deshalb entstanden, weil es persönliche Beziehungen gab. Entweder seien diese Beziehungen im Verwaltungsrat entstanden, falls sich die Leute vorher nicht gekannt hätten, oder sie seien schon vorher dagewesen und die Leute hätten sich im Verwaltungsrat wieder getroffen. Eine Firma sei eine rechtliche Körperschaft, klar definiert durch das Gesetz, und nicht etwas Persönliches. Ihre Existenz habe einen einzigen Grund, nämlich zu überleben. Eine Firma kenne auch keine Loyalität. Die Leute, die für das Unternehmen arbeiten, zeichneten sich durch ihre Managementqualität und Loyalität aus. Enttäuschung komme in dem Moment auf, wo diese Menschen realisierten, dass die Firma keine Loyalität zeige; dies etwa, wenn sie in Schwierigkeiten komme. Viele Angestellte würden glauben, die Firma sei eine menschliche Person; gerade das sei sie aber nicht. Der Verwaltungsrat sei bei grossen, kotierten Unternehmen nicht der Besitzer, er erhalte lediglich jedes Jahr einen Lohn und sei von Gesetzes wegen verpflichtet, Massnahmen zu treffen, damit die Firma überlebe. Und genau da gingen dann viele dieser menschlichen Eigenschaften, die man schätze, verloren. Wenn also jemand zwanzig oder dreissig Jahre für eine Firma gearbeitet habe und dies richtigerweise, – denn vielleicht hätte er sogar für mehr Geld wechseln können –, auch als Loyalität ihr gegenüber auslege, müsse er bei Schwierigkeiten enttäuscht die negative Erfahrung machen, dass er wie jeder andere, der vielleicht gerade mal zwei Jahre dort gearbeitet habe, auf die Strasse gestellt würde. Es sei unmöglich, 50 000 Angestellte zu kennen, aber man sollte im Grossen und Ganzen wissen, wie gut sie seien und welche ersetzt werden müssten und welche nicht. Dann könne man Letzteren für ihre Loyalität etwas zugestehen. Aber meist sei es eben so, dass eine Firma, die in ernsthafte Schwierigkeiten gerate, zu diesem Zeitpunkt kein gutes Management und keinen guten Verwaltungsrat habe. Deshalb würden diese Unfälle überhaupt passieren.
Dysfunktionalität – Persönlichkeitsstrukturen
Das Geschäft finde in einem Verwaltungsrat als Diskurs statt. Man unterhalte sich, hinterfrage Dinge, stelle Hypothesen auf und habe Visionen. Da sei es wichtig, in welchen Rollen man miteinander spreche und wie die Rollen gelebt würden. Das Persönliche sei schon sehr wichtig: in einem Verwaltungsrat müsse man auch verstehen und vermitteln können. Da komme es enorm darauf an, wie die persönlichen Beziehungen unter den Verwaltungsratsmitgliedern seien. Sie könnten auch dysfunktional sein, beispielsweise, wenn jemand permanent versuche, dominant aufzutreten und immer recht haben möchte. Das sei nur eine von vielen Persönlichkeitsstrukturen; extrem wichtig scheine es ihm, dass man diese kenne und verstehe. Es müsse eine Art und Weise gefunden werden, miteinander umzugehen, unterschiedliche Meinungen zu erlauben und gleichzeitig auch einen Konsens zuzulassen. All das sei geprägt durch die individuelle Persönlichkeit und Erfahrung, kurz das, was man in einen Verwaltungsrat mitbringe.
Objektivität – Vertrauen
In einem Verwaltungsrat dürften keine engen Freundschaften bestehen; die Frage der Objektivität müsse gewährleistet sein. Sein Verwaltungsrat mache für die Beziehungspflege dreitägige Camps, wo man sich über die Unternehmenskultur und die Weiterentwicklung austausche. Das beinhalte auch Wanderungen, wo man immer abwechslungsweise mit dem einen oder anderen laufe. So könne man in entspannter Atmosphäre Schwierigkeiten besprechen und positive und negative Erfahrungen austauschen. Der Blick auf den Menschen würde dadurch geöffnet, was durchaus auch ins Private gehen könne. Man sehe, wie der eine oder andere funktioniere und schaffe so gleichzeitig eine Vertrauensbasis. Wichtig sei einfach, dass sich auch der Verwaltungsrat hinterfrage, was er falsch und besser machen könnte, was er erreicht oder eben auch nicht erreicht habe.
