Seewölfe Paket 16. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397747
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so wußte Hamren, gab es Verdruß. Dennoch wagte er nicht, Stenmark hinauszuwerfen, denn die Gefährlichkeit, die von dem ganzen Auftreten dieses Mannes ausging, jagte ihm Furcht ein.

      6.

      Olaf Sundbärg hatte immer noch nichts bemerkt. Er grölte herum und hieb dem einen Mann, der neben ihm am Tisch saß, kräftig auf die Schulter. Ja, hier gab er den Ton an, und wehe, irgend jemand hatte daran etwas auszusetzen! Wem das nicht paßte, der sollte sich eine andere Kneipe suchen. Notfalls war Olaf bereit, ihm dabei zu helfen, indem er ihn vor die Tür setzte.

      „Kennt ihr Aina, die Magd des Magnusson-Bauern?“ rief er. „Ho, das ist vielleicht ein Hühnchen! Ein Hühnchen, das gerupft werden will, sage ich euch!“

      „Täusch dich bloß nicht, Olaf“, sagte der Mann zu seiner Rechten. Er hieß Sune und hatte Sixtens Sohn schon auf mancher nächtlichen Sauftour begleitet. „Aina ist anständig und läßt sich nicht mit jedem ein. An der beißt du dir die Zähne aus.“

      Olaf verschwieg, daß er dies bereits getan hatte, er wollte sich nicht blamieren. Er lachte laut und dröhnend, dann hieb er mit der Faust auf den Tisch. „Sie ist also noch Jungfrau?“ Wieder lachte er. „Dann wird es Zeit, daß sie an den richtigen Mann gerät. Wenn sie mir mal über den Weg läuft, dann besorge ich es ihr, darauf kannst du dich verlassen.“

      Sune grinste. „Wie du meinst. Hoffentlich kriegst du es dann nicht mit Börje Magnusson zu tun.“

      „Der kann mich mal!“ rief Olaf. „Er soll sich nur ’raushalten, sonst kriegt er Ärger mit mir!“

      Der dritte Zecher sagte: „Diese Aina habe ich neulich im Dorf gesehen. Sie hat einen wunderhübschen runden Hintern.“

      „Und solche Brüste“, fügte der vierte Mann am Tisch hinzu und deutete mit den Händen an, was er meinte.

      Olaf sagte etwas Gemeines, Unflätiges, und die anderen lachten dazu.

      Stenmark nahm den vollen Bierhumpen aus Hamrens Hand entgegen und drehte sich langsam um. Er verspürte den unbändigen Drang, zu Olaf zu treten und ihm den Humpen links und rechts um die Ohren zu hauen, doch wieder bezwang er sich.

      Auch früher war sein Vetter schon so laut gewesen. Äußerlich ähnelten sie sich stark, doch das war auch die einzige Übereinstimmung zwischen ihnen. Brüder hätten sie sein können, so hatten die Einwohner von Kungelf seinerzeit immer wieder gesagt, aber sie hatten dabei die Verschiedenartigkeit im Wesen dieser beiden Männer vergessen.

      Olaf hatte einen zynischen Mund und kalte Augen, die das Primitive in seiner Natur zum Ausdruck brachten. Stenmark hätte in den vielen Jahren auf See gleichfalls verrohen können, doch er war der geblieben, der er schon in jüngeren Jahren in seiner Heimat gewesen war: ein stiller und aufrichtiger Mann, der Niederträchtigkeit und Brutalität haßte.

      Sie waren gleich alt, doch Olaf sah verlebt aus, wie Stenmark jetzt, als er näher auf ihn zutrat, registrierte. Kein Wunder dachte er, alles hinterläßt seine Spuren.

      Hamren verfolgte Stenmark immer noch mit seinem Blick, als habe er einen Geist vor sich. Alles hatte er erwartet, nur das nicht – daß dieser Stenmark eines Tages nach Kungelf zurückkehrte. Die Vergangenheit wurde wieder lebendig, alte Wunden waren nicht verheilt, alles würde wieder neu aufgerollt werden.

      Stenmark ging mit seinem Bier zu einem leeren Tisch, setzte sich und sah seinen Vetter an. In diesem Augenblick wurde sich Olaf der Gegenwart Stenmarks bewußt und ließ den Humpen sinken, den er gerade an den Mund heben wollte, um ihn zu leeren.

      Die Gespräche verstummten, und auch an den Nebentischen richteten sich alle Blicke auf Sundbärg und Stenmark. Plötzlich lastete Totenstille über den Zechern. Einige Männer stießen sich gegenseitig an, die Atmosphäre schien vor Spannung zu knistern.

      Olaf Sundbärg wurde weiß im Gesicht, und fast verschluckte er sich. Nahezu alles hätte er für möglich gehalten, nur dies nicht. Stenmark, so hatte er gelegentlich gedacht, ist bestimmt längst tot – irgendwo im Meer ersoffen oder in einem fernen Land verschollen.

