Vierundzwanzig Unterredungen mit den Vätern. Johannes Cassianus. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johannes Cassianus
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849659912
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und Beihülfe geistige Früchte bieten kann. 146 „Denn jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk ist von oben und kommt herab vom Vater des Lichtes.“ Auch Zacharias sagt: 147„Wenn Etwas gut ist, so ist es von ihm, und das Beste kommt von ihm.“ Und deßhalb bleibt der hl. Apostel dabei: 148 „Denn was hast du, das du nicht empfangen hättest? Wenn du es aber empfiengst, was rühmst du dich, als hättest du es nicht empfangen?“

       17. Daß die Mäßigung der Versuchungen und die Ertragung derselben uns von Gott verliehen werde.

      

      Daß auch die ganze Ausdauer, durch welche wir die einbrechenden Versuchungen ertragen können, nicht sowohl in unserer Kraft als in der Barmherzigkeit und Milderung Gottes gründe, lehrt der hl. Apostel in folgender Weise: 149 „Versuchung mag euch nicht befallen ausser menschliche; treu aber ist Gott, der euch nicht wird versucht werden lassen über euer Vermögen, sondern in der Versuchung den Ausweg schaffen wird, damit ihr sie aushalten könnt.“ Daß Gott auch unser Gemüth in passenden Stand setze oder stärke zu jedem guten Werk und in uns das wirke, was ihm wohlgefällig ist, lehrt derselbe Apostel: 150 „Der Gott aber des Friedens, der herausgeführt hat aus dem Schattenreiche den großen Hirten der Schafe im Blute des ewigen Bundes, Jesum Christum, er mache euch geschickt zu jedem Guten — indem er in euch thut, was wohlgefällig ist vor ihm.“ Das sucht er auch den Thessalonichern mit folgendem Gebet zu erlangen: 151 „Unser Herr Jesus Christus selbst aber und Gott unser Vater, der uns liebte und uns ewigen Trost gab und gute Hoffnung in der Gnade, ermahne eure Herzen und stärke sie in jedem guten Werk und Wort.“

       18. Daß die Beständigkeit in der Furcht Gottes uns vom Herrn gegeben werde.

      

      Daß endlich die Furcht Gottes, durch die wir fest an ihm halten können, uns vom Herrn eingegossen werde, bezeugt klar der Prophet Jeremias, der an Gottes Stelle so sagt: 152 „Und ich werde ihnen ein Herz und eine Seele geben, daß sie mich fürchten alle Tage, und daß es ihnen gut gebe und ihren Söhnen nach ihnen; und ich werde einen ewigen Bund mit ihnen schließen und nicht aufhören, ihnen wohlzuthun; und meine Furcht werde ich in ihr Herz legen, damit sie nicht abfallen von mir.“ Auch Ezechiel sagt: 153 „Und ich werde ihnen ein neues Herz geben und einen neuen Geist in ihr Inneres senden, und werde hinwegnehmen das steinerne Herz von ihrem Fleische und ihnen ein Herz von Fleisch geben, damit sie in meinen Geboten wandeln und meine Aussprüche bewahren und beobachten, damit sie mein Volk seien und ich ihr Gott!“

       19. Daß der Anfang des guten Willens und seine Vollendung vom Herrn sei.

      

