Seewölfe Paket 12. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395019
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Bloody James kannte die Insel und sagte, sie sei unbewohnt.“

      „Wer ist dieser ‚Bloody James‘?“ fragte der Schotte. „Wir haben noch nie von ihm gehört.“

      „Sei froh“, antwortete der Kutscher, „das ist der übelste Höllenhund, unter dem ich je gefahren bin. Es heißt, daß er nach jeder erfolgreichen Beute die Hälfte seiner Mannschaft umbringt, damit sein Anteil größer wird.“

      Der Schotte starrte den Kutscher mit schiefgelegtem Kopf mißtrauisch an. So ganz schien er die Geschichte von Bloody James nicht zu glauben. Der kleine Franzose mit dem riesigen Riechkolben redete wieder auf ihn ein und vollführte mit seinem Entermesser die Bewegung des Halsabschneidens.

      „Euer Freund mit dem niedlichen Gesichtserker würde sehr gut in die Crew von Bloody James passen“, sagte der Kutscher zum Schotten, dessen Gesicht sich zu einem Grinsen verzog.

      „Ich kann den Kerl auf den Tod nicht ausstehen“, sagte er, ohne die Stimme zu senken. „Beim nächsten Gefecht werde ich ihm eine Kugel in den Rücken verpassen, das habe ich mir fest vorgenommen.“ Er grinste den kleinen Franzosen an, als hätte er ihm ein Kompliment gesagt.

      Die anderen Piraten schienen tatsächlich kein Wort Englisch zu verstehen. Sie grinsten zurück. Nur der kleine Franzose drehte wütend ab und marschierte zur Karacke zurück.

      Matt Davies atmete auf. Er tauschte einen kurzen Blick mit Stenmark und Blacky. Sie wußten, was sie nun erwartete. Der Schotte würde sie mit aufs Piratenschiff nehmen, und der Kapitän der Karacke würde entscheiden, ob sie an einer Rah aufgebaumelt oder in die Crew aufgenommen wurden.

      3.

      Wenn die grimmig blickenden Gesichter der wilden Gestalten an Bord der Karacke es noch nicht getan hatten, so verriet ihnen der Name des Schiffes, den der Kutscher am Heckspiegel entzifferte, deutlich, was sie erwartete.

      „L’Exécuteur“, stand dort in großen, verschnörkelten Buchstaben.

      „Das heißt ‚Der Henker‘“, sagte Hasard zu seinem Bruder.

      „Woher weißt du das?“ fragte Philip zurück.

      „Hast du die Galionsfigur nicht gesehen?“ flüsterte Hasard. Seine Augen funkelten vor Abenteuerlust. „Ein Mann mit einer roten Kapuze über dem Kopf und einem Henkersbeil in der Hand.“

      Philip nickte. Ihm war die ganze Geschichte so unangenehm wie den anderen Männern. Er konnte Hasards Begeisterung nicht teilen. Ihm wäre es lieber gewesen, Dad hätte es geschafft, die Karacke zu versenken.

      Kräftige Arme streckten sich ihnen entgegen, als sie über das Schanzkleid kletterten. Der Kutscher betrat als erster das Deck, dann folgten die Zwillinge und die anderen Männer.

      Der Blick des Kutschers glitt sofort zum Achterdeck hinauf. Der Riese mit dem mächtigen Brustkasten, über den das messerbestückte Bandelier lief, lehnte lässig an der Balustrade, die das Quarterdeck zur Kuhl hin abgrenzte.

      Hasard stellte sich neben den Kutscher und ließ seinen Blick über das ziemlich verwüstete Deck der Karacke gleiten. Die Großstenge war voll in die Kuhl geschlagen und hatte ein Boot, das auf der Gräting festgezurrt gewesen war, in Kleinholz verwandelt.

      Hasard zuckte zusammen, als ein Mann auf ihn und den Kutscher zutrat. Der Kerl war untersetzt und muskulös, wie Hasard noch keinen Mann gesehen hatte. Auf seinen Schultern saß fast ohne Hals ein kahler Kopf. Das Gesicht und auch die Glatze waren mit Pockennarben übersät. Die Haut hatte eine undefinierbare Farbe so zwischen Gelbrot und Graugrün. So ungefähr hatte Hasard sich immer die von den Toten auferstandenen Geister vorgestellt, von denen ihnen Batuti des öfteren berichtet hatte.

      Der Unheimliche redete mit gequetschter Stimme auf den Schotten ein, der sich in aller Ruhe anhörte, was der Mann zu sagen hatte. Ehe er antworten konnte, ertönte eine dröhnende Stimme vom Quarterdeck.

      „Ecossais!“

      Der Schotte wandte den Kopf und starrte den Riesen mit dem roten Kopftuch an.

