5.2.2 Kreditkäufer
Der Richtlinienvorschlag der EU-Kommission findet nur auf Kreditkäufer Anwendung, die keine Banken sind. Wer Kredite an Kreditkäufer veräußern will, muss vorher Informationen zur Verfügung stellen, mit denen die potenziellen Käufer den Wert des Kreditvertrags ermitteln können. Sie sollen etwa einschätzen können, wie wahrscheinlich es ist, dass sie über die Veräußerung von Sicherheiten den Wert des Vertrags wiedereinbringen können. Die EBA soll das Format für die Übermittlung dieser Informationen harmonisieren.
Der Vorschlag sieht außerdem umfassende Meldepflichten für kreditverkaufende Banken vor. Sie müssen die zuständigen Aufsichtsbehörden bei jedem Kreditvertrag über den Kreditnehmer, den Kreditkäufer, den Wert und die Art der Sicherheiten informieren sowie darüber, ob es sich um einen Verbraucherkredit handelt.[64] Kreditkäufer müssen ihre zuständigen Behörden informieren, wenn sie beabsichtigen, einen Kreditvertrag unmittelbar, d.h. ohne Einschaltung eines Gerichts, zu vollstrecken. Sie müssen die Behörden auch über den Kreditnehmer, sich selbst, den Wert und die Art der Sicherheiten informieren sowie darüber, ob es sich um einen Verbraucherkredit handelt.[65]
Der Ministerrat lockert die Meldepflicht der kreditverkaufenden Banken. Sie sollen Transaktionen nur quartalsweise an die Aufsicht melden müssen, dazu soll aber auch die Identität der Kreditkäufer gehören. Aggregierte Meldungen sollen über die Anzahl und Umfang der veräußerten Kredit-Portfolios erbracht werden sowie darüber, ob Verbraucherkredite betroffen sind. Der Rat stellt klar, dass für Kreditkäufer (die nicht bereits Banken sind) keine Zulassungspflicht gelten soll. Es wird aber eine Meldepflicht eingeführt. Die EBA solle so Anbieter und Nachfrager von Kredit-Portfolios einfacher zusammenbringen können. Der Rat streicht die Meldepflicht im Vorfeld einer Vollstreckung.
5.3 Außergerichtliches Verfahren für die Realisierung von Sicherheiten
Wenig Chance auf eine baldige Annahme hat der Vorschlag der EU-Kommission zur Einrichtung eines beschleunigten Verfahrens zur außergerichtlichen Realisierung von Sicherheiten (AECE-Verfahren (Accelerated Extrajudicial Collateral Enforcement)). Die Kommission hatte vorgeschlagen, dass alle Mitgliedstaaten einen solchen „eigenständigen gemeinsamen Mechanismus“ einführen sollen. Das AECE-Verfahren soll neben die nationalen gerichtlichen und außergerichtlichen Vollstreckungsverfahren gestellt werden.[66]
Das AECE-Verfahren soll nur für Kredite an Unternehmen und nicht für Verbraucherkredite gelten. Kreditgeber und Unternehmensschuldner „können“ das Verfahren in Anspruch nehmen. Sie müssen dies schriftlich oder, falls vom Mitgliedstaat vorgeschrieben, notariell vereinbaren. Kreditgeber müssen Unternehmensschuldner „unmissverständlich“ über die Folgen des Rückgriffs auf das AECE-Verfahren informieren.[67]
Das AECE-Verfahren gilt nur für Kreditverträge, die durch „bewegliche oder unbewegliche Vermögenswerte“ besichert sind; ausgenommen ist jedoch etwa der Hauptwohnsitz des Kreditnehmers.[68] Die AECE-Vereinbarungen müssen die Kriterien, die die Anwendung des AECE-Verfahrens auslösen (Realisierungsfall) und einen Zeitraum nach dem Realisierungsfall angeben, in dem der Kreditnehmer den Kredit noch zurückzahlen kann, um das AECE-Verfahren abzuwenden.
