Seewölfe Paket 7. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954394968
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hier, ganz in der Nähe vielleicht, muß etwas Schreckliches mit dem Schiff passiert sein“, sagte De Aragon. „Vermutlich ist das Schiff von Wilden angegriffen worden, oder Piraten haben es überfallen.“

      Er fuhr mit dem Finger die Karte entlang.

      „Si, Capitan. Eine Frage bitte.“

      „Fragen Sie!“

      „Was geschieht, wenn wir herausfinden, daß Wilde das Schiff angegriffen haben?“

      De Aragon lächelte hochmütig. Seine Mundwinkel krümmten sich verächtlich.

      „Daß Sie diese Frage überhaupt stellen, Lopez. Eine Antwort darauf erübrigt sich fast, und Sie werden sich diese Antwort auch denken können. Selbstverständlich werden wir zu einer Strafexpedition rüsten und dieses anmaßende Gesindel bis auf den letzten Mann ausrotten. Das geschieht in diesem Fall im Auftrag seiner Allerkatholischsten Majestät, des Königs von Spanien.“

      „Aber – aber“, stotterte Lopez, „wir haben doch keinen regulären Auftrag dazu.“

      „Einen derartigen Auftrag haben wir immer, Lopez“, sagte De Aragon überheblich. „Das ergibt sich von selbst.“

      Lopez kannte seinen Capitan. De Aragon behandelte seine Leute nicht gerade schlecht, aber er verstand keinen Spaß, wenn es um unerforschte Länder oder Eingeborene ging. Dann heimste er im Auftrag der Krone alles zusammen, ohne Rücksicht auf Verluste, und dann war für ihn alles Gesindel, dem man Anstand beibringen mußte. Zumeist brachte er ihnen diesen Anstand mit den Schiffskanonen bei, und der Rest wurde von den Seeleuten besorgt, einfachen Männern, die nicht im Kriegsdienst standen.

      Bei Lopez war das anders. Er verabscheute Gewalt, und es war ihm peinlich, sich das von den Einheimischen zu nehmen, was ihnen nicht zustand, und sie anschließend auch noch zu „bekehren“, wie De Aragon sich ausdrückte.

      Andererseits, überlegte Lopez, geschah diesen Wilden ganz recht, wenn sie sich anmaßten, Schiffsbesatzungen zu überfallen, die vielleicht nichts anderes wollten als Trinkwasser und Proviant.

      Er grübelte über das Thema nicht weiter nach. Auf diese Art behielt er ein ruhiges Gewissen, denn alle Entscheidungen nahm De Aragon ihm ohnehin ab.

      Einen Ankerplatz fanden sie jedoch nicht. Rings um die Insel fiel der Meeresboden steil ab in unergründliche Tiefen, und an die Insel selbst traute De Aragon sich nicht heran, aus Angst, die „Tierra“ würde auf ein unsichtbares Riff laufen.

      „Was ist mit Ihnen, Lopez?“ hörte er die harte Stimme des Capitans neben sich. „Sie haben doch etwas auf dem Herzen, Sie wollen etwas loswerden, nicht wahr?“

      Für Lopez war das Thema Strafexpedition längst erledigt. Er brauchte nur Befehlen zu gehorchen, aber etwas anderes beschäftigte ihn seit einer ganzen Weile.

      „Ja, ich – ich wollte zuerst nicht darüber sprechen. Es handelt sich um diesen Virgil.“

      De Aragon beugte sich neugierig vor.

      „Ja – was ist mit ihm?“

      „Ich weiß nicht recht, Capitan, aber da war noch der andere Tote auf der Insel.“

      „Lassen Sie mich keine Rätsel raten, Lopez. Reden Sie, was hat es mit dem Mann auf sich?“

      „Dem anderen Mann fehlten ein Bein und der Arm.“

      De Aragon kniff die Augen zusammen. Sein Gesicht verschloß sich.

