Seewölfe Paket 22. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397815
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      Die anderen fanden den Barren auch sehr schön, aber auch gleichzeitig etwas langweilig, denn sie hatten schon einige dieser Barren gesehen, gleich tonnenweise, wie sie versicherten.

      Smoky nahm ihn schließlich der Höflichkeit halber in die Hand, drehte ihn um und legte ihn wieder hin.

      „Richtig goldig“, sagte er grinsend. „Und schwer ist er auch.“

      „Sonst fällt dir nichts auf?“ fragte der Franzose.

      Keinem fiel etwas auf. Ein Goldbarren – na und? Die gab es in den unterirdischen Höhlen der Insel wie Sand am Meer.

      „Doch – er glänzt so schön“, sagte Paddy Rogers. „Aber ein Pfannkuchen von diesem Gewicht wäre mir lieber.“

      „Na, ihr glänzt heute nicht gerade“, sagte Jean seufzend. „Erzählt nur weiter euren Stuß. Ist euer Kapitän an Bord?“

      Carberrys mächtiger Daumen wies nach achtern. Daraufhin setzte sich der Franzose in Bewegung.

      „Käse“, sagte Ed, womit er den Goldbarren meinte. „Habe ich euch schon mal erzählt, wie mir damals die Großrah auf den Schädel fiel und glatt zersplitterte?“

      „Nee, noch nicht“, sagte Jeff Bowie, „du hast nur erzählt, wie du den abgefeuerten Siebzehnpfünder mit den Händen gefangen hast. Und dabei sind dir nur die Flossen ein bißchen warm geworden.“

      Inzwischen trat Ribault bei Hasard ein. Er fand den Seewolf bei bester Laune vor und begrüßte ihn freudig.

      „Noch Beschwerden, Sir?“ fragte er, auf Hasards Rücken deutend.

      „Nein, mir geht es wieder prächtig, Jean. Setz dich.“

      Ribault nahm lächelnd Platz. Den Goldbarren legte er wie provozierend auf den schweren Tisch, die gerollte Karte direkt daneben.

      „Aha“, sagte Hasard, auf den Goldbarren deutend, „soll das dein Sonntagsgeschenk sein?“

      „Er stammt aus der Beute der ‚Santa Cruz‘. Sei bitte so gut und sieh ihn dir etwas genauer an. Deinen Arwenacks ist nichts aufgefallen, aber vielleicht fällt dir etwas auf.“

      Hasard nahm den Barren verwundert zur Hand und betrachtete ihn. Er wußte zwar nicht, was an dem Barren dran sein sollte, aber er drehte ihn um und prüfte ihn.

      Als er den Barren umgedreht hatte, fiel ihm ein Prägestempel auf. Jetzt blickte er mit zusammengekniffenen Augen genauer hin. Der Stempel war rund und um den Rand herum beschriftet.

      Halblaut las er die Worte vor und übersetzte sie gleich aus dem Lateinischen: „Philipp der Zweite, König von Spanien und Westindien.“

      „Richtig“, sagte Jean. „Quer über die Mitte ist aber noch ein anderes Wort eingeprägt.“

      „Potosi steht da“, sagte Hasard. „Na und? Was ist das Besondere daran?“

      Ribault verdrehte die Augen, blickte an die getäfelte Decke und ließ sich gleichzeitig ein wenig zurücksinken. Dann sah er wieder Hasard an, wobei er tief Luft holte.

      „Weißt du nicht, wer oder was Potosi ist?“ fragte er verwundert. „Oder hast du heute deinen schlechten Tag, Sir?“

      „Im Gegenteil“, versicherte Hasard freundlich. „Ich fühle mich ausgesprochen wohl. Das verpflichtet mich jedoch nicht, zu wissen, wer oder was Potosi ist. Ich habe es nie gehört.“

      „Hm, wenn das so ist … Ich habe mich mit diesem Problem bereits beschäftigt, als ich mit Sir Johns ‚Lady Anne‘ zurückkehrte.“

      „Demnach ist Potosi also ein Problem.“

      „So kann man es sehen.“ Ribault hatte jetzt wieder sein verwegenes Grinsen drauf, ein Grinsen, das Hasard nur allzugut kannte. Der Kerl heckt wieder einmal etwas aus, dachte er.

