»Offensichtlich kennst du dich mit Frauen ziemlich gut aus.«
»Ich bin mit zwei älteren Schwestern aufgewachsen.«
»Dann hast du einiges an Erfahrung mit auf den Weg bekommen.«
»Ich denke schon. Du kannst meine Fähigkeiten testen, wenn du möchtest. Wir könnten uns morgen wieder treffen. Da du morgen Vormittag bereits eine Wanderung unternimmst, hast du sicher keine große Lust auf einen weiteren Spaziergang am Nachmittag. Wie wäre es mit einem Ausflug mit dem Auto? Ich würde dich gegen fünf im Hotel abholen.«
»Ich werde in der Lobby auf dich warten.« Sie zögerte erst gar nicht mit der Antwort, weil auch sie ihn unbedingt wiedersehen wollte.
»Dann bis morgen.«
»Bis morgen«, sagte sie und eilte davon, weil sie ihn am liebsten zum Abschied umarmt hätte, sich aber nicht traute, diesem Wunsch nachzugeben. Bevor sie die Lobby betrat, drehte sie sich noch einmal um. Kai lehnte an der Fahrertür seines Autos und schaute ihr nach. »Es war schön, mit dir zusammen zu sein«, flüsterte sie und schob die Tür zur Lobby auf.
Heller Teppichboden, Wandverkleidungen aus edlem Holz, ein offener Kamin, Sessel und Sofas mit goldfarbenem Stoff bezogen, Deckenstrahler und gedimmte Stehlampen. Wie schon in den Außenanlagen wurde auch im Innenbereich des Hotels Wert auf eine luxuriöse und farblich aufeinander abgestimmte Ausstattung gelegt. Die junge Hotelangestellte in dem blauen Kostüm, die hinter dem Empfangstresen stand, begrüßte sie freundlich und reichte ihr eine Notiz, die Gundula für sie hinterlassen hatte.
»Warten in der Bar auf dich«, stand auf dem Zettel.
Der Eingang zur Bar war nur ein paar Schritte von der Rezeption entfernt. Trotzdem war kaum etwas von drinnen zu hören. Erst als sie die Tür aufzog, wurde ihr klar, wie gut der Raum schallisoliert sein musste. Die Musik, das Stimmengewirr der zahlreichen Besucher hätte sonst auch die Nachtruhe der Hotelgäste in den unteren Stockwerken gestört.
Gundula und Ulrike saßen an der Bar und plauderten mit dem Barkeeper, einem jungen Mann Anfang zwanzig mit blonden Locken und hellen Augen.
»Ihr amüsiert euch?«, fragte sie die beiden, stellte sich hinter sie und legte jeder eine Hand auf die Schulter.
»Ja, das tun wir. Don unterhält uns prächtig«, erklärte Gundula. Sie hatte einen Cocktail mit Ananas vor sich stehen, rührte mit einem Strohhalm darin herum und trank dann einen großen Schluck davon. »Wir dachten uns schon, dass er dich nach Hause bringen wird, deshalb haben wir es uns hier gemütlich gemacht.«
»Woran habt ihr das festgemacht? Ich meine, dass er mich zum Hotel bringt.«
»Erst der Alkohol, danach Kuschelstunde im Auto, so ist das doch«, sagte Ulrike.
»So war es aber nicht. Kai war ganz Gentleman.«
»Ach so.«
»Was darf ich Ihnen bringen?«, wandte sich der Barkeeper an Britta.
»Sie nimmt auch so einen Ananas Pfirsich wie ich«, antwortete Gundula für Britta.
»Ja, in Ordnung«, sagte Britta, als Don sie kurz anschaute. Ihre beiden besten Freundinnen kannten eben ihren Geschmack.
»Setz dich zwischen uns und erzähle, wie es war«, bat Gundula und wechselte auf den freien Barhocker zur ihrer Rechten.
»Es war ein ziemlich langes erstes Treffen«, sagte Ulrike und fing Brittas Blick auf.
»Ja, und? Ich bin kein Teenager mehr, und du bist nicht meine Mutter.«
»Sei doch nicht gleich beleidigt. Es war doch nur eine Feststellung«, verteidigte sich Ulrike. »Ich mache mir eben Sorgen um dich. Erst gibt er dir Alkohol zu trinken, dann tauchst du nicht mehr auf. Da darf man doch mal nachfragen.«
»Du irrst dich wirklich in ihm. Er wollte euch sogar an unseren Tisch bitten, als ich ihm sagte, wer die beiden Spioninnen auf der anderen Bachseite sind.«
»Wirklich? Ich hätte mich gern dazu gesetzt. Er ist ein attraktiver junger Mann und offensichtlich sehr nett«, stellte Gundula fest, deren Augen verrieten, dass es nicht ihr erster Cocktail an diesem Abend war.
