Seewölfe Paket 22. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397815
Скачать книгу
werde ich“, schnitt ihm Gretton eisig das Wort ab. „Sie haben hier nichts mehr zu befehlen, Stewart. Nicht Sie, der Sie es offenbar vorziehen, sich mit Galgenvögeln zu verbünden, statt sich um die eigene Crew zu kümmern. Jedenfalls haben diese Strolche nichts bei den drei Jollen der ‚Dragon‘ zu suchen.“

      „Haben Sie den Verstand verloren, Mann?“ brüllte Stewart erneut los. „Ich brauche die drei Jollen und die Waffen, um die Inseln zu erkunden. Die Mannschaft muß nämlich auf eine größere Insel gebracht werden, wo es entsprechend bessere Überlebenschancen gibt.“

      Die Männer von der „Dragon“ mußten an sich halten, um nicht in brüllendes Gelächter auszubrechen.

      „Bemühen Sie sich nicht, Stewart“, sagte Gretton verächtlich. „Sie haben nämlich gar nicht die Absicht, sich um die Mannschaft zu kümmern. In Wirklichkeit wollen Sie sich heimlich absetzen, weil Sie scharf darauf sind, die ‚Lady Anne‘ zu finden.“

      Stewart erbleichte, gewann seine Fassung aber im nächsten Moment zurück.

      „Lüge!“ brüllte er. „Alles Lüge!“

      Arthur Gretton straffte seine Haltung.

      „Nein!“ brüllte er zurück. Er konnte sich jetzt nicht mehr beherrschen. Es war einfach zuviel, was sich diese Witzfigur von einem Kommandanten herausnahm. „Es ist keine Lüge, Stewart. Zufällig habe ich sehr scharfe Ohren, und zufällig war ich in der Nähe, als Sie mit diesem Schlitzohr Monk gesprochen haben. Von der ‚Orion‘-Mannschaft wollten Sie Pulver und andere Sachen erpressen. Deshalb hatten Sie vor, Kapitän Tottenham als Geisel zu nehmen. Glücklicherweise ist Ihnen das ja gründlich mißlungen – dank Marc Corbett, dem unser aller Hochachtung gilt.“

      Stewart brachte keine Antwort hervor, obwohl Gretton eine kurze Pause zum Luftholen einlegte.

      „Als Ersatz wollen Sie jetzt unsere Waffen haben“, fuhr der Erste Offizier der „Dragon“ mit metallisch klingender Stimme fort. „Und damit wollen Sie allen Ernstes die Galgenvögel ausrüsten, die erst kurz zuvor als Gefangene entwaffnet wurden. Ist Ihnen nicht klar, daß Sie die Pflicht hätten, diese Burschen wieder festzunehmen – wenn Sie wirklich ein Kommandant wären, der seine Aufgaben ernst nimmt?“

      Charles Stewart stand wie versteinert. Noch nie zuvor hatte jemand gewagt, so mit ihm zu reden. Obwohl sich die Gedanken in seinem Schädel zu überschlagen schienen, begriff er doch sehr gut, was diese Szene bedeutete. Es war eine unvorstellbare und unwürdige Szene für ihn, den Kommandanten einer Kriegsgaleone Ihrer Majestät.

      Niemals und unter keinen Umständen hatte ein Offizier das Recht, die Autorität eines. Vorgesetzten in Gegenwart von Mannschaften anzuzweifeln. Und dieser Gretton zweifelte nicht nur seine Autorität an – nein, der Mistkerl stellte sie sogar in Abrede!

      Es war unglaublich, einfach ungeheuerlich.

      „Ich werde Sie vor ein Kriegsgericht bringen“, sagte Stewart tonlos. „Was Sie sich hier herausnehmen, ist glatte Meuterei, Aufwiegelung der Mannschaft. Glauben Sie nur nicht, daß Sie damit durchkommen.“

      Gretton juckte es in den Fingern. Er hatte Mühe, seinen aufwallenden Zorn herunterzuschlucken.

      „Stellen Sie die Dinge nicht auf den Kopf, Stewart“, sagte er schneidend. „Die Männer der ‚Dragon‘ lassen sich nicht für dumm verkaufen, bilden Sie sich das nicht ein. Und glauben Sie nur nicht, daß sich diese Männer von einer Unperson, wie Sie es sind, etwas befehlen lassen. Wenn Sie sich also zusammen mit den Galgenstricken und den ehrenwerten Gentlemen von hier entfernen wollen, dann ist das von uns aus sehr zu begrüßen. Sie und Ihresgleichen lungern ja doch nur herum. Eine Jolle kann ich Ihnen zur Verfügung stellen – mehr nicht. Notfalls müssen Sie eben einen Pendelverkehr zu der Insel einrichten, die Sie hoffentlich bald finden werden.“

      Die Männer der Crew klatschten Beifall, grölten und hieben sich gegenseitig vor Begeisterung auf die Schulter. Verdammt noch mal, das war nach ihrem Geschmack. Gretton hatte es dem Schweinehund Stewart endlich gegeben. So einer verdiente es überhaupt nicht, daß man vor ihm noch Haltung annahm. Damit hatte Gretton völlig recht. Und dieser Erste Offizier der „Dragon“ konnte sich voll und ganz auf jeden einzelnen Mann der Crew verlassen.

