Seewölfe Paket 7. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954394968
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um. Jetzt hatte er noch sieben, mehr hatte die Palme nicht getragen.

      Wenn er jeden Tag nur eine Nuß aß, konnte er sieben Tage überleben, rechnete er sich aus. Trieb er es aber so wie heute, dann war seine Zeit in zwei Tagen abgelaufen, denn die Nüsse an den beiden anderen Palmen, die noch auf der Insel wuchsen, waren erst winzig klein und noch lange nicht reif. Diese hier schien einen besonders günstigen Standort zu haben.

      An einem der nächsten Tage ging die Veränderung mit Antonio rapide voran. Sein Fleisch zerfiel und die Knochen wurden sichtbar. Dieser grausige Anblick veranlaßte Virgil, auf die andere Seite der Insel zu gehen. Begraben konnte er den Steuermann nicht, dazu fehlte ihm jegliches Gerät, und mit den Händen ein Loch in den steinigen Sand zu buddeln, dazu konnte er sich nicht durchringen, denn dann mußte er ihn anfassen.

      Seine restlichen drei Kokosnüsse nahm er mit und hütete sie wie einen kostbaren Schatz.

      Aus den mittlerweile trockenen Wedeln der Palme hatte er sich im Sand ein Lager bereitet, in das er abends hineinkroch und sich wie ein krankes Tier versteckte.

      Er wußte nicht, wie es weitergehen sollte. Noch fühlte er sich einigermaßen wohl, das Fieber hatte sich nicht mehr gemeldet, aber die grelle Sonne ließ seine Haut aufplatzen und überall kleine Wunden entstehen.

      Immer wieder achtete er auf Wolken, die Regen versprachen, doch wenn wirklich mal eine am fernen Horizont auftauchte, dann war sie etwas später schon wieder verschwunden.

      Wie lange er sich jetzt auf der Insel befand, wußte er nicht mehr. Vielleicht eine Woche? Er hatte jeglichen Zeitbegriff verloren.

      Danach ging es ständig mit ihm bergab. Ein paar Tage war er, wie in Trance versunken, auf der Insel herumgelaufen, dann wieder beschäftigte er sich stundenlang mit dem Pulver und der Muskete. Einen Sinn darin sah er nicht, er konnte keine Tiere jagen und die Muskete auch nicht verwenden. Dennoch gab er sich mit einem Eifer der Sache hin, der an Wahnsinn grenzte.

      Mitunter verlor Virgil das Bewußtsein, wachte dann irgendwo am Strand wieder auf und begriff nicht, wo er sich befand. Er starrte auf das Gerippe des Steuermanns und sprach mit ihm.

      „Wir müssen zurück, Steuermann“, sagte er dann, „die warten bestimmt nicht länger auf uns. Los, steh auf!“

      Da Antonio keine Anstalten unternahm, aufzustehen, brüllte und schrie er mit ihm, nannte ihn einen gottlosen Nichtstuer und faulen Lumpenhund, der sich nur ausruhen wollte, ohne an seine Pflicht zu denken.

      Wahnsinn befiel ihn. Er sah Schiffe auf dem Meer fahren, sah Seeleute, die ihm zuwinkten, und erblickte große Fässer an Deck, die mit klarem frischen Wasser gefüllt waren. Und als er bittend die Hände ausstreckte und ihm niemand etwas zu trinken gab, nahm er die Muskete und feuerte auf das Schiff.

      Danach brach er zusammen.

      2.

      Der Kapitän der Zweimastgaleone „Tierra“, Jesus Maria de Aragon, blickte seit einer Viertelstunde durch das Spektiv und musterte das lächerlich kleine Eiland, das sich an Backbord befand.

      Zu sehen gab es nicht viel. Dicht am Wasser lag eine umgestürzte Palme, ein paar Büsche befanden sich in der Nähe und etwas Dunkles lag in Wassernähe.

      Aber sie alle hatten deutlich einen Knall gehört, dessen Ursprung nur von dieser kleinen Insel stammen konnte.

      De Aragon gab dem Rudergänger Befehle, und die Galeone, die mit achterlichem Wind auf Südostkurs lief, ging in den Wind und luvte an.

      „Es muß jemand auf dieser Insel sein“, sagte De Aragon zu seinem ersten Offizier. „Jeder von uns hat diesen Schuß gehört.“

      „Si, Capitan“, erwiderte Lopez, „der Schuß war deutlich zu hören, aber vielleicht war es die Palme am Strand, die umstürzte und diesen Knall vortäuschte.“

      De Aragons Lippen wurden zwei schmale Striche.

