Seewölfe Paket 7. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954394968
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Old Shane fuhr sich mit der Hand durch den eisgrauen Bart und nickte in seiner bedächtigen Art.

      „Ich will dir nicht widersprechen, Ferris, denn deine Idee ist gut. Ich glaube nur nicht, daß es so schlimm ist. Unser kleiner Freund hat nur ein paar winzige Gänge gebohrt, er kann nicht sehr tief im Holz stecken, aber er ist auf die Dauer gesehen, natürlich sehr gefährlich.“

      „Na also, das sage ich ja dauernd.“

      „Gut“, entschied der Seewolf nach einigem Nachdenken. „Dann laufen wir die Insel schon jetzt an, zumal des Kutschers Sorgen immer größer werden. Gib die Anweisungen, Ben, wir ändern den Kurs um zwei Strich nach Backbord!“

      Tucker war unendlich erleichtert. Er nahm sich vor, gleich zum Kutscher zu gehen, um ihm die Neuigkeit mitzuteilen, aber zuvor wollte er ihn noch ein wenig ärgern, weil der Kerl heute so sauertöpfisch wirkte wie noch nie in seinem Leben.

      Brighton ließ die Segel nachtrimmen, nachdem der Kurs geändert worden war, und Ferris marschierte nach vorn.

      Der Kutscher hockte am Schott der Kombüse und sah dem rothaarigen Mann lauernd entgegen.

      Ferris kratzte sich gelangweilt das Kinn, bis der Kutscher es nicht mehr aushielt.

      „Sag mal, du rothaariger Affe, hast du plötzlich die Sprache verloren? Ihr habt doch was besprochen.“

      „Klar, haben wir.“

      „Und der Kurs ist auch geändert worden, he?“

      „Ein wenig nur.“

      „Ein wenig nur?“ Der Kutscher sah mit Kennermiene nach dem Stand der Sonne und tippte sich an die Stirn.

      „Wir haben mindestens zwei Strich nach Backbord gedreht. Heißt das, daß wir Land anlaufen?“

      „Die Absprachen mit der Schiffsführung gehen das gewöhnliche Deckspersonal überhaupt nichts an, schon gar nicht die Kombüsenhengste, aber weil du es bist, will ich es dir sagen!“

      Der Kutscher war außer sich.

      „Gewöhnliches Deckspersonal?“ brüllte er, „Kombüsenhengste, he! Ich kann schreiben und lesen, du Mastochse, und du kannst nicht mal deine verdammten Holzbohrwürmer zählen, wenn es mehr als zehn sind. Dann fängst du nämlich wieder von vorn an. Und merk dir gleich noch eins“, zischte er, „wenn ich morgen immer noch kein Land sehe, dann gibt’s wieder Reis mit Kakerlaken oder zur Abwechslung gedämpfte Holzbohrwürmer.“

      „Hatten wir auch noch nicht“, sagte Ferris unbeeindruckt. „Aber ich bitte sie mir ganz zart aus und vielleicht leicht in Öl gesotten. Ist ja wieder gut“, sagte er hastig, als er das puterrote Gesicht des Kutschers sah, der die Lippen zusammenkniff und die Augen zu schmalen Schlitzen verengte. „Wir laufen Land an, und dann kannst du dir Wurzeln und Beeren holen, soviel du willst.“

      Das besänftigte den Kutscher augenblicklich.

      „Daß ihr mich immer verarschen müßt“, sagte er, „mich, von dem euer leibliches Wohl abhängt, ich, der ich den ganzen Tag in der Kombüse stehe, um eure hungrigen Mägen zu stopfen. Aber das erkennt ja keiner an. Wenn das Essen gut ist, freßt ihr euch die Wampe voll, und keiner verliert ein Wort darüber. Wenn ich aber nichts habe, dann reißt ihr die Schnauzen auf und meckert, elendes Schiffsvolk. Wie vornehm ging es dagegen bei Sir Freemont zu, das war ein richtiger Gentleman, aber das begreifst du nie in deinem Leben, du rothaariger Stint. Und jetzt geh mir aus den Augen!“

      „Hat er sich wieder abreagiert?“ fragte Smoky den Schiffszimmermann, der das Gespräch teilweise mitgekriegt hatte.

      „Ich glaube schon. Er war nur sauer, weil er den Abfallkübel über Bord geworfen hat, und da mußte er sich einfach seinen Zorn aus dem Bauch reden.“

      Die beiden Männer lachten laut, weil der Kutscher ihnen finstere Blicke zuwarf.

      Erst als er wieder in der Kombüse verschwand, rieb er sich vergnügt die Hände und grinste vor sich hin.

