Harder verfiel in eine maßlose Aufregung. Halb sinnlos vor Schmerz und Wut zieh er Eisenecker in brutalem Tone der stärksten Undankbarkeit, verbot ihm sein Haus, versagte ihm jeden Verkehr mit Mette, kündigte ihm sofort die Stellung bei den Riggers-Werken.
Der war gegangen. Nie wieder war Kunde von ihm zu ihr gedrungen…
Jener einzige Sommer des Glücks in ihrem Leben.
Sie stöhnte leise. Für sie gab es keine Brücke mehr zum Glück. Und das vertiefte noch ihr Leid, daß sie zweifeln mußte, ob er sie je so geliebt wie sie ihn.
Hatte er sie so wenig verstehen können? Immer, wenn sie an ihn dachte, stand jene letzte Fahrt vor ihrer Seele. Immer noch hörte sie die furchtbaren Worte der Wut, die er damals gesprochen.
Ihr Herz zuckte, ihre Hand machte wirre Bewegungen, als könnte sie das alles fortstoßen… Und dann begannen wieder die Erinnerungen an die seligen, frohen Stunden auf dem Meere alles Trübe zu verscheuchen.
Ruhiger wurden ihre Gedanken. Kehrten von den Erinnerungen einer glücklichen Vergangenheit zur Gegenwart zurück.
Was hatte sie eben gehört! Ihr Vater gegen Eisenecker. Was hatte er getan, wollte er tun? Des Vaters schwerer Verdacht gegen ihn… wo war hier Recht und Unrecht…?
Ein glühendheißer Junitag hatte sich geneigt. Die volle Mondscheibe stieg von Osten her über die Bogentürme der Alhambra, stieg höher und höher, bis ihre Strahlen voll in die Höfe des alten maurischen Königsschlosses fielen.
Die Nacht des 17. Juni zog herauf. Zum fünften Male jährte sich die Eroberung der iberischen Halbinsel durch die maurischen Waffen.
Am Brunnen im Löwenhof im Glänze der elektrischen Lampen eine festliche Tafel. Da saßen sie, die Großen des maurischen Reiches. In dem bunten Gewimmel der vielfarbigen Uniformen hier und da der schwarze Rock des Staatsmannes, des Gelehrten. Fast alle Rassen des maurischen Völkergemisches waren vertreten. In der Mehrzahl die hohen, schlanken Gestalten der Berboaraber. Neben Negertypen auch helle, ganz europäisch anmutende Gesichter.
Den Vorsitz an der Tafel führte Prinz Ahmed Fuad, der Bruder des Kalifen, dessen Statthalter in Spanien. Ihm zur Seite Fürst Iraklis, der Gouverneur von Madrid, vor fünf Jahren Führer der maurischen Vorhut. An der Spitze seiner Truppen war er damals in einem einzigen beispiellos kühnen Vorsturm bis zu den Pyrenäen durchgedrungen. Hatte sofort die wichtigsten Pässe besetzt und in zähem erbitterten Kampfe die von Norden her anrückenden Hilfstruppen zurückgeworfen.
Der ganze maurisch-spanische Krieg eine lange Kette kühner Taten. Ceuta, der letzte europäische Besitz in Nordafrika! Durch die weittragenden Geschütze der spanischen Küste geschützt, hatte es immer wieder den maurischen Angriffen getrotzt. Bis der Tag kam, an dem die Gegner ähnliche Geschütze besaßen, an dem nach furchtbaren Land- und Luftkämpfen die weiße Flagge auf den Werken Ceutas wehte.
Das Gespräch kreiste und brachte die Erinnerung vergangener Taten. Der Fürst ließ die Bilder jener Tage wieder aufleben.
»Heute vor fünf Jahren… die Sonne war im Atlantik versunken. Zu beiden Seiten der Straße von Gibraltar flammten die riesigen Scheinwerfer auf, erhellten glänzend die nächtliche See, ließen in ihren Lichtkegeln die fürchterlichen Bilder wieder erscheinen, die der verzweifelte dreitägige Kampf um die Meerenge auf afrikanischer und europäischer Seite gezeugt hatte.
Bis zum letzten hatten sich die im Norden gewehrt. Erst um die Mittagsstunde des dritten Tages waren sie von der Übermacht des Südens zurückgeworfen worden. Bis weit ins spanische Hinterland hinein tobte der Kampf. Jetzt in der Nacht des 17. begann sich die mächtige Luftflotte des Maurischen Reiches in Bewegung zu setzen. Wie von Zauberhand geleitet fuhren sie rüber und hinüber, und kein feindliches Flugschiff, das ihrer Fahrt Abbruch tat. Als der Morgen des 18. kam, da standen die maurischen Krieger zu Hunderttausenden auf dem ersehnten Boden Spaniens. Vorwärts… vorwärts, immer vorwärts. Kein Feind, der sie aufhielt.