      Stenmark nickte ihm ruhig zu und sagte: „Es ist soweit, Olaf Sundbärg. Wir beide brechen jetzt zum Häradshöfding nach Göteborg auf und bringen die Sache von damals in Ordnung.“

      Der Häradshöfding war der Richter. Er würde sich anhören müssen, was Stenmark vorzutragen hatte, und wenn die Beweise oder Zeugenaussagen ausreichend waren, mußte er das Urteil von früher revidieren.

      Olaf Sundbärg hatte sich wieder gefangen. Er erhob sich von seinem Platz. Die Farbe kehrte in sein Gesicht zurück, er lief rot an, streckte den Arm aus, deutete mit dem Finger auf seinen Vetter und schrie plötzlich los: „Packt den Kerl! Haltet ihn fest! Auf was wartet ihr? Er ist ein Mörder und Frauenschänder!“

      „Jawohl!“ rief nun auch der Hamren-Wirt. „Ein Verbrecher, der hingerichtet gehört! Man verhafte ihn!“

      Stenmark blieb sitzen. Er hob seinen Humpen und nahm einen Schluck von dem Bier. Es war nicht zu kühl und hatte auch die richtige Menge Schaum, es schmeckte herb und würzig und löschte seinen Durst.

      „Damals hast du entwischen können, Stenmark, du Hund!“ brüllte Olaf Sundbärg. „Aber die Chance kriegst du nicht wieder! Jetzt bist du hier – und du empfängst, was du verdient hast!“

      Stenmark war immer noch völlig gelassen. Er stellte den Humpen zurück auf den Tisch und musterte wieder seinen Vetter, wodurch dieser noch mehr in Wut geriet.

      Sune, die beiden anderen Männer an Olafs Tisch und die übrigen Zecher jedoch zögerten und waren unschlüssig. Was hatte das alles zu bedeuten? Sundbärg reagierte wild und explosiv, Stenmark jedoch schien die Ruhe in Person zu sein.

      Außerdem hatte Stenmark erklärt, man würde zum Häradshöfding nach Göteborg gehen – verhielt sich so etwa ein Mann, der Angst vor einem Richterspruch hatte? Oder war dies alles nur eine gut einstudierte Täuschung, ein Bluff?

      Es hatte damals auch sehr viel Gerede gegeben, obgleich alles gegen Stenmark gesprochen hatte – vor allem sein Messer, das bei der Leiche der Kerstin Nilsson gefunden worden war.

      Jemand hatte Kerstin vergewaltigt und dann ermordet. Wie sich alles abgespielt hatte, wußte auch heute niemand genau, doch die seinerzeit durchgeführten Untersuchungen hatten ergeben, daß ein wilder Kampf zwischen Kerstin und ihrem Bezwinger stattgefunden haben mußte.

      Jedermann wußte auch, daß zwei Männer um Kerstin Nilssons Gunst geworben hatten: Stenmark und sein Vetter Olaf Sundbärg. Der Richter und die zwölf Beigeordneten des Things – des Gerichtes – hatten damals, vor nunmehr gut achtzehn Jahren, einstimmig Stenmarks Schuld festgestellt – wegen des Messers, das als einziges Beweismittel gefunden worden war. So hatten sie Stenmark zum Tode durch Erhängen verurteilt.

      Aber in der Nacht vor der Urteilsvollstreckung in Göteborg war Stenmark geflohen. Er war für immer verschwunden, keiner hatte gewußt, wo er geblieben war. Es war nach ihm gesucht worden, doch die Fahndung war schließlich erfolglos abgebrochen worden.

      Viele Bewohner von Kungelf und der näheren Umgebung hatten dies als Eingeständnis von Stenmarks Schuld angesehen, andere wiederum aber nicht. Der Mordfall Kerstin Nilsson hatte viel Staub aufgewirbelt, die Diskussion darüber hatte Jahre angedauert.

      Jetzt tauchte Stenmark wie ein Geist aus einer anderen Welt wieder auf und forderte, mit seinem Vetter erneut vor den Richter und den Thing zu gehen. Ungeheuerlich war das!

      „Was ist los?“ schrie Olaf Sundbärg. „Habt ihr Angst vor ihm? Herrgott, was seid ihr doch für Memmen! Ich zeige euch, wie man mit Mördern umspringt!“

      Er verließ seinen Platz und rückte langsam auf Stenmark zu, der immer noch völlig ruhig und reglos dasaß.

      „Warte!“ schrie Sune, und dann erhoben sich auch die beiden anderen Männer von Olafs Tisch. „Wir helfen dir!“ riefen sie.

      An einem der Nebentische sprang jedoch plötzlich ein Mann