      „Euer Kapitän?“ fragte der Kutscher flüsternd.

      Fast ebenso leise gab der Schotte zurück: „Unser Bootsmann. Aber er führt das Schiff.“ Es schien, als ob er noch mehr sagen wollte, doch der Glatzkopf gab ihm einen Stoß in den Rücken, der ihn aufs Quarterdeck zutrieb.

      Wütend wandte der Schotte den Kopf und zischte ein paar Worte auf französisch. Der Glatzkopf trat einen Schritt zurück. Seine Hand legte sich auf den Griff eines Entermessers, das in einer Schärpe steckte, die er sich um seinen Wanst geschlungen hatte.

      Der Schotte winkte dem Kutscher und den anderen, ihm zum Quarterdeck zu folgen. Der Riese war von der Balustrade verschwunden. Sie sahen ihn erst wieder, nachdem sie den schmalen Niedergang hinaufgestiegen waren. Er stand unterhalb der Poop vor einem großen hölzernen Bottich, den ein paar Männer mit heißem Wasser füllten, das sie von der Kuhl heraufschleppten.

      Der Riese streifte sein Bandelier ab und reichte es einem Mann. Dann entkleidete er sich ganz und stieg in den Bottich. Sein braungebrannter Körper war mit Narben übersät.

      Hasard riß die Augen auf. So etwas hatte er noch nicht gesehen. Ein Mann, der so viele Narben hatte und immer noch lebte, mußte die sieben Leben einer Katze haben.

      Der Schotte wandte sich an die Männer von der „Isabella“ und wies auf den Riesen im Bottich, der sich von einem Mulatten den Rücken einseifen ließ.

      „Das ist Le Requin, unser Bootsmann“, sagte er. „Er ist der Herrscher auf diesem Schiff, wenn unser Kapitän nicht mehr geradestehen kann – was meistens der Fall ist“, fügte er leicht grinsend hinzu.

      Der Riese grinste ebenfalls.

      Der Schotte begann zu erzählen, wo er die Männer aufgelesen hatte. Als er mit seinem Bericht zu Ende war, schwieg der Riese eine Weile. Erst als er sich aus dem Bottich erhob und der Mulatte ihm ein großes Tuch um die Schultern legte, begann er zu sprechen.

      „Willkommen an Bord der ‚L’Exécuteur‘“, sagte er in einem akzentfreien Englisch. „Ich kann gute, kräftige Männer gebrauchen. Wenn ihr den Tod nicht scheut, einen heißen Kampf liebt und eine Menge Geld gebrauchen könnt, seid ihr bei mir an der richtigen Adresse. Ecossais wird euch zeigen, wo ihr schlafen könnt.“ Er nickte zu den Zwillingen hin. „Die beiden werden dem Koch helfen.“

      Hasard lief rot an.

      „Ich geh nicht in die Kombüse!“ stieß er hervor. „Ich kann mit einer Kanone …“

      „Wer auf diesem Schiff Widerreden hat, wird ausgepeitscht, gehängt, geköpft und den Fischen zum Fraß vorgeworfen“, sagte der Riese. Er stieg in seine gestreifte Tuchhose und kümmerte sich nicht mehr um die Männer.

      Hasard hätte sich fast verschluckt. Sein Gesicht war rot angelaufen. Philip sah, daß sein Bruder fast vor Wut platzte. Er zog ihn schnell hinter den Kutscher zurück.

      Sie folgten dem Schotten hinunter in die Kuhl. Die anderen Piraten musterten sie mißtrauisch. Wahrscheinlich hatten sie erwartet, daß Le Requin die Männer töten lassen würde, nachdem er aus ihnen herausgequetscht hatte, was das für ein Schiff gewesen war, das ihnen die Masten zerfetzt hatte.

      Der Kutscher konnte ihr Mißtrauen verstehen. Er selbst hatte keine Antwort auf die vielen Fragen, die ihn bestürmten, und er wollte sie auch nicht dem Schotten stellen, auch wenn er das Gefühl hatte, diesem Mann trauen zu können.

      Die Karacke war mit den über hundert Mann hoffnungslos überbelegt. Die Männer hatten kaum Platz, sich irgendwo einmal lang auszustrecken. Dennoch hatte der Bootsmann sie aufgenommen. Aus Menschlichkeit? Der Kutscher schüttelte den Kopf. Unter den Flibustiern gab es alles, nur keine Menschlichkeit. Hier galt es, seinen eigenen Vorteil zu wahren und ihn mit allen Mitteln zu verteidigen.

      Der Schotte wies ihnen einen Platz im Vorschiff auf dem Hauptdeck an. Überall lag Zeug herum, das irgendeinem der Piraten gehörte. Der Platz war knapp,