      „Zum Teufel“, entfuhr es ihm endlich, „wollen Sie damit etwa sagen, daß dieser Virgil seinen Kumpan gefressen hat?“

      „So drastisch wollte ich es nicht ausdrücken, Capitan. Auf der Insel gibt es sonst nichts zu essen, außer einer Handvoll unreifer Kokosnüsse. Mich schaudert bei dem Gedanken, einen Mann an Bord zu haben, der vielleicht …“

      „Allerdings, doch darüber will ich nicht urteilen. Wer weiß, welches Drama sich auf der Insel abgespielt hat. Hoffentlich werden wir es bald erfahren. Es kann ja aber auch sein, daß der andere seine Gliedmaßen bei dem Kampf verloren hat und schon tot war, als sie die Insel erreichten.“

      Das hoffte Lopez auch, denn wenn er darüber nachdachte, drehte es ihm den Magen um. Aber was wußte er schon von Leuten, die ohne Wasser und Lebensmittel auf einer winzigen Insel dahinvegetierten.

      Zwei Stunden später war Virgil bei Bewußtsein, und zwar auf eine Art, die sich der Feldscher nicht erklären konnte.

      De Aragon ging nach achtern und blickte mit gemischten Gefühlen den Mann an, der ihn eher an eine Leiche als an ein menschliches Wesen erinnerte.

      Der Mann hockte aufrecht in der Koje und schien zu grinsen.

      „Ich begreife das nicht“, sagte der Feldscher, „normalerweise müßte er tot sein. Aber er benimmt sich so, als fehle ihm nicht das geringste.“

      „Schon gut. Hauptsache, er kann reden.“

      De Aragon schickte den Feldscher hinaus und wandte sich dem Mann zu, der ihn ruhig und gelassen anblickte.

      „Ich bin der Kapitän“, sagte er. „Sie befinden sich an Bord der ‚Tierra‘, nachdem wir Sie von der Insel geholt haben.“

      „Die Insel“, sagte Virgil ausdruckslos. „Haben Sie den Steuermann auch mitgenommen? Antonio heißt er.“

      „Das war der Steuermann des Schiffes? Er ist tot, Sie müßten das doch wissen.“

      De Aragon musterte den Mann scharf, doch keine Reaktion erfolgte.

      Virgil nickte nur. „Ich dachte es mir fast.“

      Seine Stimme klang ruhig und fest. Nur beim Atmen rasselte es in seiner Brust.

      „Erzählen Sie, was sich an Bord zugetragen hat, Virgil. Was ist aus der Mannschaft und dem Schiff geworden?“

      Virgil blickte zu Boden. Lange Zeit gab er keine Antwort.

      „Wir landeten an der Küste von Kalimantan oder wie die Insel heißt, wenn es überhaupt eine Insel ist. Wir wollten Wasser und Proviant an Bord nehmen.“

      „Es ist eine Insel, eine sehr große. Was geschah dann?“

      Virgils Hände zitterten plötzlich. Über seinen Körper, lief ein kühler Schauer. Sein Gesicht war von Angst gezeichnet.

      „Ein Trupp ging an Land“, sagte er keuchend. „Sie sollten sich nach Wasser und Früchten umsehen. Als der Trupp bis zum späten Nachmittag nicht zurück war, ließ der Capitan eine Suchmannschaft zusammenstellen.“

      „Und die kehrte ebenfalls nicht zurück?“

      „Nein, wir haben nichts mehr von den Männern gehört.“

      „Weiter“, sagte der Capitan drängend.

      Virgil bereitete es sichtlich Mühe, zu sprechen. Seine Worte stockten, manchmal brach er mitten im Satz ab und starrte vor sich hin.

      „Schließlich waren wir nur noch zwölf Mann an Bord. Wir alle hatten Angst, und so befahl der Capitan, daß jeder schwer bewaffnet wurde. Er ließ Schüsse aus den Culverinen abfeuern, aber wir erhielten keine Antwort. Die ganze Insel schwieg und schien wie ausgestorben zu sein. Ein weiterer Trupp ging vorsichtig an Land, und diese Männer kehrten wenig später auch zurück. Sie brachten Köpfe mit.“

      „Köpfe?“ fragte De Aragon entsetzt.

      „Ja, auf der Insel gab es Wilde,