Und wieder eine Woche später. Hier im Löwenhof der Alhambra war’s…«
Während er lebhaft und immer lebhafter sprach, hatte der Fürst sich erhoben, deutete mit der Rechten auf den Mondschatten, den die Säulenhalle dort auf den steingetäfelten Boden warf…
»Dort stand unser Herr. Dort stand der Kalif, als meine Boten ihm die Nachricht brachten: ›Die Pyrenäenpässe fest in unserer Hand. Keine feindliche Armee mehr auf spanischem Boden, die unseren Tapferen noch standhielte. Spanien liegt zu deinen Füßen.‹«
Das Surren eines Propellers unterbrach die Erinnerungen des Generals. Ein Hubschrauber senkte sich aus mondlichter Höhe in einen der Höfe der Alhambra.
»Dort stand Abdurrhaman, unser Kalif, unser Herr, als meine Boten ihm den Sieg meldeten«, fuhr der Fürst in seiner Erzählung fort, als das Wort ihm stockte.
Aus dem Schattendunkel des Säulenganges trat eine hagere, hohe Gestalt. Über dem schmalen gebräunten Gesicht hob sich eine auffallend helle Stirn. Das rötlich-blonde Haar war kurz geschnitten. War er 50… war er erst 30 Jahre alt? Auch ein aufmerksamer Beobachter hätte es kaum sagen können. Das war Abdurrhaman, der Kalif des neuen großen Maurenreiches. In schnellem Fluge hatte ihn der Hubschrauber aus seinem afrikanischen Reich über das mondschimmernde Meer hierhergebracht.
Der Herrscher wollte nicht fehlen beim Erinnerungsfest… beim Siegesfest seiner Getreuen, die ihn jetzt jubelnd umringten. Ein Wink von seiner Hand, und die elektrischen Lampen erloschen. Nur noch im hellen Lichte des Mondes lag der alte Hof, lag die schimmernde Tafel.
»Das Gestirn Allahs… gepriesen sei sein Name… es soll uns allein leuchten.« Ein zweiter Wink, und die Teilnehmer der Tafelrunde kehrten zu ihren Plätzen zurück.
Der Kalif hatte sich am Ende der Tafel niedergelassen. Während die Gäste weiterplauderten, winkte er Abd ul Hafis, den Professor von der Universität Kordova, an seine Seite, ließ sich mitten im Trubel der Tafel einen Vortrag von ihm halten. Einen Vortrag über die Frage, die jetzt alle Gelehrten der Welt bewegte, die Frage der Atomenergie. Unterbrach den Vortrag:
»Warum, Abd ul Hafis, warum sind wir nicht ebensoweit auf diesem Gebiete gekommen wie die Europäer?«
Abd ul Hafis verbeugte sich.
»Herr, wir sind erst seit fünf Jahren hier in Spanien. Lange Kämpfe, ein schwerer Krieg liegt hinter uns. Es waren nicht Geld und Zeit für diese Dinge übrig. Die in Europa arbeiten schon seit Jahrzehnten an dem Problem und haben ihr Geheimnis so sorgfältig gehütet, daß kein Spion es zu entschleiern vermochte.
Überdies, Herr, Spione, wie sie gewöhnlich verwendet werden, versagen in diesem Falle. Es müßten wissenschaftlich gebildete… hochgebildete Männer sein, die diese Spionage erfolgreich betreiben könnten. Solche aber werden nur schwer, werden vielleicht niemals Eintritt in die europäischen Werke finden.« Der Kalif fragte:
»Wäre überhaupt einer unserer Gelehrten imstande, das Arbeiten der Apparate und die Lösung des Problems voll zu verstehen, wenn er in eins der europäischen Werke käme?«
»Ganz gewiß, Herr. Unsere Gelehrten sind klug genug, das Verfahren zu begreifen und die Versuche zu verstehen, wenn sie ihnen nur beiwohnen könnten.«
»Aber«, warf der Kalif ein, »wie kommt es dann, daß die englischen Gelehrten das Erbe von Elias Montgomery nicht verstehen, daß sie sein Geheimnis nicht ergründen, seinen Apparat nicht in Tätigkeit zu setzen vermögen?«
Abd ul Hafis schien nachzudenken. Er zögerte, bevor er die Antwort fand.
»Vielleicht, Herr, vielleicht hat es seine Gründe darin, daß die englischen Gelehrten sich mehr und mehr von dem Problem zurückzogen, als die plötzlichen und überraschenden Erfolge Montgomerys bekannt wurden. Die Engländer sind praktische Leute. Sie hielten es vielleicht für überflüssig, noch einem Ziele nachzustreben, das ein anderer schon erreichte.«
Der Kalif nickte zustimmend. »So könnte