Eine Kontaktnahme zu den Mitarbeitern kann aber auch einen einfachen Grund haben: Man möchte beispielsweise wissen, wer talentiert ist und eventuell in eine höhere Charge kommen könnte. Insbesondere wenn man einen neuen CEO langfristig intern rekrutieren möchte, ist eine frühzeitige Kontaktnahme zu eventuellen Kandidaten und ein direktes Kennenlernen, ein Sondieren ihres Fachwissens und ihrer Sozialkompetenz, nicht unwichtig. Auch eine Stimmung im Unternehmen oder wie die Firmenkultur gelebt wird, kann man nur erleben, wenn man an die Front geht. Solche Treffen dürfen nicht überinterpretiert werden, sie können Denkanstösse geben und durchaus auch an einer Verwaltungsratssitzung thematisiert werden.
Meine Frage, ob die Gesprächsteilnehmer auch einmal in der Firmenkantine essen oder eine Tasse Kaffee trinken würden, wird eher skeptisch beantwortet. Wie gesagt: Es darf nicht der Eindruck erweckt werden, dass der Verwaltungsrat gegenüber der Geschäftsleitung Misstrauen hegt. Man könnte von einem Angestellten auch leicht instrumentalisiert werden, oder die Mitarbeiter bekommen selber Probleme, wenn sie mit einem Verwaltungsrat direkt sprechen, denn auch sie müssen ja den Dienstweg einhalten. Hinzu kommt, dass in einem Grosskonzern niemand einen Verwaltungsrat in der Kantine erkennen würde – im besten Fall den Verwaltungsratspräsidenten. In einem kleinen Unternehmen ist das anders, da kennt man sich und ist schon fast wie eine Familie.
Wenn ein Verwaltungsrat neu gewählt wird, wird für ihn oft ein Einführungsprogramm erstellt, damit er die Firma kennenlernt. Das heisst etwa in einem internationalen Unternehmen, dass für ihn auf der ganzen Welt Sitzungen zwecks Herstellung von persönlichen Kontakten organisiert werden. So sind die Verwaltungsräte im Unternehmen von Anfang an berührbar.
In Verwaltungsräten wird auch diskutiert, was eine moderne Version eines solchen Gremiums sein könnte. Eine zentrale Rolle bei den Überlegungen spielt, dass man nicht nur aktiv den Kontakt zum Management pflegen sollte, sondern auch zu den Mitarbeitern; das würde helfen, die Kultur und die Geschichte des Unternehmens besser zu verstehen. Eine Aussenperspektive und direkte Feedbacks an den CEO wären darin eingeschlossen. Viele Verwaltungsräte sind für einen ganz neuen Zugang offen. Dazu gehört auch, dass die Mitarbeiter die Pläne und Strategien kennen. Sie sollen wissen, was der Verwaltungsrat für Prioritäten setzt und an welchen Themen er arbeitet.
Die Verwaltungsräte machen selber die Erfahrung, dass die Kontaktnahme zu Mitarbeitern je nach Unternehmen ganz unterschiedlich gehandhabt wird. Gewisse Firmen sind ganz offen und halten zu diesem Zwecke die Verwaltungsratssitzungen bewusst auf der ganzen Welt ab. Es gibt Beispiele, wo der ganze Verwaltungsrat jedes Jahr in eine bestimmte Region fliegt. Jeder Verwaltungsrat geht dann alleine zwei Tage in ein Land, wo eigene Betriebe vorhanden sind, und trifft sich mit Mitarbeitern und Kunden. Dann kommt man wieder im Hauptquartier für ein Update über das jeweilige Land und den Betrieb zusammen; danach erst wird die Verwaltungsratssitzung abgehalten. So kann das Zwischenmenschliche gepflegt und ein natürliches Interesse, was im Betrieb läuft und wer im Hintergrund arbeitet, gezeigt werden. Die Nähe zu Aussendienstmitarbeitern etwa wird aktiv gepflegt und auch deren Koffer mal getragen. Oder ein Verwaltungsrat kann mal im Regen mit schmutzigen Stiefeln auf einer Baustelle herumlaufen. All das spricht sich natürlich in einem Unternehmen herum und hat einen positiven Einfluss auf die Beziehung zu den Mitarbeitern.
Entscheidend in der Beziehung des Verwaltungsrates zum Unternehmen ist, dass er und auch die Geschäftsleitung jeden Tag die richtigen Werte und eine Kultur vorleben, die anständig, vertretbar und für alle Mitarbeiter nachvollziehbar ist. Das ist es, was alle, die ihre tägliche Arbeit verrichten, ob in einer kleinen oder grossen Firma, wahrnehmen. Ein Verwaltungsrat muss stets eine Vorbildfunktion übernehmen und diejenigen, die das nicht tun, sollte man zum Wohle des Unternehmens, der Glaubwürdigkeit und des Vertrauens in die Beziehungen abwählen – das ist meine feste Überzeugung.
Verwaltungsrätinnen äusserten sich dazu wie folgt:
Direkter Kontakt – Angst des CEO
Anerkennung – Wertschätzung
Softfaktoren – «ruckzuck»
Goldwaage
«Murren» im Kloster