Seilschaften
Einen offenen und guten Kontakt im Verwaltungsrat und auch mit der Geschäftsleitung zu haben sei sehr wichtig. Wesentlich sei, das Gefühl zu haben, dass man offen und rechtzeitig informiert würde. Wenn Seilschaften entstünden, die den einen besser als die anderen behandelten, dann sei dies für das Team schädlich. Er poche darauf, dass man keine Freunde in den Verwaltungsrat nehmen solle, um sich damit eine Basis zu schaffen; es bestehe sonst die Gefahr, dass sich die anderen sehr schnell ausgeschlossen fühlten. Bei der Beziehungspflege unterscheide man nicht zwischen Frauen und Männern.
Chemie – raue Stimmung
Die Beziehungen unter den Verwaltungsräten seien unterschiedlich. Dem einen oder anderen könne man plötzlich sehr nahekommen, meist bei einem Abendessen, wenn es in das Persönliche gehe. Er sitze auch in einem Verwaltungsrat, wo er zwei Mitgliedern gar nicht nahekomme, mit ihnen immer noch per «Sie» sei, aber mit allen anderen per «Du». Die Chemie sei einfach manchmal völlig unterschiedlich. Er sei Vollblutunternehmer, folglich sehr kostenbewusst und da könne ein Technokrat im Verwaltungsrat schon geschockt sein, wenn er im Restaurant für einen teuren Wein einen günstigen Preis verlange. Es könne auch eine raue Stimmung geben, sehr direkt, aber immer im Sinne, das Beste für die Firma herauszuholen.
Meinungsunterschiede – Stil – Kultur
Beziehungen in einem Verwaltungsrat spielten eine grosse Rolle; man sollte auf derselben Wellenlänge sein. Es mache es einfacher, obwohl es immer um die Sache gehe. Der Mensch funktioniere ja auch über Emotionen. Wenn man jemanden persönlich nicht riechen könne, sich aber in der Sache einig sei, könne es trotzdem funktionieren; es würde erst dann schwierig, wenn es Meinungsunterschiede und Abweichungen gebe. Wenn man diese Konstellation realisiere und wisse, dass man zusätzlich dem Kollegen auch emotional nicht nahestehe, dann müsse man extrem sachlich und professionell bleiben. Das übergeordnete Ziel, nämlich das Funktionieren der Unternehmung, müsse stets gewährleistet sein; ansonsten müsse man sich auseinanderdividieren. Bei offenkundigen Kommunikations- und Verständigungsproblemen müsse man sofort Klarheit schaffen, aber mit Stil und Kultur.
2.Beziehungen des Verwaltungsrates zum Unternehmen
Frage: Welche Beziehungen pflegt der Verwaltungsrat zum Unternehmen?
Eine Beziehungspflege des Verwaltungsrates zum Unternehmen, zu den Mitarbeitern, ist von fast allen Verwaltungsräten gewünscht – jedoch nicht auf eigene Initiative. Eine direkte Kontaktnahme eines Verwaltungsrates im Betrieb ist unerwünscht und problematisch, weil schlussendlich der CEO für das operative Geschäft verantwortlich ist und der Verwaltungsrat eine Aufsichtsfunktion hat. Eine Beziehungspflege muss auf jeden Fall transparent über die Bühne gehen, via den Verwaltungsratspräsidenten und dann den CEO. Es hilft, wenn der Verwaltungsrat mit der Geschäftsleitung ein gutes Verhältnis hat.
Es gehört zur Verantwortung des Verwaltungsrates, mit der Firma auf Tuchfühlung zu sein, um sie wirklich verstehen zu können. Darin sind sich die meisten Gesprächspartner einig. Es darf dabei kein zu starker Kontakt zu einzelnen Angestellten entstehen, weil man so eventuell mit falschen Tatsachen konfrontiert würde, die nur der eine Mitarbeiter so sieht, aber nicht eine ganze Gruppe oder ein Team. Für den Verwaltungsrat wird es dann schwierig, weil er sich die Frage stellen muss, wie er diese Information weiterverarbeitet. Ist der Mensch einfach frustriert, weil er nicht befördert wurde? Sollte der Verwaltungsrat aktiv werden? War es vertraulich? Ist striktes Heraushalten aus dem Operativen geboten? Oder soll man eventuell doch mit dem CEO sprechen? All das kann gefährlich werden. Abgesehen davon hört man von den Erfolgreichen im Unternehmen meist nichts. Gleichzeitig kann man es einem Verwaltungsrat nicht verwehren, sich mit Mitarbeitern zu treffen und ihnen zuzuhören; viele Verwaltungsräte möchten nicht nur Kontakt zum CEO und zum Finanzchef haben. Es braucht aber auf jeden Fall Fingerspitzengefühl, und Probleme sollen ja keinesfalls versteckt werden.
Es gibt auch kritische Stimmen zu einer internen Beziehungspflege. Etwas vom Schlimmsten ist es, wenn der Verwaltungsrat den Eindruck erweckt, er unterminiere