Errichtung einer „fiskalischen Letztsicherung“ für den EU-Bankenabwicklungsfonds,
Eigenkapitalhinterlegung für Staatsanleihen,
Einführung von mit Staatsanleihen besicherten Wertpapieren (Sovereign Bond-Backed Securities (SBBS)),
Schaffung eines Europäischen Einlagensicherungssystems (European Deposit Insurance System (EDIS)),
Vollendung der Kapitalmarktunion und Stärkung der Finanzaufsicht sowie zum
Abbau des Bestands an notleidenden Krediten (NPL).
Die EU-Kommission schlug schon 2017 vor, mit vier Maßnahmen den NPL-Bestand in den Bankbilanzen abzubauen und gleichzeitig zu verhindern, dass neue notleidende Kredite hinzukommen. Konkret beabsichtigte die Kommission,
die Aufsichtspraktiken zu „verbessern“,
die Herausbildung von Sekundärmärkten für notleidende Kredite zu fördern,
„Defizite“ bei nationalen Insolvenzverfahren und andere strukturelle Hindernisse abzubauen sowie
eine „weitere Umstrukturierung des Bankensektors“ zu befördern.
Der Ministerrat beschloss daraufhin bereits am 11.07.2017 einen Aktionsplan für den Abbau notleidender Kredite in Europa, in dem er die Vorschläge der Kommission weiter konkretisierte.[8] Der Aktionsplan umfasst vier Hauptelemente:
1 Der Ministerrat will die Aufsichtspraktiken stärken und fordert daherdie EU-Kommission dazu auf, Vorschläge zur Klärung der Befugnisse der Aufsichtsbehörden im Hinblick auf die Rückstellungspolitik der Banken für notleidende Kredite[9] zu machen,die Europäische Zentralbank (EZB) und die nationalen Bankenaufseher dazu auf, bis Ende 2018 für „weniger bedeutende“ Banken des Euro-Raums ähnliche Leitfaden für den Umgang mit notleidenden Krediten herauszugeben, wie die EZB es bereits für die „bedeutenden“ Banken[10] getan hat.
2 Der Ministerrat will die Entstehung von Sekundärmärkten für notleidende Kredite fördern und fordert daherdie EU-Kommission, die EZB und die European Banking Authority (EBA) dazu auf, bis Ende 2017 die Infrastruktur für standardisierte Daten zu notleidenden Krediten zu verbessern sowie Transaktionsplattformen für solche Kredite zu schaffen,die Kommission dazu auf, bis Sommer 2018 eine EU-Strategie für die Entwicklung von Sekundärmärkten zu entwickeln und Hindernisse für die Übertragung der Kredite auf Nichtbanken abzubauen.
3 Der Ministerrat will strukturelle Hindernisse abbauen und fordert daher die EU-Kommission dazu auf, bis Ende 2017 die Effizienz der Darlehensvollstreckung auf nationaler Ebene (Beitreibungsquoten, -dauer und -kosten) zu vergleichen.
4 Der Ministerrat will den „möglicherweise“[11] notwendigen Abbau von „Hindernissen für eine weitere Umstrukturierung des Bankensektors“ verfolgen.[12]
Die EU-Kommission reagierte rasch auf diesen Aktionsplan und legte bereits wenige Monate später eine Mitteilung zur Vollendung der Bankenunion vor.[13] Darin ging die EU-Kommission auf die Aufforderungen des Ministerrates ein und kündigte an:
eine Blaupause dafür, wie die Mitgliedstaaten NPLs an nationale Vermögensverwaltungsgesellschaften (Bad Banks) auslagern können, ohne dabei gegen das Beihilferecht zu verstoßen,
Legislativmaßnahmen zur Stärkung von Sekundärmärkten für NPLs,
Legislativmaßnahmen, die es Banken erlauben, sich mit ihren Kreditnehmern außergerichtlich und schnell auf die Zwangsvollstreckung von Sicherheiten zu einigen; so könne die Effizienz der Vollstreckung gesteigert werden, ohne dass die nationalen Insolvenzregeln aufwendig harmonisiert werden müssten,
ggf. die Einführung von Mindesteigenkapitalvorschriften zur Unterlegung von NPLs durch entsprechende Änderungen der Eigenkapitalrichtlinie bei gleichzeitiger Einführung einer einheitlichen Definition für diese Kredite.
