Wie bereits beim Addendum arbeitet die EZB dabei mit „bankspezifischen aufsichtlichen Erwartungen“ zur adäquaten Risikovorsorge für NPL-Altbestände. Diese Erwartungen werden im Dialog mit den einzelnen Banken festgelegt und basieren auf einem Benchmarking mit vergleichbaren Banken.
Auch wenn dies einer deutlichen Verschärfung der Erwartungen der Aufsicht gleichkommt, gilt dies vorerst nur für die direkt von der EZB beaufsichtigten Institute, also in aller Regel für große Institute. Die Masse an ausstehenden NPLs befindet sich jedoch in den Bilanzen von kleinen und mittelgroßen Banken (vgl. Abschnitt 3). Diese werden i.d.R. von den nationalen Behörden beaufsichtigt. Ob diese die Erwartungen der EZB zur NPL-Risikovorsorge übernehmen werden oder die EZB vermehrt von ihrem Selbsteintrittsrecht[47] Gebrauch machen wird, bleibt abzuwarten.
5.1 Sekundärmarkt-Richtlinie
Schon im Aktionsplan für den Abbau notleidender Kredite in Europa vom 11.07.2017 verlangte der Ministerrat von der EU-Kommission, bis Sommer 2018 eine EU-Strategie für die Entwicklung von Sekundärmärkten zu entwickeln und Hindernisse für die Übertragung der Kredite auf Nichtbanken abzubauen. Daraufhin schlug die EU-Kommission am 14.03.2018 eine Richtlinie über Kreditdienstleister, Kreditkäufer und die Verwertung von Sicherheiten vor.[48]
Ziel der Richtlinie ist es, die Entwicklung von NPL-Sekundärmärkten in der EU zu beschleunigen, um den hohen NPL-Bestand zu verringern und eine erneute, künftige NPL-Erhöhung zu verhindern.[49]
Obwohl die EU-Kommission, der Rat und das Europäische Parlament die – damals noch nicht vorgeschlagene – Richtlinie zu den NPL-Sekundärmärkten am 14.12.2017 zu einer Priorität für die Jahre 2018/2019 erklärten,[50] blieb die Annahme der Richtlinie noch vor den Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai 2019 aus. Auch bis November 2020 wurde die Richtlinie nicht angenommen.
Der Kommissionsvorschlag umfasst einerseits Regeln für Kreditdienstleister und Kreditkäufer (Sekundärmarktteil) sowie andererseits ein Verfahren für die außergerichtliche Verwertung von Sicherheiten (Accelerated Extrajudicial Collateral Enforcement (AECE)). Aufgrund der Tatsache, dass v.a. der Rat letzteres durchaus kritisch sah, wurden beide Teile formell voneinander getrennt. Dies sei angemessen, „da es dringend notwendig ist, die Entwicklung eines gut funktionierenden Sekundärmarktes für notleidende Kredite zu unterstützen“.[51]
Am 27.03.2019 nahm der Rat seine Verhandlungsposition zum Sekundärmarktteil der Richtlinie an.[52] Erst am 27.11.2019 konnte sich der Rat auf eine Verhandlungsposition zum AECE einigen.[53] Dem federführenden Wirtschaftsausschuss (ECON) des Europäischen Parlaments gelang es bis Anfang November 2020 nicht, sich auf eine Verhandlungsposition zu den beiden Dossiers zu einigen. Trilogverhandlungen zwischen Rat und Parlament stehen daher noch aus.
Da unklar ist, wie sich das neu gewählte Parlament positionieren wird, werden im Folgenden jeweils die Kommissionsvorschläge und die Ratsposition wiedergegeben.
5.2 Kreditdienstleister und -käufer
Die EU-Kommission will mit den neuen Vorgaben über Kreditdienstleister und -käufer einen EU-weiten Markt für Kreditdienstleister, die im Auftrag von Banken oder Kreditkäufern die Bedienung von Kreditverträgen überwachen oder vertragliche Rechte und Pflichten durchsetzen, schaffen.