      Durch all Dieß werden wir auf’s Klarste belehrt, daß sowohl der Anfang des guten Willens uns durch Gottes Einflößung gegeben werde, wenn er entweder durch sich oder durch die Ermahnung irgend eines Menschen oder durch Bedrängniß uns zum Wege des Heiles zieht: als auch, daß die Vollendung der Tugenden ebenso von ihm geschenkt werde, während es bei uns steht, der Ermahnung und Hilfe Gottes entweder lässig oder eifrig nachzukommen und uns dadurch Lohn oder gerechte Strafe zu verdienen. Haben wir ja doch entweder versäumt oder gestrebt, der Anordnung und Vorsehung, die er in gütigster Herablassung für uns traf, mit opferwilligem Gehorsam zu entsprechen. Das wird bestimmt und klar im Deuteronomium (= fünften Buch Moses) geschildert: 154 „Wenn dich der Herr dein Gott in das Land geführt haben wird, das du zu deinem Besitz betreten sollst, und wenn er vernichtet haben wird viele Völker vor deinem Angesicht, den Ethäer und Gergesäer, den Amorrhäer und Kananäer, den Pheresäer, Eväer und Jebusäer, sieben Völker, die viel zahlreicher und stärker sind als du, und wenn er sie dir hingegeben haben wird, so schlage sie bis zur Vernichtung und schließe kein Bündniß mit ihnen, noch vermische dich mit ihnen durch die Ehe!“ So erklärt es also die Schrift als Gnade Gottes, daß sie in das Land der Verheißung geführt werden, daß viele Völker vor ihrem Angesichte vernichtet werden, daß Nationen in ihre Hand gegeben werden von größerer Zahl und Kraft als das Volk Israel. Ob aber Israel dieselben schlage bis zur Vernichtung, oder ob es sie bewahre und schone, ob es mit ihnen Bündnisse schließe und Ehen eingehe oder nicht eingehe, das wird als ihm überlassen bezeugt. Durch dieses Zeugniß wird deutlich unterschieden, was dem freien Willen und was der Anordnung und täglichen Hilfeleistung des Herrn zuzuschreiben sei, und daß es Sache der göttlichen Gnade sei, uns die Gelegenheiten des Heiles, glückliche Fortschritte und den Sieg zu verleihen; daß es aber bei uns stehe, die verliehenen Wohlthaten Gottes eifrig oder träge zu benutzen. Dieses Verhältniß sehen wir auch bei der Heilung jener Blinden deutlich genug ausgedrückt; denn daß Jesus bei ihnen vorbeiging, ist Gnade der göttlichen Vorsehung und Herablassung; daß sie mit lautem Rufen bitten: „Erbarme dich unser, o Herr, du Sohn Davids!“ ist das Werk ihres Glaubens, während die Erlangung der Sehkraft wieder ein Geschenk des göttlichen Erbarmens ist. Daß aber auch nach Empfang einer jeden Gabe sowohl die Gnade Gottes als auch die Weise des freien Willens fortdaure, zeigt unter Anderm das Beispiel der zehn Aussätzigen, die auch geheilt wurden. Da von diesen Einer die Gabe seines freien Willens zur Danksagung benützt, zeigt der Herr, indem er nach den neun fragt und den einen lobt, daß er ein beständiges Augenmerk auf seine Hilfe habe auch denen gegenüber, die feiner Wohlthaten uneingedenk seien. Denn gerade das ist ein Geschenk seiner Heimsuchung, daß er entweder die Dankbaren aufnimmt und lobt oder den Undankbaren nachgeht und sie tadelt.

       20. Daß Nichts in dieser Welt ohne Gott geschieht.

      

      Wir müssen aber mit unerschütterlichem Glauben festhalten, daß durchaus Nichts in dieser Welt ohne Gott geschehe. Denn man muß zugeben, daß Alles entweder durch seinen Willen oder mit seiner Zulassung sich ereigne, so daß wir glauben, das Gute werde durch Gottes Wille und Hilfe vollendet, das Böse aber mit seiner Zulassung; da uns für unsere Bosheit und Herzenshärte der göttliche Schutz verläßt und uns der Herrschaft des Teufels oder der schändlichen Körpertriebe preisgibt. Darüber belehren uns auch ganz deutlich die Aussprüche des Apostels, wenn er sagt: 155 „Deßwegen überließ sie Gott schändlichen Leidenschaften.“ Und wieder: 156 „Weil sie nicht glaubten, Gott in der Erkenntniß zu haben, überließ sie Gott einem verkehrten Sinn, so daß sie Ungeziemendes thaten.“ Der Herr selbst sagt durch den Propheten: 157 „Es hörte mein Volk nicht auf meine Stimme, und Israel gab nicht Acht auf mich. Deßhalb ließ ich sie hin nach dem Wahne ihres Herzens und sie wandeln in ihren Truggebilden.“

       21. Einwurf über die Macht des freien Willens.

      

      Germanus: Diese Stelle liefert den deutlichsten Beweis von der Freiheit des Willens, da es heißt: 158 „Wenn mein Volk mich gehört hätte“ und: „Nicht hörte mein Volk auf meine Stimme.“ Denn da er sagt: „wenn es gehört hätte,“ zeigt er, daß es in seiner Macht gestanden wäre, sich für Einstimmen oder Nichteinstimmen zu entscheiden. Wie ist nun doch unser Heil nicht auf uns zu bauen, da er uns selbst die Fähigkeit zugestanden hat, zu hören oder nicht zu hören?

       22. Antwort, daß unser freier Wille immer der Hilfe Gottes bedürfe.

      

      Paphnutius: Ihr habt zwar das Wort: „wenn es mich gehört hätte“ genau angesehen; aber gar zu wenig habt ihr beachtet, wer der sei, der zu dem Hörenden oder nicht Hörenden redet, und ebensowenig das, was folgt: „Bis zum Nichts hätte ich sicher seine Feinde gedemüthigt, und auf seine Dränger hätte ich meine Hand gelegt.“ Es möge also Niemand das, was wir zum Beweise, daß Nichts ohne den Herrn geschehe, vorbrachten, in falscher Auslegung verdrehen und es zur Vertheidigung des freien Willens so aufzufassen suchen, daß er von dem Menschen die Gnade und tägliche Versorgung durch Gott trachte hinwegzunehmen, weil es heisse: „Und es hörte nicht mein Volk auf meine Stimme“ und wieder: „Wenn mein Volk mich gehört hätte und Israel gewandelt wäre auf meinen Wegen