Seewölfe Paket 12. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395019
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befand.

      „Verdammte Scheiße!“ murmelte Matt Davies.

      „Das kannst du laut sagen.“ Blacky donnerte seine Faust auf die Planken. „Wir hätten uns doch lieber auf der Insel verstecken sollen. Hasard hätte uns schon wieder herausgehauen.“

      „Sie hätten uns erwischt“, erwiderte der Kutscher böse. „Und du kannst sicher sein, daß sie unsere Hälse in die Länge gestreckt hätten.“

      „Hört auf“, sagte Stenmark. „Es hilft nichts, wenn wir darüber reden, was gewesen wäre, wenn. Wir müssen das Beste aus der Situation herausholen. Dazu müssen wir zuerst wissen, was auf diesem Kahn eigentlich los ist. Der Bootsmann spielt den Kapitän, und dieser kann nie gerade auf den Beinen stehen. Ich frage mich, warum sich der Bootsmann noch nicht zum Kapitän aufgeschwungen hat. Die Piraten sind doch sonst nicht so zimperlich.“

      „Wir müssen vor allem sehen, daß wir die Kleinen im Auge behalten“, warf Matt Davies ein. „Wenn ihnen was passiert, können wir uns auf der ‚Isabella‘ nicht wieder blicken lassen.“

      Sie nickten alle. Die Tatsache, daß man die Zwillinge von ihnen getrennt hatte, war das schlimmste für sie. Wer konnte wissen, wie die Piraten auf Hasards Streiche reagierten? Und daß der Knabe die Puppen tanzen lassen würde, nachdem er nicht mehr unter Aufsicht war, davon waren sie alle überzeugt.

      „Dieser Schotte hat irgend etwas mit uns vor“, murmelte Stenmark. „Ich hab von Anfang an das Gefühl gehabt, daß wir in sein Spiel passen. Warum sonst hat er den kleinen Giftzwerg mit der Riesennase davon abgehalten, den Kutscher zu massakrieren?“

      „Was soll das heißen?“ fuhr der Kutscher auf.

      „Reg dich ab“, sagte Blacky. „Stenmark hat recht. Dieser Schotte hat nicht aus Menschlichkeit so gehandelt. Der will was von uns. Ecossais hat der Riese ihn genannt.“

      „Ecossais heißt nichts anderes als Schotte“, sagte der Kutscher beleidigt. „Ihr hättet ruhig zuhören können, als Ribault euch ein bißchen Französisch beibringen wollte.“

      Matt Davies winkte ab.

      „Blackys Vermutung stimmt“, sagte er. „Und ich glaube, daß wir nicht lange zu warten brauchen, dann erzählt der Schotte uns von selbst, was er von uns will.“

      „Dein Wort in Gottes Ohr“, murmelte der Kutscher. „Hoffentlich beeilt er sich und spricht mit uns, bevor Hasard die Karacke in die Luft gejagt hat.“

      Hasard spürte zum erstenmal, seit er sich an Bord der Karacke befand, so etwas wie Bedenken in sich aufsteigen. Die Gestalt des Koches, zu dem der Schotte sie in die Kombüse geschoben hatte, weckte in ihm und Philip die Erinnerung an Trolle und Gnomen, von denen ihnen Stenmark erzählt hatte.

      Der Koch war nur wenig größer als die Zwillinge. Durch den Höcker, der auf seinen Schultern saß, sah es aus, als rage der Hals von vorn aus dem Oberkörper. Der fleckige Kopf war mit spärlichem, brandrotem Haar bewachsen, das schiefe Gesicht war eine Kraterlandschaft von Falten, Narben und Warzen.

      „Sein Name ist Ratatouille“, hatte der Schotte zu ihnen gesagt, bevor er das Schott hinter ihnen zugeschlagen hatte. Der zwergenhafte Koch hatte hastige Worte hervorgestoßen, und Hasard hatte begriffen, obwohl er kein Wort Französisch verstand, daß es Flüche gewesen waren.

      Der verunstaltete Zwerg hatte sich jetzt vor den Zwillingen aufgebaut und betrachtete sie mißtrauisch. Er sagte etwas und zeigte dabei, daß er sowohl im Ober- als auch im Unterkiefer keine Schneidezähne mehr hatte.

      Hasard schüttelte den Kopf.

      „Nix wuhlewuh“, erwiderte er. „Wir sprechen nur Englisch.“

      Der Koch legte den Kopf schief. Philip hatte den Eindruck, als würde er von einem hungrigen Geier angestarrt, und verkroch sich hinter seinem Bruder.