»Am ersten Abend sind alle nett, bis sie haben, was sie wollen, dann kennen sie dich nicht mehr«, erklärte Ulrike.
»Sprich nicht so von ihm, Rieke. So ist Kai nicht, ganz bestimmt nicht«, verteidigte Britta ihn.
»Duzt ihr euch schon?«, wollte Ulrike wissen.
»Ja, warum auch nicht? Wir sind doch ungefähr gleich alt.«
»Britta, ich bitte dich, sei doch nicht so naiv. Du glaubst doch nicht, dass der Mann ernsthaft an dir interessiert ist. Vielleicht geht er öfter in die Praxis Seefeld, um Touristinnen kennenzulernen. Ich meine, es ist schon ein origineller Ort, um mit einer Frau anzubandeln.«
»Rieke, bitte, es reicht, trink lieber noch einen Cocktail und lass Britta und ihren Sportlehrer in Ruhe«, mischte sich Gundula ein.
»Ich lasse niemanden, der mir etwas bedeutet, in sein Unglück rennen.«
»Du musst dir wirklich keine Sorgen um mich machen. Kai ist in Ordnung. Außerdem waren wir heute Abend gar nicht allein.«
»Wer hat euch denn gestört?«, fragte Gundula schmunzelnd.
»Maxl Kornhuber, der Vorsitzende des Bergmoosbacher Alpenvereins, hat sich zu uns gesetzt, als er hörte, dass ich aus der Eifel komme. Er war schon zum Wandern bei uns und inzwischen kenne ich wohl jede Wiese, an der er vorbeikam.«
»Unsere Eifel ist eben ein abenteuerlicher Landstrich, da gibt es nun einmal viel zu erzählen«, sagte Ulrike und bestellte sich noch einen Cocktail mit Banane und Mandarine. Offensichtlich hatte dieser Sportlehrer es weniger eilig, mit Britta einen Abend allein zu verbringen, als sie angenommen hatte.
Das wiederum könnte bedeuten, dass er vielleicht doch nicht nur auf einen kurzen Flirt aus war.
Sie musste diese Angelegenheit genau beobachten. Wenn es noch eine Chance für Richard gab, dann durfte dieser fremde Mann sie nicht zunichtemachen.
»Jetzt sei nicht mehr so mütterlich besorgt, Rieke. Ich verspreche, dass ich gut auf mich aufpassen werde«, sagte Britta und hob ihr Glas, um mit ihrer Freundin anzustoßen.
»Ich werde mich bessern«, erklärte Ulrike und wich Gundulas forschendem Blick aus.
»Auf die Freundschaft«, sagte Britta und stieß zuerst mit Ulrike und danach mit Gundula an.
Es war schon nach eins, als die drei schließlich die Bar verließen und auf ihr Zimmer hinaufgingen. Aber Britta fand, dass sich das Intermezzo an der Bar auf jeden Fall rentiert hatte. Auch Ulrike war wieder gut gelaunt. In ein paar Tagen, wenn sich herausstellen sollte, dass Kai mehr als nur einen Flirt suchte, wie Ulrike befürchtete, dann würde sie den beiden Kai vorstellen. Bis dahin wollte sie erst einmal alles einfach auf sich zukommen lassen.
»Ich denke, ich werde mich jetzt umdrehen und von ihm träumen«, sagte sie, als sie später auf dem bequemen Schlafsofa lag und sich in die weiche Steppdecke mit dem nach Lavendel riechenden weißen Bettbezug eingekuschelt hatte.
»Gute Nacht«, sagten Gundula und Ulrike und danach tuschelten sie noch eine Weile miteinander, aber das hörte Britta nicht mehr. Sie war schon ganz weit weg, irgendwo in Bergmoosbach unter dem weiten Sternenhimmel zusammen mit Kai.
*
Die Führung zum Bergmoosbacher Moor startete direkt am Hotel Sonnenblick. Lydia Draxler, die für den Tourismus in Bergmoosbach zuständig war, hatte die kleine Touristengruppe, zu der auch Britta und ihre Freundinnen gehörten, um sich versammelt und wies noch einmal alle darauf hin, dass sie unbedingt auf den befestigten Wegen bleiben sollten.
»Das Moor ist tückisch, das wissen Sie alle. Es zeigt sich in seiner ganzen Schönheit und nichts deutet auf die Gefahr hin, so als wollte