20. Von Denen, die schlecht entsagen.
Endlich sehen wir, was ich mit Scham sage, wie die Meisten so entsagt haben, daß sie offenbar von den frühern Lastern und Sitten Nichts geändert haben als den Stand und die weltliche Kleidung. Denn sie erwerben eifrig Geld, das sie nicht einmal vorher hatten; oder sie hören nicht auf, das, welches sie hatten, zu behalten und es, was noch trauriger ist, noch zu vermehren unter dem Vorwande, daß sie ja nach Gerechtigkeit, wie sie behaupten, ihre Diener oder Brüder noch immer ernähren müssen. Oder sie bewahren es wenigstens mit dem Vorgeben, ein Kloster gründen zu wollen, das sie wie Äbte einrichten zu können sich anmäßen. Wenn diese wahrhaft den Weg der Vollkommenheit suchen würden, so würden sie vor Allem das mit ganzer Kraft durchzuführen trachten, daß sie frei vom Geld und aber auch von den frühern Neigungen und allen Zerstreuungen sich selbst allein und entblößt so unter den Befehl der Väter stellen würden, daß sie nicht nur keine Sorge um Andere, sondern nicht einmal um sich selbst trügen. Statt dessen nun geschieht es, daß, während sie den Brüdern vorzustehen streben, sie selbst sich nie den Vätern unterwerfen, und daß sie so im Hochmuth beginnend, voll Verlangen Andere zu unterrichten, selbst weder lernen, was man Gott zu leisten hat, noch es wirklich leisten. Diese müssen nothwendig nach dem Ausspruche des Herrn als blinde Führer der Blinden gleichfalls in die Grube fallen. Obwohl dieser Hochmuth der Gattung nach einer ist, so ist er doch der Art nach doppelt: die eine Art heuchelt beständig Ernst und Würde, die andere gibt sich mit zügelloser Freiheit ganz dem Gekicher und lautem thörichtem Lachen hin; jene hat Gefallen an der Schweigsamkeit, diese verschmäht es, sich mit Stillschweigen Gewalt anzuthun; sie schämt sich nicht, überall herauszuschwätzen, selbst unpassendes und thörichtes Zeug, während sie sich doch schämt, für geringer oder ungelehrter als die Übrigen gehalten zu werden. Die eine trachtet, um sich zu erheben, nach dem Amte des Clerus, die andere verschmäht es in der Meinung, daß es entweder der frühern Würde oder dem Werthe ihres Lebens und ihrer Abstammung nicht angemessen oder gar nicht ebenbürtig sei. Möge Jeder für sich prüfen und erwägen, welche von diesen beiden als die schlechtere zu erklären sei. Sicher ist es eine und dieselbe Gattung des Ungehorsams, das Gebot des Obern zu verletzen, geschehe es jetzt aus dem Drange nach Arbeit oder aus der Begierde nach Müssiggang, und man hat den gleichen Verlust, ob man die Ordnung des Klosters dem Schlafe oder dem Wachen zu lieb verletzt. Endlich ist es aber so arg, das Gebot des Abtes, welches Lesen befiehlt, zu übertreten, als wenn du den Befehl zu schlafen verachtest; auch ist es kein anderer Hochmuthszunder, den Bruder wegen des Fastens zu verachten, als wegen des Essens, ausser daß gefährlicher sind und weiter von den Heilmitteln entfernt jene Laster, die unter dem Scheine der Tugend und in der Gestalt geistiger Dinge auftauchen, als jene, welche offen aus fleischlicher Lust entstehen. Denn diese werden als offen dargestellte und erkannte Krankheiten Aug in Aug überführt und so geheilt; jene aber in ihrer tugendheuchlerischen Decke wuchern ungeheilt fort und stürzen alle ihre Opfer in ein gefährlicheres und hoffnungsloseres Siechthum.
21. Von denen, die Großes verlassen und vom Kleinen beherrscht werden.
Was soll ich nun von jener Lächerlichkeit sagen, daß wir sehen müssen, wie Einige nach der Begeisterung jener ersten Entsagung, in welcher sie ihr Vermögen, die größten Schätze und den Dienst der Welt verließen, um in’s Kloster zu gehen, — mit solcher Anhänglichkeit an noch so kleine und werthlose Dinge gefesselt sind, die man nun einmal nicht ganz wegthun kann, und die man auch in diesem Stande haben muß, — daß die Sorge für dieselben ihre Leidenschaft für ihr ganzes früheres Vermögen übertrifft! Diesen wird es in der That nicht viel Nutzen bringen, größere Schätze und Reichthümer verlassen zu haben, weil sie die Anhänglichkeit an dieselben, wegen deren jene eben zu verlassen sind, auf kleine, unbedeutende Dinge übertragen haben. Denn indem sie das Laster der Begierlichkeit und Habsucht, dem sie in kostbaren Dingen nicht mehr fröhnen können, für werthlosere Gegenstände zurückbehalten, beweisen sie, daß sie die frühere Leidenschaft nicht ausgerissen, sondern nur vertauscht haben. So werden sie in ihrem zu großen Fleiße bei der Sorge um die Matraze, das Körbchen, das Säcklein, ein Buch, eine Matte und andere ähnliche obwohl ganz unbedeutende Dinge doch von derselben Begierde beherrscht wie früher. Sie bewachen und vertheidigen diese Dinge auch mit solcher Eifersucht, daß sie sich nicht schämen, um derselben willen gegen ihren Bruder aufgeregt zu werden, und was noch schändlicher ist, zu streiten. Da sie in diesen Dingen noch an der Krankheit der frühern Begierlichkeit leiden, so sind sie nicht zufrieden, Das, was der Bedarf des Körpers oder die Nothwendigkeit den Mönch zu besitzen zwingt, nach der allgemeinen Zahlund Maßbestimmung zu haben, und zeigen auch darin die Habsucht ihres Herzens, daß sie theils das, was man haben muß eifriger anstreben als die Übrigen,