Die Mitgliedstaaten können eine Verlängerung dieses Zeitraums um mindestens sechs Monate vorsehen, falls Kreditnehmer bereits 85% des Kredits zurückgezahlt haben. Die Vereinbarungen müssen einen „direkt vollstreckbaren Titel“ enthalten, so dass der Kreditgeber nicht vor Gericht ziehen muss.[69] Der Kreditgeber informiert den Kreditnehmer „in der Regel“ binnen vier Wochen nach einem Realisierungsfall über seine Absicht, nach dem AECE-Verfahren zu vollstrecken, und darüber, ob eine öffentliche Versteigerung oder ein Privatverkauf stattfinden wird. Nach Erhalt der Informationen darf der Kreditnehmer über die Sicherheiten nicht mehr verfügen.[70]
Der Kreditnehmer kann die Durchführung des AECE-Verfahrens vor einem nationalen Gericht anfechten, wenn die Bewertung der Vermögenswerte, die öffentliche Versteigerung oder der Privatverkauf nicht nach den in der Richtlinie festgelegten Vorschriften stattgefunden hat.[71]
Nach Bedenken des Ministerrats über einen angemessenen Rechtsschutz im AECE-Verfahren und darüber, ob und wie der Realisierungsfall auf nationaler Ebene definiert werden kann, hat der Rat am 27.11.2019 seine Verhandlungsposition angenommen. Auch war strittig, ob Immobilien als Sicherheit zulässig sein sollten und wie bei einem Weiterverkauf einer Forderung mit dem bereits vereinbarten AECE-Verfahren umgegangen wird.
6 NPLs und COVID-19
Die wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie sind dramatisch. Es ist unstrittig, dass die Pandemie zu umfangreichen Kreditausfällen führen wird. Kreditmoratoria und anderweitige nationale und europäische Unterstützungsmaßnahmen haben bisher (Stand November 2020) zwar einen massiven Anstieg der NPLs in den Bankenbilanzen vermieden, aber es ist unwahrscheinlich, dass es dabei bleibt. Die EZB geht in einem „schweren, aber plausiblen Szenario“ nur für die Euro-Zone von NPLs in Höhe von 1.400 Mrd. EUR aus.[72]
Vor diesem Hintergrund werden auf europäischer Ebene die Bemühungen gestärkt, NPLs aus den Bankenbilanzen zu entfernen. Anders als bisher liegt der Fokus weniger auf die Reduktion bestehender Risiken, bevor diese im Kontext der Bankenunion geteilt werden sollen. Stattdessen sollen die verstärkten NPL-Bemühungen die Kreditvergabefähigkeit der Banken der EU, und damit die wirtschaftliche Erholung garantieren.[73]
Im Folgenden wird auf zwei regulatorische Entwicklungen eingegangen. Abschnitt 6.1 beleuchtet die Kommissionsvorschläge zur einfacheren Verbriefung von NPLs. Abschnitt 6.2 befasst sich mit den Vorabüberlegungen für den neuen NPL-Aktionsplan für die EU, der im Dezember 2020 erwartet wird.
6.1.1 Vorschlag der EU-Kommission
Als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie hat die EU-Kommission Änderungen in der EU-Verbriefungsverordnung vorgeschlagen, die Verbriefung von NPLs vereinfachen sollen.[74] Damit will die Kommission die Kreditvergabekapazität der Banken und damit die wirtschaftliche Erholung nach der COVID-19-Krise unterstützen.
Die Kommission schlug für NPL-Verbriefungen drei Ausnahmen von den allgemeinen Vorschriften für Verbriefungen vor. Sie definiert NPL-Verbriefungen als Verbriefungen, die durch einen Pool von Forderungen besichert sind, von denen mindestens 90% notleidend sind.[75]
Bisher mussten der Kreditgeber, der Originator oder der Sponsor einer Verbriefungszweckgesellschaft einen materiellen Nettoanteil an den verbrieften Forderungen behalten (Risikoselbstbehalt). Künftig kann dies bei NPE-Verbriefungen auch der Forderungsverwalter, d.h. ein Unternehmen, das NPEs auf täglicher Basis verwaltet.[76]
Bisher betrug der Risikoselbstbehalt 5% des materiellen Nettoanteils der verbrieften Forderungen. Bei NPE-Verbriefungen wird er künftig auf 5% des ausstehenden Wertes der Forderungen festgesetzt.[77]