Seewölfe Paket 22. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397815
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Arme vor der mageren Brust und reckte überheblich das spitze Kinn vor. Seine verdreckte Kleidung ließ nur noch ahnen, wie elegant er einmal ausgesehen hatte, als er noch frisch gepudert in den ersten Reisetagen an Bord des Flaggschiffs herumgelungert hatte.

      Ihm selbst wurde indessen keineswegs bewußt, daß sein Anblick zur Heiterkeit reizte.

      „Sie sind der Erste – äh – Offizier der ‚Orion‘, nicht wahr?“ sagte er schnarrend und musterte Corbett dabei geringschätzig von Kopf bis Fuß.

      Corbett lächelte kaum merklich. Dieses Bürschchen kannte ihn natürlich genau. Nur versuchte Sandwich, sich an die Gepflogenheit der Hochwohlgeborenen zu halten, sich Namen von Menschen niederen Standes nicht zu merken.

      „Warum sollte ich Ihnen verraten, wer ich bin?“ entgegnete Corbett und verstärkte sein Lächeln.

      Sir James blinzelte irritiert. Sein Mund klappte auf und wieder zu.

      „Lassen Sie den Unsinn, Mister!“ schnarrte er. „Was fällt Ihnen ein, sich mir gegenüber so aufzuführen!“

      Das Lächeln des Ersten Offiziers schwand. Ruckartig trat er einen Schritt vor, es hatte den Anschein, als wolle er den Dürren am Kragen packen und durchschütteln. Doch er beließ es bei der drohenden Geste.

      Sir James war erschrocken zurückgewichen, stolperte und konnte sein Gleichgewicht gerade noch halten.

      Die Männer von den beiden Kriegsgaleonen lachten glucksend. Es war einfach unfaßbar, woher diese gepuderten Affen ihre Unverschämtheit nahmen – in einer Situation wie dieser, in der nichts von dem zählte, was sie daheim in England an Macht und Beziehungen spielen ließen.

      „Weshalb tun Sie so, als ob Sie mich nicht kennen?“ sagte Corbett schneidend. „Heraus damit, Sandwich. Wenn Sie schon mit mir reden wollen, dann will ich zuerst diese Frage beantwortet haben.“

      „Papperlapapp“, fauchte der Hochwohlgeborene. „Ich habe nicht Ihre, sondern Sie haben meine Fragen zu beantworten. Ist das klar? Im übrigen verlange ich, Sir Edward zu sprechen. Er ist der einzige Mann von Stand in dieser ganzen Bande von …“

      Corbetts Fäuste zuckten vor und gruben sich eisenhart in den Seidenstoff des Hochwohlgeborenen-Wamses. Ohne sonderliche Anstrengung schüttelte er das Kerlchen durch, daß dessen Kopf vor und zurück wackelte.

      „Ich habe eine Frage gestellt“, sagte Corbett wütend. „Wenn Sie nicht gleich antworten, lasse ich Sie in Eisen legen. Haben Sie mich verstanden!“ Das war natürlich höllisch übertrieben. Aber der Zweck heiligte die Mittel. Diesen arroganten Burschen mußte endlich der Kopf zurechtgerückt werden. Wenn ihnen auch der Grips fehlte, so mußten sie doch begreifen lernen, daß sie die Rechte anderer Menschen nicht ständig mit Füßen treten durften – nicht in einer Situation wie dieser, in der sie ohnehin alle an einem Strang zogen.

      Corbett wiederholte seine Frage: „Weshalb taten Sie so, als ob Sie mich nicht kennen?“

      Sandwich ächzte gequält.

      „Ich habe Sie nicht sofort erkannt, Mister Corbett. Wirklich nicht. Nach diesen furchtbaren Geschehnissen sind wir alle ein bißchen durcheinander, nicht wahr?“

      „Sie vielleicht.“ Corbett stieß ihn angewidert von sich. „Sagen Sie, was Sie von uns wollen, und dann ersparen Sie uns Ihren Anblick.“

      Hinter ihm nickten die Männer voller Grimm. Was sich dieser magere Schnösel von einem Gentleman leistete, ging auch ihnen mächtig gegen den Strich. Lachen konnte man darüber nur begrenzte Zeit. Dann kochte einem unweigerlich die Galle über.

      Sir James Sandwich zupfte sein Wams zurecht und straffte seine Haltung. Er wandte sich kurz um und erblickte die anderen, die ihn fordernd und aufmunternd ansahen. Er räusperte sich, und es klang wie das Rascheln von trockenem Herbstlaub.

