Freundschaften – Balanceakt
Wenn man neu sei in einem Verwaltungsrat, dann nehme man natürlich wahr, dass sich die anderen schon kennen. Als Neue müsse man sich immer zuerst orientieren, Beziehungen ergäben sich dann durch die Zusammenarbeit. Gewöhnlich versuche sie immer zuerst, die Stimmung wahrzunehmen. Mit der Zeit könnten sich durchaus freundschaftliche Beziehungen entwickeln; das könne aber auch problematisch werden. Nämlich dann, wenn man seinem Mitverwaltungsrat wegen der freundschaftlichen Beziehung weniger kritisch gegenüberstehe und ihn eher nicht in Frage stelle. Jemanden, den man nicht so gut kenne und zu dem man ein eher distanziertes Verhältnis habe, ergründe man vielleicht mehr. Positiv sei jedoch, dass man sich bei einem engeren Verhältnis und guter Bekanntschaft eher getraue, etwas zu sagen. Alles in allem versuche man indessen schon, immer professionell und auf einer sachlichen Basis zu funktionieren. Das Beziehungsgeflecht in einem Verwaltungsrat sei stets ein Balanceakt, welchen jedes Mitglied immer wieder von neuem bewältigen müsse. Ein gut harmonierender Verwaltungsrat sei insbesondere gegenüber der Geschäftsleitung von grossem Vorteil.
Sonderstellung Frau
In keinem Verwaltungsrat habe sie persönliche Freunde, dies könne aber auch Zufall sein. Es sei schon so, dass es in allen Verwaltungsräten Leute gebe, die sich besser kennen als andere. Sie sei immer die Ausnahmefigur, weil es ja nicht so viele Frauen gebe; das schaffe eine Sonderstellung und fördere das Ausmass an Vertraulichkeit sicher nicht. Das möge heute etwas anders sein, doch früher sei sie die Quotenfrau gewesen und habe sich immer ganz klar als Fremdkörper empfunden. Aber damit habe sie gut leben können. Als dann einmal eine zweite Frau in einen der Verwaltungsräte gewählt wurde, habe sie sich nicht mehr als Quotenfrau gefühlt. Es sei zwar ein subjektives Gefühl gewesen, aber damit sei für sie die Verpflichtung weggefallen, sozusagen die ganze Gattung Frau vertreten zu müssen. Es habe sie entlastet und die Situation für alle entspannt. Generell sei es auch wichtig, dass die Verwaltungsräte dank der Anwesenheit von weiblichen Kolleginnen lernen, dass Frauen genau so verschieden seien wie Männer.
Mittagessen
Das Zwischenmenschliche spiele eine grosse Rolle und werde oft unterschätzt, insbesondere wenn es darum gehe, Vertrauen zu bilden. Die informellen Gespräche bei einem anschliessenden Mittagessen fände sie wichtig. Einen hohen Wert habe es deshalb, weil man dort die Gelegenheit habe, auch über Privates zu sprechen, um so den Menschen und Kollegen als Ganzes besser zu verstehen und zu erfassen. Natürlich gebe es immer Kollegen, zu denen man mehr Affinität habe, einen anderen Draht, das sei normal. Sie könne nicht sagen, ob sie sich eher zu Frauen oder Männern hingezogen fühle, weil für sie die Persönlichkeit, die Sympathie und vielleicht auch ein ähnlicher Background ausschlaggebend seien, ganz sicher nicht das Geschlecht. Es gebe keine Verbundenheit speziell zu einer Frau, nur weil sie beide in der Minderheit oder eben Frauen seien.
«Bonding»
Es gebe schon eine natürlich Verbindung und Sympathie, ein gewisses «Bonding», unter Frauen, das sei so.
Verbundenheit
In einem Verwaltungsrat gebe es von distanzierten bis zu kollegialen Beziehungen alles. Es vereinfache vieles, wenn man sich besser kenne und eine gewisse Nähe und Kollegialität vorhanden sei. Die Folge davon sei auch, dass man etwas vorbesprechen könne, um die Chance zu erhöhen, dass ein Thema oder Geschäft im Verwaltungsrat durchkomme. Alleine sei dies immer schwierig.