Wie im weiteren Verlauf dargelegt wird, wurden die Vorschläge der EU-Kommission zur prudentiellen Behandlung von NPLs – teilweise erheblich verändert – mittlerweile angenommen. Die Vorschläge zur Förderung von Sekundärmarkten für NPLs fanden bis jetzt (November 2020) jedoch nicht die notwendige Mehrheit unter den europäischen Gesetzgebern.
2.2 NPLs im Kontext von Bankenunion und ESM-Review
Schon in der ersten Phase der WWU-Reformbemühungen wurde der Umgang mit NPLs intensiv diskutiert. Das primäre Ziel der anvisierten Maßnahmen war allerdings krisenbedingt ein defensives: Es galt, akute Risiken für die Finanzmarktstabilität abzuwenden, die sich aus der engen Verknüpfung zwischen Banken mit hohen NPL-Beständen und den jeweiligen Mitgliedstaaten, in denen die Banken beheimatet waren/sind, ergaben.
Mit der nach und nach erfolgten Konkretisierung der Bemühungen zur Schaffung einer Bankenunion änderte sich jedoch auch die politische Relevanz der NPL-Problematik.
Zwar sah die – schon im Juni 2016 angenommene – Roadmap für die Bankenunion[14] vor, dass „weitere Schritte bei der Risikominderung und Risikoteilung im Finanzsektor – und zwar in der richtigen Reihenfolge – unternommen werden müssen, um einige verbleibende Herausforderungen anzugehen.“[15] Mit der Diskussion über politisch sensible Integrationsschritte wie das EU-Einlagensicherungssystem (EDIS) oder die gemeinsame Letztsicherung (Common Backstop) durch den ESM für den neuen europäischen Bankenabwicklungsfonds (Single Resolution Fund (SRF)) betonten einige Euro-Staaten immer wieder die Notwendigkeit des Risikoabbaus, bevor Risiken innerhalb des EDIS oder über den SRF-Backstop auch geteilt werden können. Andere Euro-Staaten sprachen sich dagegen für ein paralleles Vorgehen von Risikoreduzierung und Risikoteilung aus.
Bei der Sitzung der Eurogruppe am 19.02.2018 wurde der Begriff der „Risikoreduzierung“ erstmals näher präzisiert. Explizit wurden dabei die notleidenden Kredite als ein Gradmesser für das Ausmaß an Risikoreduzierung genannt.[16] Am 06.06.2018 legten die EU-Kommission, die EZB und der SRB einen Joint Report vor, der als Basis zur Messung der Risikoreduzierung dienen kann.[17] Neben NPLs werden darin fünf weitere Indikatoren herangezogen.[18] Darüber, ob auch andere Indikatoren – etwa das von Staatsanleihen ausgehende Risiko in Bankenbilanzen – berücksichtigt werden sollten, gab es im Rat erhebliche Meinungsunterschiede.[19] Auch im Vorfeld des Euro-Gipfels vom Dezember 2018 legte die EU-Kommission einen Fortschrittsbericht über den Abbau notleidender Kredite und eine weitere Risikominderung in der Bankenunion vor.[20]
Obgleich unbestritten, dass NPLs als Indikator für den Risikoabbau herangezogen werden, gibt es in der Euro-Gruppe keine Einigung darüber, welches NPL-Niveau als Voraussetzung für eine weitere oder vorzeitige Risikoteilung ausreichen könnte. Relevant ist dies v.a. im Kontext des ESM-Backstop für den SRF.
Der ESM-Backstop wird in Form einer ESM-Kreditlinie für den SRF spätestens 2024 eingerichtet. Über eine frühere Einführung –