Seewölfe Paket 22. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397815
Скачать книгу
er weiß, was ihm sonst blüht.“

      „Vielleicht erwischen wir ihn doch noch“, meinte die Rote Korsarin mit zusammengepreßten Lippen. „Ich bin es leid, daß dieser Kerl bei uns ständig im Kielwasser mitsegelt.“

      „Wir werden es vorerst nicht ändern können. Er hat nun mal das schnellere Schiff und ist wendiger als wir.“

      Der Admiral zog sich tatsächlich zurück. Schnell und geschickt tat er das, als er dem großen Zweidecker auswich. Etwas später befand er sich schon wieder außerhalb der Reichweite der Geschütze.

      „Dann nicht“, sagte Siri-Tong ärgerlich. „Allein kann er nichts ausrichten, obwohl ich es gerade diesem Kerl zu gern gezeigt hätte. Wir gehen wieder auf den alten Kurs zurück“, befahl sie dann.

      Später, als sie wieder auf Kurs lagen, näherte sich die Schaluppe erneut den Trümmern im Wasser, und der Admiral fischte die Kerle aus dem Meer.

      Es hat keinen Zweck, diesem flinken Gegner hinterherzujagen, dachte Siri-Tong. Das führte zu nichts, sie würden die Schaluppe nie kriegen.

      Sie wollte abwarten. Vielleicht versuchte es der Admiral doch noch einmal, denn er war ein ehrgeiziger Halunke, der sehr nachtragend war und nicht so schnell aufgab …

      ENDE

image

       1.

      Barry Winston aus der Crew der Roten Korsarin stammte aus England und war über vierzig Jahre alt. Gut die Hälfte seines Lebens hatte er nicht in seiner Heimat zugebracht, sondern auf See und in fernen, fremden Ländern, in denen er gelernt hatte, wie verschiedenartig und gegensätzlich die Menschen in ihren Gewohnheiten, in ihrem Glauben und ihren Sitten waren. Er hatte Unglaubliches erlebt, und daher gab es kaum noch etwas, das ihn erschüttern konnte.

      Eine Glatze hatte dieser Barry Winston, außerdem fehlte ihm das linke Ohr, doch nie hatte jemand gewagt, ihn deswegen aufzuziehen. Er war ein starker Mann. Jahrelang hatte er sich in der Karibik als Pirat durchgeschlagen, bis er zu Siri-Tong gestoßen war.

      Seine Waffe war das Messer, und er war ein ausgezeichneter Kämpfer, der weder Tod noch Teufel fürchtete. Aber selbst wenn er in größte Wut versetzt wurde, blieb er in jeder Auseinandersetzung stets fair und ehrlich und bediente sich keiner üblen Tricks.

      Und so waren sie alle, die Männer der „Caribian Queen“: Kerle, bei deren Anblick allein man das kalte Grausen bekam, aber eben doch keine Galgenstricke, die jedem die Gurgel durchschnitten. Sie gehörten zum Bund der Korsaren und hielten große Stücke auf die Rote Korsarin, Philip Hasard Killigrew, Arne von Manteuffel, Thorfin Njal, Jean Ribault und Jerry Reeves. Die ungeschriebenen Regeln einer sauberen Kampfesweise waren ihnen Gesetz, und sie hielten sich – ohne Ausnahme – strikt daran.

      In dieser Nacht nun, der Nacht vom 4. auf den 5. Oktober 1594, hockte Barry Winston im Großmars der „Caribian Queen“ und grinste breit. Er hatte auch allen Grund dazu – denn erstens war das Unternehmen auf den Bahamas gegen Sir John Killigrew, Sir Andrew Clifford und Sir Henry, den Duke of Battingham, erfolgreich abgeschlossen worden, und, was am allerwichtigsten war, der Seewolf war nach dem Schuß in den Rücken, den Clifford ihm verpaßt hatte, am Leben geblieben und wieder genesen.

      Zweitens hatte man, zur Schlangen-Insel zurückgekehrt, beschlossen, zu den Silberminen von Potosi aufzubrechen, und zum erstenmal waren drei Crews an Bord der „Caribian Queen“ bis zum Ende der Überfahrt vereint: Hasard und seine Männer, Jean Ribault und dessen Mannschaft sowie die reguläre Besatzung des Zweideckers unter dem Kommando von Siri-Tong, außerdem – und nicht zu vergessen – Araua, die Tochter von Arkana.

      Der dritte Grund für Barrys Heiterkeit war die Tatsache, daß man dem aufgeblasenen Schnapphahn Luis Campos, genannt der Admiral, soeben eine empfindliche Schlappe beigebracht hatte. Dieser Kerl hatte sich auf Tortuga an Siri-Tong heranschleichen wollen, weil er offenbar von ihr fasziniert war. Sie hatte ihn kalt abfahren lassen und zum Teufel geschickt. Am Morgen des 4. Oktober verließ die „Caribian Queen“ Tortuga wieder und nahm Kurs durch die Windward-Passage – und schon geschah es: Drei Zweimastschaluppen hingen in ihrem Kielwasser, schnelle Schiffchen, die mit Drehbassen bestückt waren.