5.2.1 Kreditdienstleister
Die Kommission hatte daher vorgeschlagen, dass Kreditdienstleister ihre Dienstleistungen nach einer Zulassung bei einer zuständigen nationalen Behörde in der gesamten EU erbringen dürfen (EU-Pass).[54] Dazu müssen sie die zuständige Behörde in ihrem Herkunftsmitgliedstaat u.a. über den Mitgliedstaat, in dem sie ihre Tätigkeiten ausüben wollen, informieren.[55] Grundsätzlich soll die zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaats die Tätigkeiten des Kreditdienstleisters – auch diejenigen im EU-Ausland – überwachen. Die zuständige Behörde des Aufnahmemitgliedstaats kann jedoch „angemessene Verwaltungsstrafen oder Bußgelder“ verhängen und „Abhilfemaßnahmen ergreifen“, wenn sie feststellt, dass der Kreditdienstleister gegen die Vorschriften der Richtlinie verstößt und die Behörde des Herkunftsmitgliedstaats nicht einschreitet.[56] Als Voraussetzung für die Zulassung schlug die EU-Kommission vor, dass Geschäftsleitung und qualifizierte Anteilseigner von Kreditdienstleistern u.a. „ausreichend gut beleumundet“ sein müssen. Auch dürfen sie nicht in ein laufendes Insolvenzverfahren verwickelt oder für zahlungsunfähig erklärt worden sein.[57]
Die Kommission schlug vor, dass Kreditdienstleister die Dienstleistungen für Kreditgeber nur auf Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung erbringen dürfen. Diese muss u.a. Angaben über die zu erbringenden Leistungen, die Vergütung und den Umfang der Vertretungsmacht gegenüber dem Kreditnehmer enthalten. Auch wollte die Kommission, dass Kreditdienstleister die von Kreditgebern erhaltenen Anweisungen aufzeichnen und diese – wie auch ihre Korrespondenz mit Kreditgebern und Kreditnehmern – mindestens zehn Jahre aufbewahren und sie den zuständigen Behörden auf Anfrage zur Verfügung stellen.[58]
Der Ministerrat unterstützt den Ansatz der Kommission und stellt darüber hinaus klar, dass die Tätigkeit der Kreditdienstleister auch solche Kredite umfassen kann, die nicht notleidend sind. Mit dem EU-Pass für Kreditdienstleister ist der Ministerrat grundsätzlich einverstanden. Er schärft aber erwartungsgemäß die Befugnisse nationaler Aufseher. So sollen die Aufsichtsbehörden des Gaststaates zusätzliche Befugnisse bekommen, um auch ohne Einverständnis des Aufsehers des Heimatstaates intervenieren zu können, wenn sofortiges Handeln notwendig ist, um einer ernsthaften Bedrohung des kollektiven Interesses der Kreditnehmer zu begegnen.[59]
Darüber hinaus stellt der Rat klar, dass der EU-Pass nur für die Tätigkeit von Kreditdienstleistern gilt, die sich auf Kredite bezieht, die von CRR-Kreditinstituten[60] vergeben wurden. Mitgliedstaaten, die die Tätigkeit von Kreditdienstleistern auch für Nicht-Bankkredite zulassen, können dies zwar tun; in dem Fall findet der EU-Pass aber keine Anwendung.[61]
Unabhängig davon, ob ein Kreditdienstleister grenzüberschreitend arbeitet, sollen die Aufseher stärkere Eingriffsbefugnisse bekommen. So sollen sie interne Verfahren (policies und internal governance and control arrangements) beim Kreditdienstleister verlangen können, die die Achtung der Rechte des Kreditnehmers in Übereinstimmung mit den Gesetzen über den Kreditvertrag garantieren und auch sonst eine faire und sorgfältige Behandlung der Kreditnehmer gewährleisten.[62]
Der Rat hebt zudem die Zulassungsvoraussetzungen für Kreditdienstleister etwas an: Neben einer sauberen Bilanz in Bezug auf Geldwäsche muss das Management des Kreditdienstleisters als Ganzes ausreichend Kenntnisse und Erfahrung vorweisen, um die Tätigkeiten als Kreditdienstleister kompetent und verantwortungsvoll