      „Zunächst einmal, Mister Corbett“, sagte er näselnd, „sind für mich und die übrigen sechs Gentlemen umgehend Hütten zu errichten. Selbstverständlich brauchen wir Einzelquartiere.“

      Marc Corbett schüttelte fassungslos den Kopf.

      „Haben Sie sonst noch einen Wunsch?“ erkundigte er sich mit gespielter Höflichkeit.

      „Eine fast überflüssige Frage“, sagte Sandwich von oben herab. „Die Mittagszeit ist längst vorüber. Für mich und die anderen Gentlemen ist es höchste Zeit, zu speisen. Lassen Sie also schleunigst die Tafel richten und dann servieren.“

      Marc Corbett beschwichtigte die Männer hinter sich mit einer Handbewegung. Er selbst wußte, daß er sich nicht mehr lange zur Ruhe zwingen konnte.

      „Mehr Wünsche haben Sie nicht?“ fragte er, immer noch scheinbar höflich.

      „Im Augenblick nicht“, erwiderte Sir James Sandwich. „Auch wir müssen uns der Ausnahmesituation anpassen und uns in Bescheidenheit üben. Sie und die Männer sollten sich ein Beispiel daran nehmen, Mister Corbett. Später dürfen Ihre Leute unsere Schuhe putzen …“

      Das war mehr als genug.

      Ein zorniges Raunen ging durch die Reihen der Seeleute.

      Marc Corbett konnte nicht mehr verhindern, daß ihm der Kragen platzte.

      „Warum verlangen Sie nicht auch noch, daß wir Sie füttern sollen?“ brüllte er. Die Zornesadern an seinen Schläfen schwollen an. „Oder jeden einzelnen Bissen vorkauen, was?“

      Sandwich war noch einen Grad blasser geworden. Entsetzt wich er zurück und streckte abwehrend die Arme aus.

      „Ich warne Sie, Corbett!“ schrie er mit zitternder Stimme. „Nehmen Sie sich nicht zuviel heraus!“

      Aber der Erste Offizier war nicht mehr aufzuhalten. Mit einer raschen Bewegung hieb er dem mageren Bürschchen die Arme weg und packte ihn erneut am Kragen. Wieder schüttelte er ihn durch, wobei der beängstigende Eindruck entstand, Sandwichs Kopf auf dem dürren Hals könne abbrechen.

      „Jetzt hören Sie mal gut zu“, sagte Corbett grob. „Ich werde den Teufel tun und für Sie und Ihresgleichen Hütten bauen lassen. Und keiner der Männer wird eine Tafel für Sie richten oder Sie sonstwie bedienen. Haben Sie das begriffen?“

      Sir James schluckte krampfhaft. Sein Adamsapfel bewegte sich dabei ruckend auf und ab.

      „Ja“, sagte er weinerlich, „um Himmels willen, ja.“

      Corbett stieß ihn von sich.

      „Dann ist es gut. Denken Sie ein bißchen nach. Spucken Sie selbst in die Händchen, und sorgen Sie für sich selbst.“

      Sandwichs Augen weiteten sich. Der Gedanke, die bloße Vorstellung dessen, was Corbett angedeutet hatte, erschien ihm grauenvoller als alles andere, was bisher geschehen war.

      „Das – das kann doch nicht Ihr Ernst sein“, stammelte er.

      Diesmal konnten sich die Männer nicht mehr zurückhalten. Schallendes Gelächter ertönte. Spätestens jetzt mußten auch die in einiger Entfernung wartenden Gentlemen begriffen haben, wie wenig der sehr ehrenwerte Sir James Sandwich mit seinem Befehlsgang ausgerichtet hatte.

      Corbett musterte den Müßiggänger verächtlich und von oben bis unten.

      „Begreifen Sie endlich“, sagte er barsch, „daß Sie hier keine Rechte oder Privilegien mehr genießen. Es sei denn, Sie ordnen sich in die Gemeinschaft ein und packen mit an, wie wir alle es tun.“ Er wandte sich halb um und deutete zum Strand, wo Sir Edward Tottenham gemeinsam mit dem Schiffszimmermann dabei war, einen angetriebenen Schiffsbalken zu zersägen. „Nehmen Sie sich ein Beispiel daran. Sir Edward, auch ein Mann von Stand, läßt sich nicht bedienen!“ Ohne den Dürren noch zu beachten, wandte sich Corbett kurzerhand um.

      Sir James Sandwich blickte den Männern nach, die sich einfach von ihm entfernten, als sei er Luft. Er verstand die Welt nicht mehr. Insgeheim verfluchte er seine Teilnahme an dieser Karibik-Reise als den schlimmsten Fehler, den er jemals in seinem Leben begangen hatte. Doch das durfte natürlich niemand wissen.