      Den ganzen Tag über verfolgte der Admiral den Zweidecker, dann, in den nächtlichen Morgenstunden des neuen Tages war es soweit. Die „Caribian Queen“ stand zu diesem Zeitpunkt bei gutem Nordost am Ausgang der Windward-Passage und hielt auf die Südwestspitze von Haiti zu. Rechtzeitig genug konnte Dan O’Flynn, der Mann mit den scharfen Augen, warnen, daß die beiden Außenschaluppen heranstaffelten, während sich der Verfolger im Kielwasser mit dem Admiral an Bord zurückhielt.

      Siri-Tong gab das Feuer frei, als die beiden Zweimaster in den Schußbereich der „Caribian Queen“ gerieten. Zunächst feuerten die Breitseiten der oberen Batterie, und der Schaluppe an Backbord wurde der vordere Mast abgetakelt, dann schoß die untere Batterie der Steuerbordseite auf den anderen Gegner und erzielte einen Volltreffer. Die Schaluppe flog regelrecht auseinander.

      Die Schaluppe im Kielwasser steuerte die Stelle an, um Überlebende aus dem Wasser zu fischen, aber die Rote Korsarin ließ anluven, und dieses Mal ging es dem Admiral an den Kragen, der jedoch sofort mit den Drehbassen feuern ließ und sich dann zurückzog, sehr schnell und sehr wendig.

      Mittlerweile lag die „Caribian Queen“ wieder auf dem alten Kurs. Es hatte keinen Zweck – darin waren sich Hasard, Siri-Tong und Jean Ribault einig –, diesem flinken Gegner hinterherzujagen. Lieber warteten sie ab, ob diese Kerle es noch einmal versuchten.

      Barry grinste Dan O’Flynn an, der in diesem Moment zu ihm in den Hauptmars kletterte.

      „Na, das ist mir eine Ehre“, sagte er. „Mister O’Flynn leistet mir Gesellschaft. Dann wird’s wenigstens nicht so langweilig.“ Er kniff die Augen ein bißchen zusammen und spähte nach vorn. „Und wer entert gerade zu Hilo in den Vormars auf?“

      „Jack Finnegan“, erwiderte Dan.

      „Na, großartig. Ausguckposten doppelt und dreifach, dann kann uns ja nicht mehr viel passieren.“

      „Sag das nicht zu laut.“

      „Glaubst du, daß dieser Admiral wirklich so verrückt ist, uns noch einmal anzugreifen?“

      „Ja.“

      „Das stimmt“, brummte Barry. „Er scheint total bescheuert zu sein. Und er hat nicht mehr alle Mucks im Schapp, das steht fest. Hat er tatsächlich gedacht, er könnte Siri-Tong nachsteigen? Bei dem ist das Oberdeck nicht mehr ganz dicht.“

      Dan hielt aufmerksam nach allen Seiten Ausschau. Einmal hatte er Glück gehabt und die Schaluppen im richtigen Augenblick in der Dunkelheit erkannt. Würde es ein zweites Mal auch wieder klappen? In diesem Punkt war er ein wenig skeptisch. Seine Erfahrung sagte ihm, daß auch zwei Schaluppen, die flink und beweglich waren, immer noch einiges gegen ein Schiff wie die „Caribian Queen“ ausrichten konnten.

      Die meisten Karibik-Freibeuter bedienten sich kleiner Ein- und Zweimaster, in der Mehrzahl Schaluppen oder Pinassen, um wie Wölfe im Rudel über die schwerfälligen, nicht sehr gut zu manövrierenden Galeonen der Spanier herzufallen.

      Siri-Tongs Zweidecker – sie hatte ihn seinerzeit von der Black Queen erobert – war mit einer solchen Galeone zwar nicht zu vergleichen, weil er doch wendiger und außerdem besser armiert war, aber wenn man nicht scharf aufpaßte und ständig auf der Hut war, konnte dem Admiral doch noch ein Glücks- oder Zufallstreffer gelingen. Beispielsweise konnte er sich von achtern anpirschen und versuchen, mit seinen Drehbassen die Ruderanlage der „Caribian Queen“ zu zerschießen.

      Das war ein Trick, dessen sich die Männer vom Bund der Korsaren auch des öfteren schon bedient hatten. Daran dachte Dan – und seine Bedenken waren nicht ganz unbegründet.

      „Vorerst ist alles ruhig“, sagte er. „Warten wir mal ab, wie die Lage