Seewölfe Paket 13. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395026
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verblüfft: „Was sagst du da, Sohn des Poseidon? Was sind das für Worte? Ich begreife dich nicht mehr? Warum lächelst du nicht mehr?“

      „Zur Seite, du Narr!“ fuhr Selim ihn an.

      Die Männer des Dorfes hatten untereinander Blicke getauscht. Die kurze Ablenkung der Piraten, durch Antos ungewollt herbeigeführt, genügte ihnen. Sie duckten sich, rissen ihre Messer aus den Gurten und gaben den Frauen und Kindern durch Gebärden zu verstehen, sie sollten sich in Sicherheit bringen.

      „Achtung!“ schrie Jella mit spitzer Stimme.

      Selim stieß den völlig verstörten Antos von sich fort. Antos taumelte, verlor die Lyra und den Bogen aus seinen Händen und verfolgte fassungslos, wie Selim und seine Kerle das Instrument mit ihren Füßen zertraten.

      Die Männer des Dorfes warfen sich mit gezückten Messern auf die Piraten. Die Frauen schrien, die Kinder kreischten und weinten. Iris wollte Melania mit sich fortziehen, doch Melania streckte die Hand nach Antos aus.

      „Fort!“ schrie der alte Mann. „Flieht in die Hügel!“

      Zwei oder drei Schüsse krachten doch, und der Alte sank plötzlich auf dem groben Pflaster der Gasse zusammen. Seine Freunde schrien erbost auf und warfen sich auf die Seeräuber. Im Nu tobte das wildeste Handgemenge.

      Selim und seine Kumpane warfen die nassen, unbrauchbar gewordenen Feuerwaffen fort und zogen ihre Krummsäbel, ihre Entermesser und Dolche. Mit Gebrüll erwiderten sie die Attacke der Insulaner.

      Über allem Geschehen orgelte und pfiff der Sturmwind, und Blitze fuhren auf Rhodos nieder. Antos wimmerte und hielt sich die Ohren zu, denn er glaubte das Gelächter Poseidons in seinem Kopf dröhnen zu hören.

      4.

      Der Bugspriet löste sich plötzlich vom Vorsteven der „Isabella“ – trotz aller Sicherheitsvorkehrungen, die der Seewolf und seine Männer getroffen hatten. Er brach ganz einfach ab und nahm die Blinde mit, die jetzt wie verrückt hin und her schlug. Halb im Wasser, halb in der Luft, hing das schwere Holz vor dem Bug der Galeone und wurde nach wie vor vom Stag und den übrigen Tauen festgehalten.

      „Verdammter Mist!“ brüllte Big Old Shane über die Schulter des Seewolfs hinweg. „Das hat uns gerade noch gefehlt!“

      Hasard kniete ganz vorn auf der verjüngten Spitze der Galionsplattform und hatte sich durch ein Tau gesichert. Hinter ihm kauerten Shane, Ferris und Smoky, die ihm einerseits die Werkzeuge zugereicht hatten und andererseits darauf achteten, daß ihr Kapitän nicht außenbords stürzte.

      Hasard fuhr zu ihnen herum.

      „Es hat keinen Sinn, den Spriet zu bergen!“ schrie er im Tosen der Urgewalten. „Zur Hölle, wir können ihn nicht wieder befestigen! Unmöglich!“

      „Dann muß er weg!“ rief Ferris. „Er behindert uns!“

      „Kappen wir die Taue!“ schrie der Seewolf. „Anders geht es nicht! Los, gebt mir ein Messer!“

      Ferris nahm aus Smokys Hand ein Entermesser entgegen und drückte es Hasard in die Finger. Hasard beugte sich so weit wie möglich vor, die drei anderen hielten ihn mit vereinten Kräften fest.

      Hasard hieb die Taue durch, und der Bugspriet verschwand mit der Binde in dem schwärzlichen, kochenden Wasser. Die „Isabella“ war nun stumpfnäsig und leicht ramponiert – und wegen des Verlustes der Blinde nicht mehr ganz so gut zu manövrieren wie vorher.

      „Aber das können wir verkraften!“ rief Hasard seinen Männern zu, als sie wieder auf der Back waren und sich anschickten, in den Manntauen zum Hauptdeck hinunterzuhangeln. „Die Hauptsache ist, daß wir keine Lecks kriegen!“

      „Soll ich noch mal runter in die Laderäume?“ schrie Big Old Shane.

      „Wir gehen zusammen und nehmen Ben Brighton mit!“ erwiderte der Seewolf.