Self-Assessments
Es gebe in den Verwaltungsräten auch die sogenannten Self-Assessments. Dabei handelt es sich um eine Selbstevaluation der einzelnen Verwaltungsratsmitglieder. Sie bewerten ihre Leistung, ihre Stärken, ihre Erwartungen und auch ob sie die jeweiligen Ziele erfüllt haben. Die Resultate werden im Verwaltungsrat diskutiert und jeder hat die Möglichkeit, sich mit seinen Kollegen zu vergleichen. Dort sollte jeder Verwaltungsrat knallhart sagen, wie man etwas empfinde. Es bringe nichts, um den Brei herumzureden oder etwas zu beschönigen. Man könne es ja anständig formulieren; der Respekt gehöre dazu.
Verwaltungsräte äusserten sich dazu wie folgt:
Teambildung – Reisen
Es spiele für ihn keine Rolle, ob er ein Verwaltungsratsmitglied schon aus der Vergangenheit kenne. Bei einer Neubesetzung versuche er, die Besten aufgrund ihres Curriculums, ihrer Leistungen und Erfahrungen zu analysieren und dann ein Gespräch zu führen. Er ginge sogar so weit, es vorzuziehen, jemanden vorher nicht gekannt zu haben; so gebe es keine Belastungen und auch keinen freundschaftlichen Gefallen, den man zurückgeben sollte. Seine Aufmerksamkeit gelte dem Team. Starke individuelle Persönlichkeiten, die nur auf sich selber schauen, möchte er darin nicht haben. Die Teamfähigkeit eines Verwaltungsrates und die Einstellung, die Firma in den Vordergrund stellen und nicht sich selbst, spielten für ihn eine zentrale Rolle. Das Team dürfe durchaus auch kontroverse Elemente beinhalten. Er möchte die Herausforderung und die Diskussion, aber man müsse als Mensch fähig sein, am Schluss einen Teamentscheid zu akzeptieren, auch wenn er nicht den eigenen Ideen entspreche – in dieser Hinsicht könnte es wieder ein Vorteil sein, jemanden schon gut zu kennen. Er investiere viel Zeit für ein Auswahlverfahren, um sicher zu gehen, ein gutes Team formen zu können. Man könne mit ganz einfachen Dingen ein Team bilden. Am Vorabend einer Verwaltungsratssitzung gebe es etwa ein Nachtessen, manchmal mit dem CEO, dann sei es ein Geschäftsessen. Oder auch ohne CEO, wenn man keine entsprechenden Themen habe; dann würde allgemein diskutiert, um das Team zu formen. Der gesamte Verwaltungsrat mache überdies eine Reise pro Jahr; auch dort gebe es Zeit, zwischen Sitzungen und Kundenbesuchen ganz locker zu diskutieren und zu schwatzen. Zusätzlich gehe der Verwaltungsrat in eine zweitägige Retraite, nicht am Hauptsitz, sondern irgendwo in der Nähe an einem abgelegenen Ort, um Strategien zu besprechen und Zeit für informelle Gespräche zu haben. Bei all diesen Reisen und damit verbundenen Sitzungen gehe es ihm stark um das Zwischenmenschliche, weil das für ihn der Kernpunkt eines zu Höchstleistungen fähigen Teams sei. Er komme aus einer 30-jährigen Firmenkultur, die stark auf einer teamorientierten Entscheidungskultur beruhe, das habe ihn natürlich geprägt. Er sei ein absoluter Fan von Teamfähigkeit, aber mit klaren Richtlinien. Ein einmal gefällter Entscheid sei ein Entscheid, der nicht mehr diskutiert würde, und es werde eingeführt, was entschieden wurde.
Zusammenspannen – Machos
Mit der Zeit würden sich Beziehungen entwickeln, das könne man nicht verhindern. In seinem Verwaltungsrat hätten sich die Mitglieder vorher nicht gekannt. Es sei natürlich nicht gut, wenn zwei Mitglieder immer derselben Meinung seien und man spüre, dass die beiden eine besondere Beziehung pflegten. Er erinnere sich an eine Sitzung, in der ein Verwaltungsrat zu einem Thema eine spezielle Meinung hatte. Es wurde nicht in seinem Sinne entschieden. Zwei Tage später habe er von einem anderen Mitglied einen Anruf erhalten, um dasselbe Thema nochmals anders aufzubringen. Er habe sofort gemerkt, dass die beiden miteinander gesprochen hätten. Das sei nicht offen, und ihm sei echte Transparenz wichtig. Es sei auch nicht gut, wenn sich zwei Frauen in dem Sinne zusammentäten, um gemeinsam eine Idee verteidigen zu müssen. Das sei für ihn ebenso absolut inakzeptabel wie wenn sich Männer als Machos aufführten.
Enttäuschungen – keine Firmenloyalität
Die Beziehungen