      „Keine Angst haben“, sagte der Koch, wobei er das h nicht mitsprach. „Wenn ihr immer fleißig und gehorchen, ich gut zu euch.“

      Hasard nickte. Er wußte auch nicht, warum er es tat, aber auf einmal hatte er die Hand ausgestreckt und reichte sie dem häßlichen Gnomen.

      „Ich heiße Hasard und mein Zwillingsbruder Philip“, sagte er.

      Der Gnom starrte einen Moment auf die ihm dargebotene Hand, dann griff er danach, schüttelte sie kräftig und zeigte so etwas wie ein Grinsen.

      „Mein Name Jean-Luc“, sagte er.

      „Aber der Schotte sagte doch, daß du Ratatü heißt“, sagte Hasard.

      „Ratatouille heißen Fraß“, stieß der Koch wütend hervor. „Verdammte Verbrecher an Bord nix mögen mein Essen. Sie sagen, ich nix können kochen.“

      Hasard dachte sich seinen Teil. Wenn er sich in der Kombüse umsah, konnte er sich denken, daß der Zwerg tatsächlich nichts anderes als Fraß zusammenbraute. Der kleine Verschlag, der ihm zur Verfügung stand, strotzte vor Dreck. Er begann in Gedanken, dem Kutscher Abbitte zu leisten. Gegen den Schweinestall hier sah es bei ihm wie im Boudoir einer Prinzessin aus.

      Der Zwerg hatte eine Schachtel von einem Bord genommen und streckte sie Hasard entgegen.

      „Das sein Gift“, sagte er grinsend. „Wenn Scheißkerle mich noch lange ärgern, werden sie Fraß hiermit kriegen. Dann sie schlafen drei Tage, und wenn aufwachen, ist Jean-Luc für immer verschwunden, und sie können sich Fraß selber kochen.“ Er drehte sich um und stellte die Schachtel aufs Bord zurück.

      Hasard war seiner Bewegung mit den Augen gefolgt. Er konnte den Blick nicht von der Schachtel wenden und zuckte regelrecht zusammen, als der Gnom zu ihm sagte: „Los, an Arbeit. Mannschaft warten auf Fraß.“

      Philip mußte sich ums Feuer kümmern, während Hasard die Töpfe heranschleppen mußte, die sicher mehr als zehn Liter faßten. Hasard wunderte sich, daß Jean-Luc keine Hilfe hatte. Immerhin war es nicht einfach, über hundert Kerle mit Essen zu versorgen. Als Hasard den Zwerg fragte, ob dem Kapitän denn sein Essen schmecke, schüttelte Ratatouille den Kopf.

      „Kapitän und Männer von Pont supérieur haben eigenes Koch“, sagte er und schüttelte sich vor Zorn. „Er kriegen bestes Fleisch und alle guten Sachen.“

      Hasard erwiderte nichts. Ihm wurde fast schlecht, als er den Dreck in den Töpfen sah, die nur oberflächlich gereinigt worden waren.

      Als Ratatouille für einen Moment aus der Kombüse verschwand, hatten die Zwillinge zum erstenmal Gelegenheit, miteinander zu sprechen.

      „Wir müssen uns mit dem Kerl gut stellen“, flüsterte Hasard.

      „Warum?“ fragte Philip. „Wenn ich mir das alles hier anschaue, dann glaube ich, daß die Mannschaft recht hat, wenn sie ihn ‚Fraß‘ nennt.“

      „Klar hat die Mannschaft recht“, erwiderte Hasard ungeduldig, weil sein Bruder nicht merkte, auf was er hinauswollte. „Aber solche Typen, die von niemandem ein gutes Wort hören, fressen dir aus der Hand, wenn du nett zu ihnen bist.“

      „Woher weißt du denn das?“ fragte Philip.

      „Das hat Carberry mir erzählt“, sagte Hasard. „Und ich glaube, er hat recht. Dieser Ratatü ist bestimmt kein schlechter Kerl, wenn er auch aussieht wie die Ausgeburt der Hölle. Wahrscheinlich kann er mit dem Zeug, das er erhält, gar nichts anderes kochen als Fraß.“

      „Und was erhoffst du dir von ihm?“ fragte Philip.

      „Informationen“, erwiderte Hasard wichtig. Er drehte den Kopf und nickte zum Bord hoch. „Hast du gehört, was er gesagt hat? Gift, nach dem die Mannschaft drei Tage schlafen würde. Wenn wir es schaffen, das Zeug unter das Essen zu mischen, können wir die Karacke im Handstreich nehmen, ohne zu kämpfen!“

      „Du vergißt, daß die Männer auf dem Quarterdeck und auf der Poop sein Zeug nicht essen müssen“, warf Philip ein.

      „Das stimmt“, sagte Hasard. „Aber da wird uns schon noch was einfallen.