       7.

      Charles Stewart reagierte mit einem Tobsuchtsanfall.

      Fast sah es aus, als würde sein Kopf auseinanderfliegen – so sehr rötete sich seine Haut vom Hals an aufwärts, und so sehr schwollen seine Adern an. Ruckartig wandte er sich um und stürmte auf den wilden Haufen von der „Lady Anne“ zu.

      „Mister O’Leary!“ brüllte Stewart mit sich überschlagender Stimme. „Sofort zu mir!“ Es sollte wie die Anweisung eines ordnungsgemäß eingesetzten Kommandanten an einen ordnungsgemäß eingesetzten Untergebenen klingen.

      Doch die Männer von der „Dragon“ vernahmen es mit um so mehr Verachtung. Was Stewart da von sich gab, war das Befehlsgeschrei eines Halunken, der einen Galgenstrick übelster Sorte heranrief.

      Widerstrebend hatte sich O’Leary aufgerappelt. Die übrigen Kerle von der Karavelle des alten Killigrew zeigten keine Anstalten, ihre gerade begonnene „Pause“ beim Ausrüsten der Jollen schon wieder zu beenden.

      „Sir?“ sagte der Bootsmann unwirsch.

      O’Leary war nicht einfältig genug, um nicht in etwa zu ahnen, was jetzt bevorstand. Es entwickelte sich eben doch alles anders, als Stewart geplant hatte.

      „Nehmen Sie Ihre Männer!“ schrie Stewart, und es klang beinahe kreischend. „Entwaffnen Sie die verdammten Meuterer. Und dann besetzen Sie alle drei Jollen, wie ich angeordnet habe, verstanden?“

      „Mal sehen, wie die Stimmung ist“, entgegnete O’Leary gelassen. „Die da drüben haben wenigstens ihre Blankwaffen, unsereins nur die leeren Hände.“ Bevor Stewart etwas einwenden konnte, drehte sich O’Leary zu seiner Meute um. „Ihr habt gehört, wie die Lage ist. Kann sein, daß wir was auf die Jacke kriegen, wenn wir drauflos gehen. Also, was ist?“ Fragend blickte er in die Runde.

      Der Stolz der Kerle war angestachelt.

      „Sehen wir so aus, als ob wir den Schwanz einziehen?“ knurrte einer von der wüstesten Sorte.

      „Wir doch nicht!“ schrie ein anderer, sprang auf und reckte die rechte Faust. „Diese Marineaffen schlagen wir auch so zu Klump!“

      „Auf was warten wir dann noch?“ brüllte ein dritter.

      Gleich darauf schrie die ganze Meute Zustimmung.

      „Langsam, langsam“, sagte O’Leary dröhnend, als sie blindlings auf die „Orion“-Crew losstürmen wollten. „Sucht euch wenigstens ein bißchen was zusammen, Knüppel oder so was. Oder wollt ihr einen Schiffshauer mit dem Arm parieren?“

      Das leuchtete ein. In aller Eile begannen die Kerle, sich im nahegelegenen Dickicht umzusehen.

      Charles Stewart begab sich unterdessen zur Gruppe der Gentlemen, um sich während der Angriffsvorbereitungen O’Learys mit Sir Robert Monk abzusprechen.

      „Meine Freunde und ich haben immerhin Blankwaffen“, sagte Sir Robert.

      Die Gentlemen erbleichten unter den kümmerlichen Resten ihrer Puderschicht. Hatte dieser Monk den Verstand verloren? Glaubte er etwa, daß ein Mann von Stand sich in Handgreiflichkeiten einmischen würde?

      „Zierdegen“, sagte Charles Stewart verächtlich. „Die können Sie Kindern zum Spielen geben, aber gegen einen ausgewachsenen Mann richten Sie damit nichts aus. Und in Ihren ziselierten Pistölchen dürfte das Pulver naß geworden sein – wenn die Dinger überhaupt geladen waren.“

      Ein Aufatmen ging durch die Reihe der Gentlemen. Dieser Stewart sah die Dinge wenigstens realistisch. Wozu sollte man sich mit irgendwelchem Pöbel herumschlagen, wenn es doch keinen Sinn hatte! Die Gentlemen konnten indessen nicht ahnen, wie sehr ihre augenblicklich gute Meinung