      „Ich habe mich sogar eingehend damit beschäftigt“, gab Ribault zu. „Dabei stieß ich auf etwas ganz Erstaunliches: Sobald die Spanier in der Neuen Welt irgendwo Gold- oder Silbervorkommen entdeckten, errichteten sie gleich an Ort und Stelle Münz- oder Scheideanstalten.“

      „Ganz richtig, Jean, das ist mir bekannt.“

      „Nun, da wurden also gleich Gold- und Silbermünzen geschlagen oder geprägt, aber es wurden auch die Barren gegossen und mit dem königlichen Stempel versehen, um auf diese Weise kundzutun, daß sie durch den Stempel Eigentum Seiner Allerkatholischsten Majestät seien.“

      „Stimmt auch“, sagte Hasard lächelnd, „nur nehmen die ehrenwerten Señores in den Münzanstalten die Sache mit dem königlichen Eigentum nicht so genau. Sie stopfen sich gleich an der Quelle die Taschen voll.“

      „Sehr richtig. Und weil wir gerade bei diesen ehrenwerten Señores sind – jene, die das edle Metall in dieser oder jener Form transportieren, langen auch noch einmal kräftig zu. Und auch die Kapitäne der nach Spanien zurücksegelnden Galeonen rupfen noch ein bißchen an dem Gold und Silber herum. Den letzten Aderlaß gibt es dann in Sevilla, wenn die kostbare Ladung endlich an Ort und Stelle ist. Die Beamten der Casa wollen natürlich auch nicht leer ausgehen, und so greifen auch sie noch einmal zu. Der Rest des Edelmetalls fällt dann, ziemlich gefleddert, Seiner Allerkatholischsten Majestät zu.“

      Hasard lächelte, genau wie Ribault auch. Er goß seinem alten Kampfgefährten funkelnden Rotwein in ein Kristallglas und schob es zu ihm hinüber. Beide Männer tranken sich grinsend zu.

      „Und wo liegt jetzt das Problem?“ fragte der Seewolf.

      „In Potosi. Das ist nämlich jener Ort, wo die Dons das Gold in Barren gegossen haben, und genau diese Barren sollte die Galeone ‚Santa Cruz‘ nach Spanien bringen. Was da auf dem Tisch liegt, ist also ein Goldbarren aus Potosi. Die Ladung hatte sich Sir John unter den Nagel gerissen, und jetzt haben wir sie.“

      „Also gut, wir haben Gold aus Potosi. Und weiter?“

      Ribaults Grinsen wurde noch breiter und verwegener.

      „Daraus folgert doch, daß an einem Ort, wo man Barren gießt und Münzen prägt, noch mehr von dem Zeug vorhanden sein muß. Oder sehe ich das falsch?“

      Ribault griff scheinbar in die Luft, rieb die Finger gegeneinander und hielt eine Goldmünze in der Hand, die er Hasard von beiden Seiten zeigte.

      „Hier, auf der einen Seite, zeigt die Prägung die Säulen des Herkules mit Atlantikwellen und der Aufschrift Potosi. Auf der anderen Seite befindet sich ein Kreuz, dazu die Türme von Kastilien und der Löwe von Léon, das königliche Wappen. Das ist doch eine Prachtmünze, mein lieber Sir. Und sie hat noch eine Unmenge Brüder, davon bin ich überzeugt.“

      In Hasards Blick lag jetzt eine gespannte Aufmerksamkeit, als er Barren und Münze nochmals genauer betrachtete. Dann blickte er sehr nachdenklich Jean Ribault an.

      „Wo liegt dieses Potosi? Tut mir leid, aber ich habe wirklich noch nie davon gehört.“

      Ribault griff lächelnd zu der mitgebrachten Rolle, entfaltete sie und beschwerte sie demonstrativ mit dem Brocken aus Potosi. Auf den anderen Rand legte er die Goldmünze.

      „Auch damit kann ich dienen“, sagte er eifrig, „die Sache hat mir nämlich keine Ruhe mehr gelassen. Das ist eine Karte von der Westküste Südamerikas bis hinauf nach Mittelamerika. Hier!“ Er tippte mit dem Finger auf einen kleinen Punkt. „Das ist die Hafenstadt Arica, und hier, etwas weiter in östlicher Richtung, liegt Potosi. Genau da, wo ich das Kreuz eingezeichnet habe. Potosi ist eine Stadt, die bereits vor zwanzig Jahren mehr als einhundertzwanzigtausend Einwohner hatte. Da staunst du, was?“

      Hasard staunte wirklich, dann stieß er pfeifend die Luft aus und sah Ribault stirnrunzelnd an.

      „Mein lieber, guter Jean“, sagte er, „hast du – gelinde gefragt – eigentlich noch alle Mucks im Schapp? Potosi – das sind, über den Daumen gepeilt, mindestens dreitausend Meilen von der Schlangen-Insel bis nach Arica. Weiter dürften es etwa dreihundert Meilen Landweg von Arica nach Potosi