      „Verursachte, wollten Sie sagen, Senor Lopez“, verbesserte der Capitan. „Aber es geht schlecht an, daß eine Palme umstürzt und man den Knall erst sehr viel später hört. Lassen Sie dort vorn Anker werfen. Nehmen Sie das Boot, zwei Männer und rudern Sie hinüber. Ich will wissen, was da vorgeht.“

      Lopez nickte, schüttelte aber anschließend sofort den Kopf.

      „Wie soll dort jemand überleben, Capitan?“ fragte er leise.

      „Das weiß Gott allein, Lopez, deshalb werden wir nachsehen.“

      Die Tiefe in Inselnähe ließ sich nicht aussingen, es mußten mehr als hundert Faden sein. De Aragon verzichtete auf das Ankermanöver und ließ die „Tierra“ in den Wind gehen.

      Lopez und zwei Männer bestiegen etwas später das Boot und pullten durch mäßig bewegte See dem Inselchen entgegen.

      De Aragon lehnte am Schanzkleid des Achterkastells und verfolgte das Geschehen mit dem Spektiv. Die anderen Männer der Crew blickten ebenfalls zu dem Landstrich hinüber.

      Der Ausguck wurde gewechselt, der Posten enterte ab und ließ sich beim Capitan melden.

      „Es ist möglich, daß ich mich täusche, Senor Capitan“, sagte er, „aber es hat den Anschein, als läge auf der anderen Seite der Insel ein kleines Boot. Man kann über die Insel blikken, aber ein paar Sträucher verdekken die Sicht.“

      „Sie sind sich nicht sicher?“

      „Nein, deshalb verzichtete ich auf eine Meldung. Wenn es ein Boot ist, dann ist es nicht größer als eine Nußschale.“

      „Lopez wird es entdecken“, murmelte der Capitan, „er wird die Insel ganz sicher umrunden.“

      Lopez ließ zuerst auf den Strand zuhalten. Die Insel veränderte ihr Gesicht, sobald man näher heranpullte. Anfangs sah sie langgestreckt aus, dann wieder beschrieb sie einen Bogen. Jedenfalls wanderte die umgestürzte Palme aus seinem Blickfeld. Es hatte den Anschein, als wandere sie heimlich davon.

      Verblüfft über das Phänomen schüttelte er den Kopf. Die Insel ließ er dabei keine Sekunde aus den Augen.

      „Da liegt jemand“, sagte er laut, und die beiden Seeleute wandten die Köpfe, um an Land zu blicken.

      „Weiterpullen!“ herrschte Lopez sie an. „Etwas mehr nach Backbord, ihr Strolche!“

      Das Boot lief knirschend auf den Strand, und Lopez sprang mit einem Riesensatz in den körnigen Sand.

      Zwischen niedrigen Büschen erkannte er eine Gestalt und zuckte zusammen, als er das Gesicht und den Körper sah.

      Die beiden Seeleute, die ihm schweigend gefolgt waren, bekreuzigten sich hastig. Breitbeinig blieben sie vor dem ausgemergelten Mann stehen, der sich nicht rührte.

      Neben ihm im Sand lag eine Muskete, aus der der kürzlich erfolgte Schuß stammen mußte.

      Aber hatte dieser Mann überhaupt noch die Kraft gehabt, eine Muskete abzufeuern? Seinem Zustand nach zu urteilen, war das einfach unmöglich.

      Sein Gesicht war eingefallen wie das einer Mumie, die Augen lagen in tiefschwarzen Höhlen, und ein struppiger, mit Sand verklebter Bart bedeckte sein ausgemergeltes Gesicht, von dem Hautfetzen herunterhingen. Der Mann bestand fast nur noch aus Haut und Knochen, überall an seinem Körper waren eitrige Wunden zu sehen.

      „Ein Landsmann von uns“, sagte Lopez erschüttert. Er sah es an der zerfetzten Kleidung, die ebenfalls nur noch aus traurigen Resten bestand.

      Er bewegte sich nieder, horchte an der Brust des unbekannten Mannes und richtete sich wieder auf, nachdem er schweigend genickt hatte.

      „Er lebt noch, wahrscheinlich ist er halb verdurstet und verhungert, und vielleicht kriegen wir ihn nicht mehr durch. Aber der Capitan wird sicher gern seine Geschichte hören. Nehmt ihn vorsichtig auf und bringt ihn ins Boot. Einer bleibt bei ihm, der andere geht mit mir zur Südseite hinüber.“

      Unendlich vorsichtig wurde