Jetzt befolgte sie ihren Rat, aber das schien ihr ganz offensichtlich nicht zu gefallen. Egal, ich werde diesen Flirt, oder was auch immer das ist, annehmen, dachte sie. Seitdem sie Kai begegnet war, fühlte sie sich wie auf Wolken gebettet, und das war ein wunderbares Gefühl.
*
»Schon wieder telefonieren«, seufzte Gundula, die sich auf dem Rücken im Wasser treiben ließ.
Gleich nachdem Britta gegangen war, hatte Ulrike den Pool verlassen. Sie hatte es sich auf einer Liege bequem gemacht und ihr Handy aus der Tasche ihres Bademantels gezogen.
»Ich habe zwei Anrufe von ihm verpasst. Wenn ich mich jetzt nicht gleich bei ihm melde, denkt er noch, er geht mir mit seinem Kummer auf die Nerven.«
»O Mann, Rieke, er ist kein Kind mehr. Er wird schon damit zurechtkommen, wenn du nicht alle fünf Minuten mit ihm telefonierst.« Gundula schwamm zum Rand des Pools, hielt sich direkt vor Ulrikes Liege fest und sah ihre Freundin an, die einen schwarzen Badeanzug trug, der ihre kleinen Problemzonen verdeckte.
»Er ist aber in keiner guten Verfassung, Gundi«, verteidigte Ulrike ihre Telefonate. »Richie, tut mir leid, ich habe das Telefon nicht gehört. Ich war gerade im Pool«, sagte sie, als ihr Bruder sich meldete. »Echt? Das ist großartig. Ja, ich denke, das solltest du tun. Es wird alles gut werden. Geh du erst einmal zu den Eltern und bleib heute Abend bei ihnen. Sie werden glücklich sein, dich zu sehen. Morgen besprechen wir dann, wie du es am besten anstellst. Ja, bis dann.«
»Was ist los?«, fragte Gundula, nachdem Ulrike das Gespräch beendet hatte.
»Er ist schon in Monreal.«
»Verstehe, das war wohl die Nachricht, die du großartig findest.«
»Ja, schon, ich freue mich, dass er wieder zu Hause ist. Und stell dir vor, unser Onkel hat ihm bereits wieder eine Stelle in der Rehaklinik zugesagt. Er und Britta werden also wieder zusammen arbeiten.«
»Ob sie das wirklich gut findet, wird sich noch herausstellen. Aber okay, sei es drum. Was willst du morgen mit ihm besprechen?«, wollte Gundula wissen, die Ulrikes flackernden Blick bemerkt hatte. Ein deutliches Zeichen, dass ihr etwas äußerst unangenehm war.
»Richie plant, nach Bergmoosbach zu kommen. Er will Britta so schnell wie möglich wiedersehen.«
»Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass sie ihn wiedersehen will.«
»Doch, das will sie. Wir wissen beide, wie sehr sie Richie geliebt hat. Ich bin sicher, sie liebt ihn noch immer. Sie muss ihn nur sehen, dann wird sie diesen Sportlehrer sofort vergessen«, behauptete Ulrike.
»Gönne ihr doch dieses Glück, das sie gerade erlebt.«
»Du meinst, Richie soll nicht herkommen?«
»Ja, genau, das meine ich.«
»Aber die Begegnung mit Richie würde sie vor einer weiteren Enttäuschung bewahren.«
»Ach ja?«, entgegnete Gundula, und ihre Miene verriet, dass sie davon nicht überzeugt war.
»Der Sportlehrer sucht doch nur ein Abenteuer. Sobald er hat, was er will, interessiert er sich nicht mehr für sie.«
»Und du glaubst, ein Mann, der sie wegen einer anderen Frau verlassen hat und sich erst wieder an sie erinnert, nachdem er selbst verlassen wurde, dieser Mann könnte Britta davon überzeugen, dass er es ernst mit ihr meint?«
»Richie und Britta kennen sich bereits ihr ganzes Leben lang, und sie lieben sich. Das ist eine Liebe für die Ewigkeit. Richie war nur von dieser Frau verblendet. Sie hat es verstanden, ihm einzureden, dass er Britta nicht mehr liebt. Du darfst nicht vergessen, dass sie zehn Jahre älter ist als er«, verteidigte Ulrike ihren Bruder.