      „Und auf Rhodos holen wir uns dann einen neuen Bugspriet“, sagte Ferris Tucker grimmig. „Ich werde schon einen geeigneten Baum finden, verlaßt euch drauf.“

      „Haben wir kein passendes Stück Holz mehr an Bord?“ wollte Smoky wissen.

      „Nein, mein Junge“, antwortete der rothaarige Riese. „Sonst hätte ich wohl gleich angefangen, daran herumzuhobeln. Daß wir nämlich ohne Bugspriet durch dieses Scheißwetter segeln müssen, paßt mir gar nicht.“

      Während der Rudergänger und die Deckswache an Oberdeck blieben, um das Ruder zu halten und auf die Stellung der Sturmsegel aufzupassen, stiegen Hasard, Ben, Ferris, Shane und Smoky in die Frachträume der „Isabella“ hinunter.

      Es war, als würden sie sich in einen unheimlichen Abgrund begeben, in den Vorhof zur Hölle. Draußen grollte die See, jaulte der Wind, tobte sich das Gewitter aus. Im Bauch der „Isabella“ war ein bedrohliches Rumoren, der Widerhall des Sturmbrausens.

      Wind und Wasser stießen, zerrten und rüttelten am Schiffsleib. Man mußte aufpassen, nicht auf den Stufen der Niedergänge auszurutschen, das Gleichgewicht zu verlieren und in die Tiefe zu stürzen.

      Eine wirklich heitere Nacht, wie Hasard schon zu Beginn gedacht hatte – und sie hatte gerade erst begonnen.

      Mit einem Seufzer der Zufriedenheit wollte sich der Levantiner in seine Koje niederlegen, um ein wenig zu ruhen. Das Schwanken seines Schiffes hatte so weit nachgelassen, daß man es in der Lagerstatt aushalten konnte. Gerade wollte er die Beine von sich strecken und seinen Rükken auf die vielen weichen Kissen senken, mit denen die Koje ausgekleidet war, da riß ihn ein Ruf seines Ausgucks wieder hoch.

      „Kapitän! Ein fremdes Schiff! Steuerbord voraus!“

      Wütend fuhr der Levantiner hoch, schlüpfte rasch wieder in seine Kleidung und eilte aus dem Achterkastell auf die Kuhl.

      „Steuerbord voraus?“ fragte er seinen Ersten Offizier, der auch schon zur Stelle war und mit angespannter Miene in die Nacht blickte. „Das heißt also, vom Norden der Insel her?“

      „Ja. Unser Schiff liegt jetzt mit dem Vorschiff nach Westen gerichtet zwischen der Landzunge und dem Ufer, so daß das fremde Schiff offenbar auf die Einfahrt unserer Bucht zusteuert. Ich kann es aber noch nicht erkennen.“

      „Der Ausguck hat sich getäuscht. Dieser Sohn eines räudigen Schakals!“

      „Ich glaube es nicht, o Herr“, sagte der Erste Offizier.

      „Herr!“ rief der Mann im Großmars. „Das Schiff hält auf die Einfahrt der Bucht zu!“

      „Schrei nicht so herum!“ rief der Levantiner zornig. „Willst du, daß er uns entdeckt?“

      „Er muß uns entdecken“, murmelte der Erste Offizier.

      „Was sagen Sie da?“ fragte der Kapitän, der immer noch nicht richtig zu begreifen schien. Halb schlaftrunken, halb ungläubig spähte auch er in die sturmdurchwehte Dunkelheit.

      „Er segelt genau auf uns zu“, sagte der Erste. „Ich kann ihn sehen.“

      „Wie? Brennt seine Laterne?“

      „Nein, Herr. Aber die Umrisse des Schiffes und seiner Segel sind recht gut zu erkennen.“

      „Der Scheitan soll ihn holen, diesen Hund“, brummte der Kapitän. „Was hat er hier zu suchen? In der Bucht ist kein Platz für zwei Schiffe.“

      „Das eigentlich schon, sie wäre geräumig genug. Aber es wäre gut zu wissen, welche Flagge der Fremde führt und welche Absichten er hat.“

      Erschrocken wandte der dicke Levantiner den Kopf. „Wie? Sie wollen doch wohl nicht im Ernst behaupten, daß es wieder die Galeone ist, die uns auf See begegnet ist!“

      „Das Schiff ist ein Dreimaster europäischer Bauart.“

      Der Kapitän bemühte sich, etwas im Dunkeln zu erkennen, und wirklich, jetzt schälten sich auch vor seinem Blick die Konturen des Seglers