      Es war kurz vor Mittag, die Sonne hatte ihren höchsten Stand noch nicht erreicht, und es war brühwarm, als der Bengel vom Großmars aus einen feinen Strich am Horizont entdeckte.

      Wie elektrisiert riß er die Arme hoch, so daß der Schimpanse Arwenack, der mit ihm zusammen in luftiger Höhe hockte, einen Nasenstüber abkriegte.

      „Land voraus!“ schrie er mit seiner hellen Stimme. „Deck! Land genau voraus!“

      Carberry hob die Hand zum Zeichen, daß man ihn verstanden hätte, und winkelte gleichzeitig den Daumen nach unten ab. Dabei sah er den Schweden Stenmark an.

      „Du bist dran“, sagte er. „Und du Zwerg kannst jetzt abentern!“ rief er nach oben.

      Der Bengel enterte ab, gefolgt von dem Affen, der sogleich in der Kombüse verschwand, um beim Kutscher zu betteln.

      „Hab ich nicht gute Augen, Sir?“ fragte der Moses stolz den Profos. „Von Deck aus sieht man es nicht, nicht mal als feinen Strich.“

      Carberry sah ihn erstaunt an.

      „Was, das Land sieht man nicht?“ fragte er. „Wir dachten schon, du würdest dort oben pennen, weil wir doch schon vor Stunden den Kurs änderten, eben weil Land in Sicht war. Man sieht doch jetzt schon ganz deutlich die Palmen, die, kleinen Brandungswellen und den saftigen Urwald. Oder sieh dir den weißen Sand an, Junge, ganz feinkörnig, und die beiden schlafenden Schildkröten, die in der Sonne dösen. Naja, für den Anfang war das nicht schlecht, du bist ja noch nicht lange im Ausguck.“

      Der Bengel guckte sich die Augen aus, aber er sah weder den Landstrich noch die Palmen, von den Brandungswellen und den Schildkröten ganz zu schweigen.

      Er kriegte spitze Lippen und schüttelte den Kopf. Aber da war der Profos schon gegangen, Bill erblickte nur noch den riesigen breiten Rükken, und als Carberry ihm das Profil zuwandte, da sah er den Profos grinsen, und es sah verdammt nach Anerkennung aus dieses Grinsen.

      Verdammt, dachte der Bengel, der Profos hatte es gar nicht ernst gemeint, aber warum mußten diese Erwachsenen eigentlich immer ihre Überlegenheit demonstrieren und gaben nicht zu, daß er erstklassige Augen hatte?

      Nein, er hatte sich noch nicht so weit nach oben gekämpft, daß sie es offen zugaben, überlegte er, obwohl sie es gut mit ihm meinten. Er war eben der Moses, der Bengel, und keiner wollte es wahrhaben, daß er älter wurde. Sie brauchten einen Moses, ein Moses gehörte zu jedem Schiff wie die Masten und Rahen, der Kompaß oder das Ruder, und daher würde er auch noch für eine verdammt lange Weile der Moses bleiben.

      Macht nichts, dachte er, ich fühle mich wohl, und jeder ist nett zu mir. Ich habe sogar einen eigenen Schatz, und wer von den anderen Schiffsjungen hatte das schon, die auf anderen Schiffen jeden Tag bis aufs Blut kujoniert wurden.

      Das Land rückte näher, und an Bord der „Isabella“ herrschte eitel Freude und Sonnenschein. Die meisten lehnten am Schanzkleid und sahen hinüber, als die „Isabella“ wieder leicht den Kurs änderte, diesmal etwas nach Steuerbord, bis sie mit dem Land parallel lag und weitersegelte.

      Der Abstand mochte etwa zwei Meilen betragen, aber noch schob sich das Schiff unmerklich näher heran.

      Langgestreckte Hügel waren zu sehen, davor wuchs undurchdringlicher Dschungel bis an das Wasser heran. An manchen Stellen gab es keinen Strand, da stand verfilztes Gebüsch mit riesigen schlangenähnlichen Wurzeln, die wie Geisterfinger ins Meer tasteten.

      „Ob die Insel bewohnt ist?“ fragte Matt Davies seinen Nebenmann, den alten Segelmacher Will Thorne, der die Hände über dem Bauch gekreuzt hatte und andächtig zum Land blickte.

      „Keine Ahnung, Matt. Dieser Teil ganz bestimmt nicht, da kann niemand hausen. Aber wie ich hörte, soll dies eine sehr große Insel sein. Warten wir es ab.“

      Je mehr sich die „Isabella“ dem Land näherte, desto größer wurde die Hitze. Es war drückend und schwül. Der leichte Wind, der sie vorantrieb, brachte keine Kühlung, weil er ebenfalls fast heiß war.

      „Mangrovenwälder“,