»Du redest es dir schön, Rieke. Fakt ist, dass Richie das große Abenteuer gesucht hat, und für dieses Abenteuer hat er Britta geopfert. Ich glaube nicht, dass sie ihn zurückhaben will.«
»Angenommen, er wäre hier, wenn ihr klar wird, dass dieser Kai nur mit ihr gespielt hat, dann bekäme er seine Chance. Ich meine, der andere ist nur eine flüchtige Begegnung in ihrem Leben. Richie dagegen ist die Liebe ihres Lebens. Sie wird ihm eine zweite Chance geben.«
»Du bist also fest davon überzeugt, dass er sie nicht gleich wieder für eine Frau mit Haus auf irgendeiner Insel verlassen würde?«
»Du hättest ihn hören sollen. Er bereut zutiefst, was er getan hat.«
»Du solltest Britta auf diese Begegnung vorbereiten.«
»Nein, das würde nur den alten Kummer über ihn wieder aufwärmen. Sie muss ihn sehen, um ihm zu verzeihen. Welche Frau kann seinem Charme schon widerstehen?«, entgegnete Ulrike lächelnd.
»Ich weiß nicht, ob das richtig ist, ihr nichts von seiner Rückkehr zu sagen.«
»Gib ihnen die Chance, wieder zu diesem Traumpaar zu werden, das sie einmal waren. Bitte, Gundi, verrate uns nicht.«
»Meinetwegen, ich sage nichts. Ich hoffe nur, dass diese Aktion nicht unsere Freundschaft mit Britta zerstört.«
»Warum sollte das denn passieren? Wir sorgen dafür, dass sie wieder glücklich wird. Das ist kein Grund, uns die Freundschaft zu kündigen. Du solltest nicht weiter über den Sportlehrer nachdenken, Gundi. Ich kenne niemanden, der im Urlaub unter den Einheimischen, egal wo, die Liebe seines Lebens gefunden hat.«
»Das schließt aber nicht aus, dass so etwas passieren kann.«
»Du und Britta, ihr seid verträumte Seelen. Die Wirklichkeit ist aber kein Traum. In der Wirklichkeit machen Menschen Fehler. Wer seine Fehler ehrlich bereut, der sollte seine zweite Chance bekommen«, antwortete Ulrike und lehnte sich in ihrem Liegestuhl zurück.
Mal sehen, wer am Ende siegt. Der Traum oder die Wirklichkeit, dachte Gundula. Sie legte sich wieder aufs Wasser und schaute auf die zarten Schäfchenwolken, die über den blauen Himmel zogen. Eine davon sah aus wie eine Braut in einem wundervollen Kleid.
*
Eine halbe Stunde später fuhr Britta mit dem Lift in die Lobby hinunter. Sie trug ihr Lieblingskleid, das weiße mit dem zarten Lavendelmuster. Das Oberteil war schmal geschnitten, hatte einen rechteckigen Ausschnitt und lange Ärmel. Der leicht ausgestellte Rock umspielte ihre Knie. Ihr Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden. Weil sie nicht wusste, wohin es gehen sollte, hatte sie ihre dunkelblauen Ballerinas angezogen. So war sie auch auf einen Spaziergang bestens vorbereitet.
Kai wartete schon auf sie. Er saß auf dem Sofa gegenüber der Rezeption und schaute in ihre Richtung, als sie den Aufzug verließ. Ihr Herz klopfte schneller, als sich ihre Blicke trafen und er aufstand. Der junge Sportlehrer in der dunklen Hose und dem hellen Poloshirt gefiel ihr noch genauso gut wie am Tag zuvor.
»Ich hoffe, du musstest nicht zu lange auf mich warten«, sagte sie, als er sie mit einer freundschaftlichen Umarmung begrüßte.
»Nein, ich bin gerade erst eingetroffen. Das Kleid steht dir wirklich gut«, sagte er und ließ seinen Blick über sie gleiten.
»Danke«, erwiderte sie leise und senkte den Blick, weil sie das Gefühl hatte, gleich rot zu werden.
»Alles in Ordnung mit dir?«
»Ja, alles gut«, sagte sie und schaute wieder auf.
»Dann können wir los?«
»Und wohin?«
»Einer meiner Freunde hat vor einiger Zeit die Glasbläserei seiner Familie in Oberstdorf übernommen. Ein Restaurant gehört auch dazu. An manchen Abenden kann man ihm und seinen Angestellten bei der Arbeit zusehen. Heute ist so ein Abend. Ich würde dich gern dorthin einladen.«
»Das klingt spannend.«
»Dann machen wir uns auf den Weg«, sagte er und legte seinen Arm um ihre Schultern.
Britta genoss die