie beschäftigten sich wohl gerade mit dem verrückten Säufer.

      Schnell nahm sich Gary die Waffen aus dem Bandelier des Postens und steckte ihm seine erbeutete rostige Pistole dafür hinein. Er vergaß auch nicht die Pulverflasche und das Säckchen mit den Bleikugeln, das er ebenfalls hastig einsteckte.

      Fünf Pferde, dachte er. Nahm er eins, dann würden sie ihn verfolgen, nahm er aber gleich alle fünf, dann konnten sie bestenfalls hinter ihm herlaufen. Bis sie sich neue Pferde besorgt hatten, würde eine ganze Weile vergehen.

      Der Posten murmelte etwas und bewegte sich. In der Kneipe rief eine tiefe Männerstimme unverständliche Worte. Für Gary Andrews wurde es allerhöchste Zeit.

      Er entschloß sich, alle fünf Pferde zu nehmen, um kein unnötiges Risiko einzugehen. Sie waren mit Satteltaschen behängt und anscheinend gut ausgerüstet.

      In rasender Eile band er die Zügel zusammen, schwang sich auf den erstbesten Gaul und knotete die Zügel an das Pferd, auf dem er saß.

      Es war wirklich allerhöchste Zeit, denn jetzt öffnete sich die Tür der Schenke, und zwei Männer rannten ins Freie. Eine dicke Frau, wahrscheinlich die Frau des Wirtes, rannte hinterher und schrie laut und gellend. Noch weitere Männer stürmten aus der Schenke und rannten brüllend und schreiend hinter dem flüchtigen Reiter her.

      Über die Schulter blickend sah Gary, daß sie die Fäuste schüttelten. Einer hob einen Knüppel auf und warf ihn voller Wut hinter Gary her. Und die Frau zeterte und schrie wie eine Furie, rannte mal hierhin, mal dorthin und benahm sich wie eine Verrückte.

      Aber zu diesem Zeitpunkt hatte Gary Andrews bereits die ersten dreißig Yards hinter sich und war nicht mehr einzuholen.

      Er sah auch, daß sich der Posten wieder aufrappelte und nach seinem Bandelier tastete. Doch dort steckte nur die verrostete Pistole, die er jetzt herauszog und abdrückte.

      Da kannst du lange drücken, Junge, dachte Gary belustigt. Aus der wird sich nie wieder ein Schuß lösen.

      Die Hufe donnerten über den Boden. Die Rosse schnaubten und rannten, als sei der Teufel hinter ihnen her.

      Gary Andrews drehte sich grinsend im Sattel um. Die Freiheit winkte, er fühlte sich wie neugeboren.

      „Arwenack!“ brüllte er aus voller Lunge. „Arwenack!“

      Wie ein Gewittersturm fegte er durch die Dünen, daß der Sand nach allen Seiten hoch aufspritzte, zum Strand hinunter und galoppierte weiter am Wasser entlang westwärts.

      Es sollte doch mit dem Teufel zugehen, wenn er seine Kameraden nicht wiederfand.

      Von alledem hatten die Soldaten und der dicke Wirt nichts bemerkt. Das Geschrei und Gezeter drang nicht mehr an ihre Ohren. Sie waren schon zu weit vom Ort des Geschehens entfernt.

      Pjontek blieb stehen und deutete auf einen Hügel zwischen den Dünen, der sich von den anderen nur dadurch unterschied, daß er dreckiger war und in der Nähe Unrat herumlag.

      „Hier ist es“, sagte er und deutete unter einen Überhang aus Strandhafer und scharfem Gras.

      Die Soldaten umstellten das schmutzstarrende Loch. Einer ging vor und fetzte angewidert den schmutzigen Vorhang zur Seite. Dahinter war es dunkel wie im Kohlensack.

      Aus dem Erdloch drang ein Schnarchen, so entsetzlich laut, daß der Soldat verdattert stehenblieb, sich bückte und in der Finsternis etwas zu erkennen versuchte.

      „Rauskommen!“ brüllte er mit Donnerstimme. „Sofort raus aus dem Loch, oder wir schießen!“

      Durch das Gebrüll wurde das Schnarchen abrupt unterbrochen. Doch einen Lidschlag später setzte es wieder mit unverminderter Heftigkeit ein und wurde sogar noch schlimmer.

      „Eine Frechheit ist das!“ schrie der eine der vier Soldaten.